Abgerockt? Abgerockt.

Gäste, die Witten von außerhalb besuchen oder frühere Wittener, die nach längerer Abwesenheit Witten wiedersehen, sagen mir häufig, dass diese Stadt einen ziemlich ungepflegten und abgerockten Eindruck macht und, soweit es frühere Wittener betrifft, dass der Zustand Wittens sich über die Jahre erheblich verschlechtert habe. Nun, das sind äußere Eindrücke. Was an wirklichen Problemen dahinter steckt, macht der Vorbericht* der kürzlich abgeschlossenen GPA (Gemeindeprüfungsanstlt)-Prüfung deutlich (Stichworte: Relation Ertragskraft zu Substanzverzehr, Personalintensität). Hier einige instruktive Passagen:

„Die Haushaltssituation der Stadt Witten ist seit mehr als zwei Jahrzehnten kritisch. Die Stadt
Witten zählte fast durchgehend zum Viertel der Kommunen mit den höchsten Jahresdefiziten In anderen Jahren gehörte sie dann zu den 50 Prozent der Städte mit den ungünstigsten Jahresabschlüssen.

Die Stadt Witten hatte, auch im interkommunalen Vergleich, bereits bei der Eröffnungsbilanz
2008 mit 62,5 Mio. Euro ein relativ geringes Eigenkapital. Durch die hohen Jahresdefizite ab
2009 wurde das Eigenkapital vollständig aufgezehrt. Bereits seit 2010 ist die Stadt Witten bilanziell überschuldet. Ende 2015 erreicht die bilanzielle Überschuldung ein Volumen von fast 143
Mio. Euro. Damit sind rund 200 Mio. Euro an Kapital verbraucht.

Die jährlichen Defizite haben in Witten konkret spürbare Folgen:
• Substanzverzehr beim Gebäude- und Infrastrukturvermögen und
• zu hohe Liquiditätskredite.

Das Vermögen hat sich durch den abschreibungsbedingten Werteverzehr bei geringen Investitionsquoten um fast 12 Prozent reduziert. Die Gesamtinvestitionsquote beträgt durchschnittlich 42,7 Prozent. Die Bruttoinvestitionen betrugen in acht Jahren insgesamt 72,2 Mio. Euro. Der Werteverzehr lag mit 169,1 Mio. Euro mehr als doppelt so hoch.

Auffällig sind die um 33 Mio. Euro gesunkenen Bilanzwerte der Schulen. Bei den Schulen sind bereits mehrere Objekte, Gebäudeteile oder -trakte bilanziell vollständig abgeschrieben. Insgesamt betrachtet haben die Schulgebäude bereits rund 70 Prozent ihrer Nutzungsdauer überschritten.
Beim Straßenvermögen stehen einem Substanzverzehr von 67 Mio. Euro Investitionen von nur
37 Mio. Euro gegenüber. Mehr als die Hälfte der Straßen ist bereits vollständig abgeschrieben.
Aufgrund des hohen Anlagenabnutzungsgrades von rund 80 Prozent ist hier insgesamt betrachtet ein hohes Risiko von beachtlichen Ersatzinvestitionen erkennbar.

Seit 2012 zählt die Stadt Witten zu den 25 Prozent der Vergleichskommunen mit der höchsten Ertragskraft (Es handelt sich nach Auskunft der GPA um 25 Prozent von 35 größeren kreisangehörigen Vergleichskommunen/K.R.).

Die Personalintensität ist überdurchschnittlich. Die Personalquote 2 der Stadt Witten ist mit 8,3
Ist-Stellen je 1.000 Einwohner sogar weit überdurchschnittlich. Die Anstrengungen der Stadt
sind durchaus erkennbar und die Personalquote bildet nicht mehr das Maximum ab. Dennoch
zählt die Stadt Witten zu dem Viertel der Vergleichskommunen mit der höchsten Personalquote ….“

Die Stadt wehre sich gegen die Ergebnisse der GPA-Prüfung, wie die WAZ (WAZ 28.8.17: „Gemeindeprüfungsanstalt gibt Witten schlechte Noten“) berichtete? Ja wogegen? Gegen die Diagnose des traurigen Zustands oder gegen die Risikoeinschätzung? Das dürfte kaum möglich sein. Die heftigen Reaktionen sind aus meiner Sicht ein Versuch, wieder einmal die eigene Schuld (Verwaltungsspitze, Mehrheitspoltik) an der Misere von sich zu weisen. Auf einige fragwürdige Argumente der Verwaltungsspitze werde ich in der nächsten Zeit noch eingehen. Tatsache ist, dass die Karre mittlerweile sehr tief im Dreck steckt und es schon drastischer Eingriffe von außen bedürfte, um sie wieder einigermaßen flott zu machen.

*Hier der vollständige Vorbericht: GPA Bericht_2016 Vorbericht

Der vollständige Prüfbericht plus Anmerkungen der Wittener Verwaltung findet sich auf der homepage der GPA NRW unter: gpanrw.de/media/1504599462_stadt_witten_bericht_2016.pdf