Horror vacui

Da selbst der SPIEGEL es wagt, zu titeln „Hatte Marx doch recht?“, hier ein Zitat aus Karl Marx, DAS KAPITAL ‚Bd.1, MEW 23, S. 788. 1867 schreibt Marx: „ Wenn das Geld, nach Augier, ‚mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt‘ (249), so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend“.

Er zitiert in diesem Zusammenhang (Anmerkung 250, S. 788) zustimmend aus der Quarterly Reviewer, T. J. Dunning*, l.c.p. 35,36: „ ‚Kapital‘, sagt der Quarterly Reviewer, ‚flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.““

Ich ergänze: Nicht nur „Schmuggel und Sklavenhandel“, sondern auch blut- und schmutztriefende zwischenstaatliche Kriege. Das Blut- und Schmutztriefende charakterisiert nicht nur das Zur-Welt-Kommen des Kapitals, sondern die gesamte kapitalistische Entwicklung seit der Formulierung des Marx-Zitats**. „Das Kapital“ war nie ein über der Welt schwebendes Abstraktum, sondern organisierte und organisiert sich national, staatlich und militärisch. Wenn dann derart staatlich und militärisch hochgerüstete kapitalistische Staaten im Kampf um Profite kriegerisch aneinander geraten, geht es, wie Dunning schreibt, mit „Tumult und Streit“ – auch mit zwischenstaatlichen Kriegen – zur Sache.

Übrigens im vergangenen Jahrhundert zweimal im Weltmaßstab mit katastrophalen Folgen (1. und 2. Weltkrieg). Ein drittes Mal in diesem Jahrhundert (3. Weltkrieg) wäre eine nicht vorstellbare Steigerung, die ich nicht erleben möchte (und wahrscheinlich auch nicht überleben würde: Siehe dazu mein Beitrag „Verstand verloren?“/1.3.22). Mit den „modifizierenden Gegentendenzen“ zum wirtschaftlichen  Zusammenbruch (s.u. Anmerkung **) wäre es dann wohl endgültig vorbei, weil ein viel weitgehenderer, durch menschliches Versagen provozierter Zusammenbruch (atomare Verwüstung) stattgefunden hätte.

*“Marx bezieht sich hier in einer Note auf den Funktionär der englischen Gewerkschaftsbewegung T. J. Dunning, der in seinem Buch »Trades‘ Unions and strikes: their philosophy and intention« (London 1860) diese Textpassage aus »The Quarterly Review« angeführt hatte (MEW, Bd. 23, S. 788, in MEGA² II/6, S. 680/681). Er belegt damit seine Behauptung, dass »das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend« zur Welt gekommen ist. Marx stellt im 7. Abschnitt des ersten Bandes des »Kapitals« den Akkumulationsprozess des Kapitals, hier im speziellen Falle die »Genesis des industriellen Kapitalisten« dar.“ Zitat aus Rolf Hecker (https://www.nd-aktuell.de/artikel/64649.wie-lautet-das-marx-zitat-exakt.html).

**Siehe dazu von Nils Andersson „‚Kapitalismus ist Krieg‘ – leeres Schlagwort oder die Wahrheit?“(http://www.lejournalinternational.info/de/le-capitalisme-cest-la-guerre-slogan-ou-verite/), der Ukraine-Krieg ist nur eine neue Variante. Zum letzten Satz von Nils Andersson: Leider haben die Völker bisher zu häufig die Tendenz gezeigt, sich von PolitkerInnen und Generälen in Kriege hinein manipuliern zu lassen. Zu zurück liegenden Kriegen zwischen kapitalistischen Staaten, in Norditalien frühkapitalistische Stadtstaaten siehe auch: Henryk Grossmann, Das Akkumulatios- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems, Leipzig 1929, Drittes Kapitel, Modifizierende Gegentendenzen, 11. Der Einfluss der periodischen Entwertungen des vorhandenen Kapitals auf den Akkumulatioinsprozess. – Krisen und Kriege als abschwächende Faktoren der Zusammenbruchstendenz, S. 363: http://pombo.free.fr/grossmann29.pdf).