Ergänzung zu meinem Beitrag „Lieferung von Kampfpanzern: Kein „game-changing“, sondern Eskalation und Anheizen des Sterbens“/26.01.23
Hier ein interessantes und instruktives Interview von Marc Friedrich mit Oskar Lafontaine (vor Panzerlieferung): https://www.youtube.com/watch?v=DlIszGSww8s. Ich halte im Gegensatz zu Marc Friedrich die Karrieristen Helmut Kohl und Joschka Fischer (übrigens einer der ersten grünen Kriegshetzer im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO mit deutscher Beteiligung im Kosovo-Krieg vom 24. März 1999 als Tag des ersten Luftangriffs bis zum 9. Juni 1999) nicht für charismatische Politiker.
Lieferung von Kampfpanzern: Kein „game-changing“, sondern Eskalation und Anheizen des Sterbens
Jetzt also doch deutsche Kampfpanzer – nach einem aufgeblasenen Diskussionshype: Alle politischen und medialen deutschen Chickenhawks durften wieder an die imaginäre Front. Was ist heraus gekommen? 14 Leopard 2A6 (Ausstattung einer Kompanie).
Ein „game-changing“ wird mit dieser Zahl aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erreicht werden*: Siehe dazu eine aktuelle Analyse von Oberst Markus Reisner: https://www.stern.de/politik/ausland/krieg-in-der-ukraine—oberst-erklaert–warum-russland-ueberlegen-ist-33127312.html**.
Mit Sicherheit dagegen erreicht wird eine Verlängerung und Eskalation des Krieges ***(und des damit verbundenen Leidens und Sterbens der Zivilbevölkerung als „Nebeneffekte“). Die Panzerlieferung rettet kein Leben (Wie auch?)****, sondern kostet Leben, weil Panzer bekanntlich für die „Eliminierung“ potentieller Feinde gebaut werden.
Zu erwarten ist doch, dass Russland auf die angekündigten Panzerlieferungen mit Gegenmaßnahmen reagieren wird – sei es durch den verstärkten Einsatz eigener, aus russischer Sicht angemessener Waffen, sei es durch den Versuch, die Lieferwege zu unterbinden*****.
Übrigens: Unsere Chickenhawks sollten einmal über das „Selbst“ in der von ihnen immer zur Rechtfertigung von Waffenlieferungen beschworenen Selbstverteidigung der Ukraine nachdenken. Denn so eindeutig ist dessen Zuordnung nicht. So lange die Ukraine an ihren weit gesteckten Kriegszielen fest hält (vollständige Rückeroberung von von Russland seit 2014 „besetzten“ Gebiete), dürfte Russland die eigenen militärischen Bemühungen als Selbstverteidigung definieren, weil Russland mittlerweile auf jeden Fall die Krim, aber auch den Donbass als Teil seines eigenen Staatsgebiets betrachtet. Und ob z.B. die Bewohner der Krim freiwillig zurück in die Ukraine wollen, wage ich zu bezweifeln. (mehr …)
Eine instruktive und gute Positionierung zum Ukraine-Krieg
Hier eine instruktive und gute Positionierung zum Ukraine-Krieg aus südamerikanischer Sicht (aus den NachDenkSeiten: https://www.nachdenkseiten.de/): „Wie blickt die lateinamerikanische Linke auf den Krieg in der Ukraine?“ https://www.nachdenkseiten.de/?p=92786.
Horror vacui
Da selbst der SPIEGEL es wagt, zu titeln „Hatte Marx doch recht?“, hier ein Zitat aus Karl Marx, DAS KAPITAL ‚Bd.1, MEW 23, S. 788. 1867 schreibt Marx: „ Wenn das Geld, nach Augier, ‚mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt‘ (249), so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend“.
Er zitiert in diesem Zusammenhang (Anmerkung 250, S. 788) zustimmend aus der Quarterly Reviewer, T. J. Dunning*, l.c.p. 35,36: „ ‚Kapital‘, sagt der Quarterly Reviewer, ‚flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.““
Ich ergänze: Nicht nur „Schmuggel und Sklavenhandel“, sondern auch blut- und schmutztriefende zwischenstaatliche Kriege. Das Blut- und Schmutztriefende charakterisiert nicht nur das Zur-Welt-Kommen des Kapitals, sondern die gesamte kapitalistische Entwicklung seit der Formulierung des Marx-Zitats**. „Das Kapital“ war nie ein über der Welt schwebendes Abstraktum, sondern organisierte und organisiert sich national, staatlich und militärisch. Wenn dann derart staatlich und militärisch hochgerüstete kapitalistische Staaten im Kampf um Profite kriegerisch aneinander geraten, geht es, wie Dunning schreibt, mit „Tumult und Streit“ – auch mit zwischenstaatlichen Kriegen – zur Sache.
Übrigens im vergangenen Jahrhundert zweimal im Weltmaßstab mit katastrophalen Folgen (1. und 2. Weltkrieg). Ein drittes Mal in diesem Jahrhundert (3. Weltkrieg) wäre eine nicht vorstellbare Steigerung, die ich nicht erleben möchte (und wahrscheinlich auch nicht überleben würde: Siehe dazu mein Beitrag „Verstand verloren?“/1.3.22). Mit den „modifizierenden Gegentendenzen“ zum wirtschaftlichen Zusammenbruch (s.u. Anmerkung **) wäre es dann wohl endgültig vorbei, weil ein viel weitgehenderer, durch menschliches Versagen provozierter Zusammenbruch (atomare Verwüstung) stattgefunden hätte. (mehr …)
Wer stoppt den Wahnsinn?
Hier ein instruktiver Beitrag von Sahra Wagenknecht „Erst Panzer, dann Kampfjets, dann deutsche Soldaten? Wer stoppt den Wahnsinn?“: https://www.youtube.com/watch?v=U0rBBMStw9Q.
Für zu kurz gegriffen halte ich allerdings die Gleichsetzung Sahra Wagenknechts von ukrainischem Oligarchenkapitalismus und der russischen Wirtschaft (angeblich auch Oligarchenkapitalismus). Das ist fishing for compliments, um nicht in den Ruch der Putinversteherin zu geraten. Dominierenden Oligarchenkapitalismus (verbunden mit einer weitgehend unbeschränkten Öffnung für den Zugriff ausländischen Kapitals) gab es in Russland nur unter Jelzin.
Die Reputation und anhaltende Popularität Putins resultiert gerade daraus, dass er diesen Oligarchenkapitalismus durch eine wirtschaftliche Stabilisierung und Stärkung des russischen nationalen Kapitals (mit damit verbundenen Vorteilen für die Mittelschichten) beendet hat*.
Die sich verschärfenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und Russland (aber auch China) einschließlich des Ukraine-Kriegs resultieren aus damit sich abzeichnenden Kräfteverschiebungen im globalen Kräfteverhältnis kapitalistischer Nationen: Die schwächelnde imperialistische, bisher dominierende Weltmacht USA (Europa und Deutschland sind im Kalkül der USA nur nützliche Idioten) versucht und wird weiterhin versuchen, auch durch Stellvertreterkriege wie in der Ukraine (Taiwan wäre der nächste Kandidat) potentiell aufstrebende Konkurrenten wie Russland und China, die ihren Einfluss beschränken könnten, zu schwächen, um ihre Hegemonie zu sichern (Siehe dazu auch mein Beitrag „Putin-Rede*: Globale Konkurrenz und Konfrontation – Warnung!„/24.2.22 und „Putin-Rede: Ist da was dran?„/24.2.22).
*Hier eine interessante Analyse der postsowjetischen Entwicklung Russlands bis 2010: https://ifg.rosalux.de/files/2022/04/Wurzelfragen1.pdf. Zur gegenwärtigen Unterstützung Putins instruktiv „Die Russen haben kaum Mitgefühl mit den Ukrainern“ (SPIEGEL-Gespräch mit Lew Gudkow), DER SPIEGEL 1/30.12.22, S. 80.
Wofür sterben ukrainische Soldaten?
Wofür sterben eigentlich die ukrainischen Soldaten? Für „unsere Freiheit“ wohl kaum (siehe mein Beitrag „Ukrainische Soldaten: Blutopfer für „unsere Freiheit“?“/13.9.22 und „Ergänzung zu meinem Beitrag „Ukrainische Soldaten: Blutopfer für ‚unsere Freiheit‘?“/14.9.22)? Wofür dann …?
Mir scheint, sinnloserweise für die Renditen von BlackRock* (Siehe der Beitrag „https://www.nachdenkseiten.de/?p=92625“ auf den NachDenkSeiten). Und Deutschland liefert (auch für diese Renditen?) immer mehr Waffen und wahrscheinlich bald Kampfpanzer, die mit Sicherheit das Sterben ukrainischer Soldaten verlängern.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die frühere Tätigkeit von Friedrich Merz (Siehe mein Beitrag „Ukraine-Krieg: Empfehlung!“/22.11.22/Ergänzung 23.11.22, dort im NachDenkSeiten-Beitrag zu BlackRock und der Ukraine auch der Hinweis auf die enge Zusammenarbeit von BlackRock und dem deutschen Wirtschaftsministerium).
Ein Schelm, der Böses dabei denkt! (mehr …)
Empfehlung: Drei interessante und instruktive Beiträge zum Ukraine-Krieg
Die empfohlenen Beiträge und die vorhandenen belastbaren Daten sprechen dafür, dass meine in meinem Beitrag „Urlaub auf der (ukrainischen) Krim im Frühjahr?“/11.1.23 formulierte Position „Mit Sicherheit gar nicht moralisch zu rechtfertigen ist allerdings die Unterstützung der Kriegsziele durch politische und militärische (Waffenlieferungen!) Unterstützung aus der Ferne, die nur zur einer Maximierung der killing-rates (sowohl auf ukrainischer wie auf russischer Seite) beitragen dürfte. Moralisch wäre vielmehr eine konsequente Politik der Minimierung und Beendigung der killing-rates, heißt: Druck auf die ukrainische Führung zur Abkehr von ihren maximalen Kriegszielen, Waffenstillstand und Verhandlungen.***“ richtig ist. Hier die Beiträge:
– Ein Beitrag aus den NachDenkSeiten (https://www.nachdenkseiten.de/) von Jens Berger: „Wenn Journalisten die Kriegstrommeln schlagen und Generäle den Frieden fordern, läuft irgendwas komplett falsch“ (https://www.nachdenkseiten.de/?p=92557).
– Ein Beitrag der EMMA-Redaktion als Update zur ihrer Petition „Offener Brief an Bundeskanzler Scholz“ (https://www.change.org/p/offener-brief-an-bundeskanzler-scholz?redirect=false; mittlerweile von 473.570 Menschen unterschrieben): „Ex-Brigadegenerale Erich Vad warnt vor III. Weltkrieg“ (https://www.change.org/p/offener-brief-an-bundeskanzler-scholz/u/31219431?cs_tk=AvoYhR5_in1WS3x).
– Ein Beitrag von Oberst Markus Reisner zur militärischen Lage im Ukraine-Krieg: „Ukrainekrieg – Erste Ableitungen aus 2022 und Ausblick 2023“ (https://www.youtube.com/watch?v=EnVMJGrNqAY). (mehr …)
Sterben sollen gefälligst nur die anderen
„Sterben sollen gefälligst nur die anderen“ hatte ich in meinem Beitrag „Urlaub auf der (ukrainischen) Krim im Frühjahr?“/11.1.23 als Grundmaxime der deutschen Chickenhawks und Armchair-“KriegerInnen“ festgestellt. Hinzu kommt, dass es diesem Typus natürlich bei allem Neo-Militarismus* weiterhin gut gehen soll. Mich erinnert das an die Haltung des Bürgers in Goethes Osterspaziergang in Faust 1. „Türkei“ ist nur durch „Ukraine“ zu ersetzen.
Goethe/Faust 1/Vor dem Tor/Osterspaziergang:
„BÜRGER
Nichts bessres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
wenn hinten, weit in der Türkei,
die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
ZWEITER BÜRGER
Ach ja Herr Nachbar, ja, so laß ichs auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
mag alles durcheinandergehn:
Doch nur zu Hause bleibs beim alten!“ (mehr …)
Urlaub auf der (ukrainischen) Krim im Frühjahr?
Vor kurzem meinte jemand, eine Diskussion über den Ukraine-Krieg mit der Äußerung beginnen zu können, er wolle seinen Urlaub im Frühjahr auf der (gemeint: dann wieder ukrainischen) Krim verbringen. Die Äußerung sollte die Solidarisierung mit den deklarierten ukrainischen Kriegszielen klar machen. Verbunden war die Äußerung mit dem impliziten Anspruch, auf der moralische richtigen Seite zu stehen („wegen „Bruch den Völkerrechts“ durch Russland) und natürlich (deklarierte Kriegsziele der Ukraine) der Befürwortung von steigenden Waffenlieferungen.
Für mich war durch diese Positionierung eine Diskussion schon im Ansatz obsolet geworden. Formal, weil die Positionierung die feste Überzeugung signalisierte, auf jeden Fall Recht zu haben (und über feste Überzeugungen lässt sich nach meiner Erfahrung nicht diskutieren), und inhaltlich, weil ich eine solche Positionierung gegenwärtig für unmoralisch und verantwortungslos halte. Warum?
Die Positionierung unterstellt offenbar, es gäbe eine Art juristischer (und moralischer) Verpflichtung Deutschlands und seiner BürgerInnen, auf den Völkerrechtsbruch Russlands mit Sanktionen und Waffenlieferungen an die vom Rechtsbruch Betroffenen zu reagieren. Das ist natürlich schon deshalb Heuchelei, weil bei Völkerrechtsbrüchen anderer Staaten (z.B. der USA) eine solche Verpflichtung von deutscher Seite nicht gesehen wurde (Siehe dazu die Argumentation von Sarah Wagenknecht im SPIEGEL-Gespräch mit Carlo Masala, in: DER SPIEGEL, Nr. 2, 7.1.23, S. 68).
Das Völkerrecht ist eine juristische und politische Norm, ohne dass es eine mit einem Gewaltmonopol ausgestattete staatliche Instanz geben würde, die legitim und legal in der Lage wäre, diese Norm durchzusetzen*. Deshalb führt eine Verletzung der Norm (Rechtsbruch) immer wieder dazu, dass die versuchte Ahndung dann doch auf ein wirtschaftliches und/oder militärisches Kräftemessen zwischen Staaten hinausläuft. So auch wieder im Fall des Ukraine-Konflikts. (mehr …)