Die/der Mandatierte wird’s richten!?/Eine Antwort auf eine private Mail
Der Adressat des folgenden Beitrags besteht darauf, dass seine Mail, auf die mein Beitrag antwortet, privat bleiben soll. Soll sie. Da es sich aber um ein allgemeines Problem von oppositioneller Kommunalpolitik handelt, sei meine Antwort im Folgenden veröffentlicht.
Antwort:
Was die Arbeitsteilung zwischen „Mandatierten“ und „zivilgesellschaftlichen Organisationen“ anbetrifft, sehe ich die Sache anders als Du.
Ein „Mandat“ beinhaltet im kommunalen Bereich den Auftrag, im Rahmen einer klar umrissenen Funktion im kommunalen politischen System, z.B. einer Ausschuss- und Ratsmitgliedschaft*, tätig zu sein**. In jeder anderen Hinsicht ist eine „Mandatierte/ein Mandatierter“ ein/e Bürger_in wie alle anderen: engagiert oder weniger engagiert.
Auf der anderen Seite bestehen auch „zivilgesellschaftliche Organisationen“ für mich aus Bürger_innen (z.B. Bürger_innen der Stadt Witten), die die Pflicht haben, sich über den speziellen Organisationszweck einer „zivilgesellschaftlichen Organisation“ hinaus aktiv politisch zu engagieren – bei entsprechender Thematik auch möglichst sachkundig in Hinblick auf das politische System.
Andernfalls führt das zu einer Zuschauerhaltung, die z.B. von einer/m „Mandatierten“, die/der sich in der Opposition befindet, verlangt, was sie/er nicht leisten kann: z.B. durch bloße gremienbezogene Rhetorik vom politischen Mainstream nicht gewünschte Forderungen durchzusetzen: „Der/die ‚Mandatierte‘ wird’s schon richten“ funktioniert nicht. (mehr …)
Wittener Haushaltskrise: Rettungsschirme ohne Ende?
Ergänzung 30.5.20: Im Zusammenhang der Wittener Haushaltskrise möchte ich wegen ihrer Aktualität auf meine zurückliegenden Beiträge „Wittener Finanzmisere – Kein Licht am Ende des Tunnels?“/30.11.15 und „Wittener Haushalt – Licht am Ende des Tunnels, aber wie?“/6.1.16 verweisen.
Es sieht wahrlich nicht gut aus: Ohne Rettungsschirm dürfte die Lage des städtischen Haushalts sich dramatisch zuspitzen. Der Kämmerer beziffert das Defizit ohne Corona-Hilfe auf 20 Mio. € (WAZ-Online 19.5.20 „Witten: Gewerbesteuer bricht wegen Corona um 40% ein“ Witten_ Gewerbesteuer bricht wegen Corona um 40 Prozent ein). Dazu von mir einige Anmerkungen:
Der Haushaltsausgleich als Voraussetzung für eine Haushaltsgenehmigung ist in den letzten Jahren – mit den Zuschüssen des Stärkungspakts! – nur kapp erreicht worden. Die Stadt Witten wirtschaftet seit langer Zeit unterm oder am Limit. Das hätte sich auch ohne Corona in den nächsten Jahren mit vielleicht knapp genehmigten Haushalten nicht geändert.
Der Corona-Schock trifft also auf einen eh schon extrem ungesunden Haushalt, der – wir erinnern uns – die Genehmigungsfähigkeit nur durch drastische Steuererhöhungen erreicht hat. Und jetzt? Wie weiter?
Der Kämmerer hofft auf einen von Finanzminister Scholz angekündigten Rettungsschirm. Was ist da zu erwarten? Das Scholz-Konzept des Rettungsschirms beruht auf zwei Säulen: 1. Einer aktuellen Corona-Hilfe und 2. der Übernahme der Altschulden durch Bund und Land (WAZ-Online 22..5.20 „SPD trommelt für den kommunalen Rettungsschirm“ SPD trommelt für den kommunalen Rettungsschirm). (mehr …)
Corona: Coronavirus und Klimawandel*
Ich poste hier ein sehr instruktives Interview in der WAZ vom 18.5.20, weil derartige Beiträge ja Gefahr laufen, im Strom der Meldungen unter zu gehen.
→ GLS Bank: Klimawandel ist größere Gefahr als das Corona-Virus GLS Bank_ Klimawandel ist größere Gefahr als das Coronavirus
Ich kann dem Kommentator cabakroll nur beipflichten: „Ein guter Beitrag mit klugen und sehr treffenden Aussagen! …“. Aus meiner Sicht nur eine Anmerkung:
Während bei COVID-19 das Virus als eindeutige Ursache für die Erkrankung auszumachen ist und bei Entdeckung eines wirksamen Impfstoffs diese Ursache präzise bekämpft werden könnte, ist die Verursachung bei der sich entwickelnden und verschärfenden Klimakatastrophe komplex und die Intensität der globalen Betroffenheiten sehr unterschiedlich.
Genauso sind die materiellen Ressourcen, um mit den regionalen Auswirkungen der Katastrophe fertig zu werden, bekanntlich global auch sehr unterschiedlich – und ungerecht! – verteilt. Entsprechend schwieriger ist auch die Therapie, weil neben technischen auch ökonomische, soziale und politische Dimensionen ihre gute oder ungute Wirkung entfalten. (mehr …)
Corona: Freiheit statt Zwang?*
Nachschlag/Am 15.5.20 erreichte mich eine Stellungnahme von Campact zu den Corona-Protesten und sog. Hygiene-Demos. Die inhaltliche Position dieser Stellungnahme teile ich voll und ganz. Deshalb hier die Stellungnahme „Gehen Sie nicht zu dieser Demo“: https://www.campact.de/presse/mitteilung/20200515-pm-warnung/.
Am 17.5.20 finde ich in einem Artikel von Bild (Online) „Tränengas und Festnahmen bei Corona-Demo in Hamburg“ (https://www.bild.de/news/inland/news-inland/corona-demos-traenengas-und-festnahmen-in-hamburg-70683928.bild.html) folgende Passagen:
„Hinter dem Protest in der baden-württembergischen Hauptstadt steht die Initiative „Querdenken“ des Unternehmers Michael Ballweg. Ballweg kündigte an, wegen der Beschränkungen der Versammlungsfreiheit erneut vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Bundes- und Landesregierung müssten vom Verfassungsschutz beobachtet werden, meint er.“
„In München ist die genehmigte Teilnehmerzahl von 1000 kurz vor Veranstaltungsbeginn am frühen Nachmittag erreicht worden. Die Polizei ließ keine Menschen mehr auf das abgesperrte Gelände auf der Theresienwiese. Über Lautsprecher wurden die nicht zugelassenen Demonstranten aufgefordert, nach Hause zu gehen. Eine Rednerin kündigte an, „nächste Woche hier mit 10.000 Menschen stehen“ zu wollen. Manche der Teilnehmer trugen Transparente mit Slogans wie „Freiheit statt Zwang“, andere Masken mit der Aufschrift „mundtot“. „Was die Politiker hier anordnen, ist reine Willkür“, sagte eine der Rednerinnen. „Und wer aufmuckt, wird plattgemacht.“ Sie stellte unter anderem infrage, warum sich Politiker plötzlich für die Alten interessierten, die sonst kein Gehör fänden.“
Mein Kommentar dazu:
Freiheit statt Zwang? Reine Willkür der Politiker? Tatsächlich sind die Freiheitseinschränkungen im Zuge der Corona-Krise sowohl angemessen, legitim und legal. Deshalb würde eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Beschränkungen der Versammlungsfreiheit mit Sicherheit keine Chance haben. Denn wie sieht die juristische Logik der Freiheitsbeschränkungen aus? Hier die konkludenten Schritte:
1. Schritt: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 2:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
2. Schritt: Der entscheidende Satz ist: „In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Im Fall von Corona heißt das geltende Gesetz Infektionsschutzgesetz. Hierzu WikipediA: (mehr …)
Corona: Pandemie-Einschränkungen nicht grundgesetzkonform?
In Zusammenhang mit diversen aktuellen Demos für das Grundgesetz (?) und gegen die Corona-Einschränkungen möchte ich beiläufig auf Artikel 2 des Grundgesetzes verweisen:
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 2*:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.**
Was mich betrifft, so fühle ich mich durch ein wider besseres Wissen fahrlässiges Verhalten von Personen, die meinen, die Freiheit ihrer Person durch die Gefährdung der Gesundheit anderer (und eben auch meiner) ausleben zu müssen, in meinen Grundrechten verletzt.***
*Fettungen von mir
**Siehe zu Erläuterungen zu (2) WikipediA: Artikel 2 Des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_2_des_Grundgesetzes_f%C3%BCr_die_Bundesrepublik_Deutschland
***Siehe zu einer ähnlichen Problematik mein Beitrag „Bürgerlicher Anarchismus?“/11.1.17. Die Teilnahme von Herrn Kemmerich (Ich erinnere: FDP, Kurzzeitministerpräsident in Thüringen) an einer Demo in Thüringen gegen die Einschränkungen war eben nicht ganz zufällig.
Witten – ein Narrenhaus?
Manchmal hat mensch das Gefühl, sich in Witten in einem Narrenhaus zu befinden. Jetzt hat also das Verwaltungsgericht Arnsberg geurteilt, der Rat hätte am 3.2.20 nicht beschließen dürfen, dass das Bürgerbegehren gegen die Bebauung des Kornmarkts unzulässig sei. Ein solcher Beschluss hätte erst nach Vorlage der Unterschriftenlisten erfolgen dürfen (WAZ-Online 6.5.20: Kornmarkt_ Gericht kippt Ratsbeschluss zu Bürgerbegehren). Hier noch einmal die damalige Beschlussvorlage: Vorlage.
Ich frage mich, was dieses Urteil soll, denn es stellt – abgesehen vom „dürfen“ – nur eine Selbstverständlichkeit fest. Warum selbstverständlich? Weil selbstverständlich über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens abschließend nur entschieden werden kann, wenn dieses vorliegt, was das Vorliegen einer Unterschriftensammlung impliziert. Das Gericht ist offenbar davon ausgegangen, der Rat habe mit seinem Beschluss versucht, das Bürgerbegehren frühzeitig zu unterbinden. Derartiges ging und geht natürlich nicht.
Ich selbst habe dem Beschluss zugestimmt, nicht um eine Begehren zu unterbinden, sondern um frühzeitig potentiell Listen Unterschreibenden klar zu machen, dass das Begehren als kassatorisches Begehren wegen Verfristung oder als initiierendes Begehren wegen Vorspiegelung eines initiierenden Charakters und damit als Fake unzulässig ist. Es hätte also bei Vorlage von Unterschriften mit Sicherheit für unzulässig erklärt werden müssen. Siehe dazu meine Beiträge zum Formalen: „Klage gegen Unzulässigkeit: Bärendienst?“/3.3.20 und zum Inhaltlichen: „Kornmarkt: Zu Recht abgelehnt – Nachschlag“/27.9.19.
Das Urteil ändert daran nichts, weil es auf die grundsätzliche Zulässigkeit* gar nicht abhebt, sondern nur auf den Zeitpunkt des Ratsbeschlusses. Der Rat soll also einem in jeder Hinsicht formal unzulässigem Begehren zuschauen müssen, ohne sich aufklärend in seiner besonderen Verantwortung für die Bürger_innen positionieren zu können (Denn um mehr als eine Positionierung konnte es sich bei dem Beschluss nicht handeln)? Das ist doch schlichter Kappes. (mehr …)