Was soll uns das nur sagen?
Etwas überrascht war ich von dem Flyer des SPD-Direktkandidaten Ralf Kapschack.
Lieber Ralf, was hast Du Dir bloß dabei gedacht? Ich finde im Flyer einen Kasten mit der Überschrift „4 Jahre in Zahlen“. Dort werden aufgeführt: „624 Stunden im Zug von und nach Berlin, 78 Sitzungswochen, 127 Ausschusssitzungen, 48 Gesetze, an denen ich mitgearbeitet habe, 25 Reden im Parlament“. Mir hat sich die Frage aufgedrängt. was Du mir (und Deinen erhofften Wähler_innen) wohl damit sagen willst? Dass Du nicht 4 Jahre in der Hängematte gelegen hast? Hätte ich auch nicht vermutet.
Aber: Die 624 Stunden im Zug hast Du bequem in der 1. Klasse und mit der Möglichkeit zu arbeiten verbracht, für die Sitzungswochen und Ausschusssitzungen bist Du ein bestens alimentierter Abgeordneter (s.u.), an den 48 Gesetzen hast Du eben nur mitgearbeiet (andere auch) – sicherlich zusammen mit Deinem Mitarbeiter, und die 25 Reden (6,25/Jahr) dürften im Rahmen der Groko (bei klaren Mehrheiten) einem Profi, der Du ja bist, auch nicht allzuviel Stress verursacht haben. Insgesamt kann das alles doch nicht allzu schweißtreibend und nervenaufreibend gewesen sein.
Und um einmal klar zu machen, was mit „bestens alimentiert“ gemeint ist, hier die Offenlage eines Deiner Fraktionskollegen, die etwas Transparenz in die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen wahrscheinlich auch Deiner Arbeit bringt*:
→ Gläserner MDB – Ulrich Kelber, MDB/Bonn: ‚Gläserner MdB – Ulrich Kelber, MdB I Bonns Bundestagsabgeordneter‘
*Einschränkend muss ich darauf hinweisen, dass Du es noch nicht zum parlamentarischen Staatssekretär wie Herr Ulrich Kelber und Dein Direktkandidat-Kollege von der CDU Dr. Ralf Brauksiepe gebracht hast. Aber bei Weiterführung der GroKo könnte daraus ja noch etwas werden.
Mein Fazit: Für die Bestalimentierung scheinen mir die angegebenen Belastungen (ganz unabhängig von der Qualität der Politik) nicht besonders hoch zu sein. Übrigens, wie wär’s, wenn Du einmal selbst eine Offenlage wie Dein Fraktionskollege vornehmen würdest?
Gefährliches Spiel
Mir geht es hier nicht darum, Witten anzuschwärzen, aber ich halte den lockeren Umgang der Verwaltung mit der GPA-Prüfung* für kontraproduktiv. Die GPA (Gemeindeprüfungsanstalt) ist in gewisser Weise der verlängerte Arm der Kommunalaufsicht (siehe dazu mein Beitrag „Wittens Haushalt – Licht am Ende des Tunnels, aber wie??“/6.1.16).
Wenn Witten die Kritik und Empfehlungen der GPA mit leichter Hand abtut und sich immer wieder gegen die GPA auf vorliegende Haushaltsgenehmigungen bezieht, kann das schnell nach hinten losgehen (Gefahren: Nichtgenehmigung des Haushalts, „Sparkommissar“), weil sich die unmittelbare Kommunalaufsicht (Kreis, Bezirksregierung) die Wittener Reaktionen aller Wahrscheinlichkeit genau ansehen wird.
→ hier die Argumentation der Verwaltung: Stellungnahme zum endgültigen Bericht
Deshalb ist es besonders wichtig, sauber zu argumentieren, wenn mensch etwas an der Prüfung auszusetzen hat.
Bei einigen Argumenten drängt sich mir aber der Eindruck auf, dass sie kess übers Knie gebrochen worden sind. Beispiele:
– Gesamthaushalt und KuFo:
Die GPA weist darauf hin, dass die Transferaufwendungen für das KuFo (als AöR) einen nicht unerheblichen Teil zur Höhe der gesamten Transferaufwendungen beitragen würden. Die Verwaltung hält dagegen, dass der Zuschuss an das KuFo nur 2 Prozent der Ausgaben des Gesamthaushalts betragen würde.
Unabhängig von der Frage politischer Prioritätensetzung: Die Argumentation der Verwaltung ist natürlich windschief. Denn es geht nicht um den Anteil des Kufo an den Gesamtausgaben, sondern um disponible Transfers. Der Löwenanteil der Transfers dürfte pflichtig sein, während es sich beim KuFo-Zuschuss um freiwillige Leistungen handelt.
In diesem Zusammenhang ist die vormalige „Liste der Grausamkeiten“ des Kämmerers interessant, die das aus Sicht des Kämmerers für eine Konsolidierung disponible Sparpotential enthält (siehe dazu mein Beitrag „Kuh vom Eis“/29.2.16). Aus ihr wird deutlich, dass beim Kulturforum – wie gesagt, ohne politische Prioritätensetzung – das summenmäßig höchste Einsparpotential der Liste vorliegt.
Insofern ist es sachlich richtig, wenn die GPA grundsätzlich auf den Zuschuss zum KuFo hinweist – genauso richtig, wie die Aufnahme dieses Zuschusses in die Liste der Grausamkeiten durch den Kämmerer. Der Hinweis der Verwaltung auf 2 Prozent der Gesamtausgaben geht an der Sache (und der Problematik) vorbei. (mehr …)
Abgerockt? Abgerockt.
Gäste, die Witten von außerhalb besuchen oder frühere Wittener, die nach längerer Abwesenheit Witten wiedersehen, sagen mir häufig, dass diese Stadt einen ziemlich ungepflegten und abgerockten Eindruck macht und, soweit es frühere Wittener betrifft, dass der Zustand Wittens sich über die Jahre erheblich verschlechtert habe. Nun, das sind äußere Eindrücke. Was an wirklichen Problemen dahinter steckt, macht der Vorbericht* der kürzlich abgeschlossenen GPA (Gemeindeprüfungsanstlt)-Prüfung deutlich (Stichworte: Relation Ertragskraft zu Substanzverzehr, Personalintensität). Hier einige instruktive Passagen:
„Die Haushaltssituation der Stadt Witten ist seit mehr als zwei Jahrzehnten kritisch. Die Stadt
Witten zählte fast durchgehend zum Viertel der Kommunen mit den höchsten Jahresdefiziten In anderen Jahren gehörte sie dann zu den 50 Prozent der Städte mit den ungünstigsten Jahresabschlüssen.
Die Stadt Witten hatte, auch im interkommunalen Vergleich, bereits bei der Eröffnungsbilanz
2008 mit 62,5 Mio. Euro ein relativ geringes Eigenkapital. Durch die hohen Jahresdefizite ab
2009 wurde das Eigenkapital vollständig aufgezehrt. Bereits seit 2010 ist die Stadt Witten bilanziell überschuldet. Ende 2015 erreicht die bilanzielle Überschuldung ein Volumen von fast 143
Mio. Euro. Damit sind rund 200 Mio. Euro an Kapital verbraucht.
Die jährlichen Defizite haben in Witten konkret spürbare Folgen:
• Substanzverzehr beim Gebäude- und Infrastrukturvermögen und
• zu hohe Liquiditätskredite. (mehr …)
Kesse Sprüche: SPD 2
Und weiter im Slogan-Text der SPD-Wahlplakate.
Ich lese und staune: „Bildung darf nichts kosten, außer Anstregung“. Was will uns die SPD damit sagen? Dass Bildung kein Nürnberger Trichter ist und die zu Bildenden sich anstrengen müssen, um Erfolg zu haben, dürfte eine Binsenwahrheit sein. Aber der Rest?
Im Flyer des SPD-Direktkandidaten Ralf Kapschack lese ich zum Stichwort Bildung: „Gebührenfrei von der KiTa, über Ganztagsbetreuung bis zur beruflichen und akademischen Ausbildung.“ Wenn es also um gebührenfreie KiTa-Plätze etc. geht, kostet es die unmittelbar betroffenen Eltern keine Gebühren, aber auch diese Eltern als Steuerzahler und der Steuerzahler allgemein würden allemal weiterhin finanziell belastet, weil die im öffentlichen Bildungssystem professionell Tätigen natürlich aus Steuermitteln alimentiert werden müssen (ehrenamtliche Tätigkeit der Erzieher_innen, Lehrer_innen und des in der akademischen Ausbildung engagierten Personals fordert die SPD doch wohl nicht?).
Kurz: Das öffentliche Bildungssystem, also Bildung, soweit Bildung nicht privatisiert werden soll, kostet – die Steuerzahlerin/den Steuerzahler, und zwar eine ganze Menge.
Was soll dann aber der kesse Slogan? Er ist schlichter Unsinn.
Ich meine, dass es der Demokratie gut tun würde, wenn Parteien auch im Wahlkampf versuchen würden, durch klare Aussagen zu überzeugen, statt kesse und darüber hinaus noch irreführende Slogans abzusondern. Oder ist Überzeugung gar nicht mehr gewollt und geht es nur noch um Pfründeverteilung? Wählen? Ja was denn?
Kesse Sprüche: SPD 1
Und wieder Plakatwahlkampf. Ich frage mich besonders bei dieser Wahl, was sich diejenigen, die für die Konzeption der Plakate verantwortlich waren, wohl gedacht haben. Nehmen wir diesmal die Plakate der SPD. Dort finde ich wirklich genial instruktive Slogans.
Z.B. „Damit die Rente nicht klein ist, wenn die Kinder groß sind“ – was sagt uns das von einer Partei, die 2007 die Rentenkürzungen (Rente ab 67) und das damit steigende Armutsrisiko bei den Renten mit initiiert hat? Wie hoch darf denn die Rente sein? Dazu würde mensch doch gern eine präzise Angabe haben.
Im Flyer des SPD-Direktkandidaten Ralf Kapschack finde ich folgende erläuternde Ausführung „Rente soll im Alter für ein Leben ohne große Einschränkungen reichen. Wer lange gearbeitet hat, darf nicht auf staatliche Fürsorge angewiesen sein. Eine Rentenversicherung für alle – Arbeiter, Angestellte, Beamte, Politiker und Selbständige – ist dringend erforderlich, keine Rente ab 70“. Also: Ohne große Einschränkungen, aber doch mit erheblichen? Und keine staatliche Fürsorge, aber knapp darüber? Der Hammer ist aber „keine Rente ab 70“. Das heißt doch wohl: Rente ab 68 oder 69 darf es mit der SPD sein.
Hier hält sich eine Partei offensichtlich alles offen – und will dafür gewählt werden?
Erinnert sei daran:
– Dass innerhalb der großen Koalition die SPD in trauter Eintracht mit ihren Koalitionspartnern die Rentenkassen für eine spezielle Klientel (Rente nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge) und Mütterrente (bekanntlich eine CDU/CSU-Forderung – ursprünglich CSU -, dann Koalitionsvertrag) geplündert hat. Dafür aufkommen müssen die Beitragszahler (die Kinder?).
– Dass das Rentenniveau z.B. in Nachbarländern wie Österreich, den Niederlanden und Frankreich relevant höher liegt als in der „reichen“ Bundesrepublik.
– Dass Beamte mit 72% ihres letzten Einkommens in Pension gehen. Im Vergleich zur Rente doch wohl ein echtes Privileg*.
Kurz: Mit der SPD ist in Sachen Rente keine wirkliche Verbesserung zu erwarten, wenn mensch ihrer Wahlwerbung Glauben schenkt. Wie auch von einer Rentenkürzungspartei? Deshalb: Wählen? Warum? (mehr …)