Hohenzollernviertel: Gegen wirre Agitation
Haimo Hurlin
Witten, 08. Februar 2018
OFFENER BRIEF
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
Die Nachbarschaftsinitiative Hohenzollernviertel hat in den letzten Jahren viel erreicht. Die Stadt Witten hat ein Quartier mit Identität gewonnen, das in freundschaftlicher Kooperation mit dem Wiesenviertel der Innenstadt Charakter verleiht. Viele freundliche Nachbarschaftskontakte sind entstanden und haben die Lebensqualität im Viertel spürbar erhöht. Nachbarschaftsfeste, insbesondere das Fest zur 150-Jahr-Feier des Karl-Marx-Platzes, haben Anwohner und Gewerbetreibende ins Gespräch gebracht. Wir haben Führungen veranstaltet, die Entstehungsgeschichte und die Architektur des Viertels ins Bewusstsein gebracht. Von uns sind Anstöße ausgegangen, die die Stadt dankenswerterweise umsetzt: die Neuplanung des Karl-Marx-Platzes, die Grünflächenpatenschaft, Fahrradständer und eine Ladestation für E-Autos am Platz der Gedächtniskirche. Und wir haben mit dem Bouleplatz auf dem Karl-Marx-Platz zur Belebung beigetragen.
Das Hohenzollernviertel ist zu einem beliebten Wohnquartier und zu einem Markenzeichen geworden.
Leider tragen nun vereinzelte Angriffe auf den Namen „Hohenzollernviertel“ Unfrieden und Verunsicherung in die Öffentlichkeit. Auch in der Stadtverwaltung sind Irritationen entstanden. Die Stadt hat sich sogar dazu hinreißen lassen, einer der destruktiven Stimmen auf ihrer Homepage Raum zu geben, ohne andere Ansichten zu Wort kommen zu lassen. Auch die WAZ kuscht vor der wirren Agitation, verbannt den Namen Hohenzollernviertel und schummelt uns dafür den Namen Breddeviertel unter. Als „Breddequartier“ haben jedoch ein paar Geschäftsleute den Platz an der Einmündung Breddestraße-Bahnhofstraße benannt, um ihre Lage aufzuwerten. Das hat nichts mit dem Hohenzollernviertel zu tun.
Ich wende mich nun an Sie, um für einen aufgeklärten und gelassenen Umgang mit dem Namen „Hohenzollernviertel“ seitens der Stadt zu werben. (mehr …)
Den Nagel auf den Kopf getroffen
In einem Kommentar zu einem WAZ-Artikel vom 22.2.18: „Planer liefern gute Ideen für den Karl-Marx-Platz“ fand ich folgenden Kommentar, der leider den Nagel auf den Kopf trifft:
„p.s.a vor 4 Stunden:
Bürgerbeiteiligung wie seit Jahrzehnten
mit der Macht der Verwaltung nerven den Bürger solange, bis der keine Lust mehr auf Bürgerbeteiligung hat. Dann wird gemacht was ein oder zwei, in der Politik gut Vernetzte, wollen. Und bei der Gelegenheit kann man auch noch das Füllhorn über externe Berater ausschütten.“
Wenn von ca. 30 TeilnehmerInnen der Info-Veranstaltung ca. 15 entweder VerwaltungsmitarbeiterInnen sind (einschließlich der Bürgermeisterin) oder MitarbeiterInnen der beauftragten Planungs- und Architekturbüros, scheint die Lust auf Bürgerbeteiligung nicht sehr groß zu sein. Wie denn auch, wenn die Bürgerbeteiligung über verordnete „Kärtchensammlung“ eingehegt wird und die BürgerInnen über Jahrzehnte signalisiert bekommen haben, dass Kritik nicht erwünscht und Widerstand zwecklos ist*.
*Zitat aus Star Trek: Raumschiff Voyager („Borg“): „Sie werden assimiliert werden. Deaktivieren Sie Ihre Schutzschilde und ergeben Sie sich. Ihre Kultur wird sich anpassen und uns dienen. Widerstand ist zwecklos!“ Zum Selbsverständnis der Stadtverwaltung siehe auch mein Beitrag „Nach uns die Sintflut – Wie die Spitze der Wittener Stadtverwaltung tickt„/3.4.13.
Noch ein Rückblick: Die Politik der KPD nach 1945
Im Rahmen eines studentischen Seminars ca. 1973 habe ich als Student folgendes Referat zur Politik der KPD in Westdeutschland nach 1945 verfasst*. Die Interviewform hat mir ermöglicht, eine Art neutraler immanenter Kritik** zu entwickeln.
→ Referat „Die Politik der KPD nach 1945“: Die Politik der KPD nach 1945
Festzuhalten bleibt:
– Die Politik der KPD ging regelmäßig an den jeweiligen politisch-ökonomischen Konjunkturen vorbei. Von wegen: Die Partei hat immer recht.
– Damit war ein Scheitern vorprogrammiert – übrigens ähnlich wie im Kampf gegen den erstarkenden Nationalsozialismus Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre des vergangenenen Jahrhunderts. Die linksradikale Thälmann-Losung „Für eine deutsche Sowjetrepublik“ hat mit Sicherheit nicht zur Stärkung des antfaschistischen Kanpfes beigetragen.
– Durch die falschen Losungen und Schwerpunktsetzungen sind in stalinistischer Manier Menschen massenhaft verheizt worden – mit dem tragischen Ende des Verbots und der folgenden Illegalität der KPD, deren mehr oder weniger gebrochene Opfer ich dann 1970 nach meinem Eintritt in die DKP vor Ort kennenlernen konnte.
Zu lernen ist daraus, dass zu einer erfolgreichen linken Politik nicht nur Phrasendrescherei, sondern auch eine richtige Analyse der konkreten Situation gehört. Und die ist mit Sicherheit nicht durch Ukas eines Politbüros oder eines selbsternannten Avantgardezirkels, sondern nur durch eine lebendige Debatte zu erreichen. Andernfalls provoziert eine politische Formation nicht nur ihr eigenes Scheitern, sondern macht sich auch mitschuldig an der Niederlage der gesellschaftlichen Bewegung, für die sie zu stehen vorgibt. (mehr …)
Menschliche Arbeit die Quelle allen Reichtums?
Vor kurzem erzählte mir ein Bekannter, dass sich seine Tochter bei der Wittener SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) engagiere. Mich interessierte das, weil ich in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der DKP (Deutsche Kommunistische Partei – die SDAJ war die Jugendorganisation der DKP) aktiv war, 1978 wegen der Biermann-Affäre ausgetreten bin (siehe mein Beitrag „DKP: Für mich Ende der Fahnenstange 1978„/4.1.13) und mich immer gewundert habe, wie es andere bis 1989 (Wende und Ausbleiben der Geldtransfers aus der DDR, weitgehender Zusammenbruch der DKP) ausgehalten haben. Aber heute – nach allem, was mittlerweile über die DDR und zum Beispiel das Stasi-Wüten eines Mielke bekannt ist? Was kann da die SDAJ zu bieten haben?
Ich sehe mir also die Website der SDAJ an und stoße unter „Theorie“ auf folgendees Zitat:
„Engels nennt die menschliche Arbeit die Quelle allen Reichtums und die erste Grundbedingung allen menschlichen Lebens.“
Ich stutze. Sollte Engels das wirklich so geschrieben haben? Gab es da nicht eine „Kritik des Gothaer Programms“ von Karl Marx, in der es um die Rolle der Natur neben der Arbeit ging?
Und wirklich: Wer den Link anklickt, stößt auf des vollständige Engels-Zitat, das sich dann doch ganz anders als das SDAJ-Zitat liest:
„Friedrich Engels – Dialektik der Natur/Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen:
|444| Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums, sagen die politischen Ökonomen. Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.“
Denn es sind bei Engels die „politischen Ökonomen“, die sagen, dass die Arbeit die Quelle alles Reichtums sei (und mit politischen Ökonomen sind die bürgerlichen Ökonomen gemeint), während Engels darüber hinaus richtigerweise auf die entscheidende Rolle der Natur verweist*.
Er praraphrasiert damit aber nur die Eingangsformlierungen der „Kritik des Gothaer Programms“ von Karl Marx, die um einiges präziser sind als die Engelssche Paraphrase: (mehr …)
Rathaussanierung: Plan B?
Im ASU (Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz) am 25.1. und im Rat am 5.2.18 (WAZ: „Rathaus: GroKo pocht auf Plan B“) stand eine Verwaltungsvorlage zur Abstimmung an, die über gestiegene Kosten und Verzögerungen bei der der Finanzierung (Fördermittel) der Rathaussanierung informierte.
→ Verwaltungsvorlage: Vorlage
Von der GroKo (Bürgerbündnis: SPD/CDU) wurde zum weiteren Vorgehen bei der Rathaussanierung ein Antrag vorgelegt, der einen sog. Plan B fordert.
→ Antrag GroKo: BB 20 01 18 Rathaussanierung
Ich habe dem GroKo-Antrag nicht zugestimmt. Warum?
Grundsätzlich kann ich die Sorge verstehen, dass die Kosten für das aufwändige Projekt aus dem Ruder laufen könnten. Schließlich muss der Eigenanteil aus Haushaltsmitteln finanziert werden, die für andere Zwecke (z.B. Sanierung von Schulen oder Straßen) dann nicht mehr zur Verfügung stehen.
Gegen einen Plan B sprechen allerdings folgende Argumente:
Da nur eine Komplettsanierung des Rathauses technisch sinnvoll (z.B. Energieeffizienz) und deren nachhaltige Wirtschaftlichkeit auch belegt ist, macht eine Teilsanierung keinen Sinn. Eine eierlegende Wollmilchsau als Ergebnis möglicherweise verminderter Kosten dürfte nicht wirtschaftlich sein. Und darauf würde ein Verzicht auf Ausbaustufen und eine Senkung der Ausbaustandards (die nach Auskuft der Verwaltung schon niedrig angesetzt sind) hinauslaufen. (mehr …)
Weniger Ratsmitglieder für mehr Qualität der Ratsarbeit?
Am 5.2.18 wird der Rat über die künftige Zahl der Ratsmitglieder beschließen (TOP 11: für den Rat nach der nächsten Kommunalwahl 2020). Die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze liegt bei 50, die Zahl kann aber auch unterschritten werden.
→ Verwaltungsvorkage: Vorlage
Sollte die Zahl der Ratsmitglieder also vermindert werden? Meiner Meinung nach nicht.
Denn was sind nach der Gemeindeordnung NRW die Aufgaben des Rates?
→ Zuständigkeiten des Rates nach GO NRW: Gesetze und Verordnungen Landesrecht
→ Aufgaben des Rates: Was ist ein Rat und welche Aufgaben hat er
Der Rat ist gegenüber der Verwaltung und neben der Bürgermeisterin die gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger, also ein demokratisches Element im Verwaltungsaufbau des Landes. Er ist (mit klar definierten Einschränkungen) allzuständig.
Die Ratsmitglieder arbeiten ehrenamtlich (Sie erhalten für ihre Arbeit eine Aufwandsentschädigung), d.h. sie müssen gegenüber einer professionell arbeitenden Verwaltung (in Witten ca. 1200 Verwaltungsmitglieder) ihren Aufgaben (politische Initiative, Bewertung und Korrektur der Verwaltungsarbeit, Kontrolle der Verwaltung) neben ihrer beruflichen u.a. Tätigkeit nachkommen. Das Verhältnis zwischen professionller Verwaltung und Rat ist also schon allein vom Zeitbudget her extrem ungleichgewichtig.*
Unabhängig von der politischen Couleur und der je individuellen Bewältigung der Aufgaben eines Ratsmitglieds** würde eine Verminderung der Zahl der Ratsmitglieder – z.B. auf 40 – die demokratische Vertretung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber die hauptamtliche Verwaltung schwächen. Das gilt insbesondere für die politischen Formationen, die sich in einer Oppositionsrolle befinden. (mehr …)
Sozialwohnungen – eine Lösung für die Aufhebung des zu erwartenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum für ärmere MieterInnen*?
Am 18.12.2017 schreibt der Wittener MieterInnenverein in der Begründung zu einer Anregung an den Rat der Stadt Witten (die Anregung lag dem HFA am 29.1.18 vor):
„Die Zahl der Sozialwohnungen ist durch Auslaufen der öffentlichen Bindungen seit 2006 um 41% gesunken. Im Jahr 2030 werden nach aktuellen Schätzungen nur noch 980 Wohnungen öffentlich gebunden sein. Zugleich ist davon auszugehen, dass ca. 40% aller Wittener Haushalte ein Einkommen bis 2000 € haben. 6.800 Haushalte (13,5%) sind auf Leistungen nach SGB II, SGB XII oder Asylbewerberleistungsgesetz (750 Haushalte) angewiesen. Es muss erwartet werden, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor allem die Zahl der Haushalte mit ergänzender Grundsicherung im Alter stark zunimmt. Vor diesem Hintergrund ist der Erhalt preisgünstiger Mietwohnungen besonders dringlich, und Verluste müssen standortnah ausgeglichen werden.“
Wenn der MieterInnenverein unter preisgünstigen Mietwohnungen Sozialwohnungen versteht, und darauf deutet der Hinweis auf das Auslaufen der öffentlichen Bindungen hin: Was ist davon zu halten?
Sozialwohnungen sind staatlich gefördert – im Grunde eine Form von Private-Public-Partnership.
Sie unterliegen einer Bindungsfrist. Das heißt: Wenn die Bindungsfrist abgelaufen ist (nach 20 oder 15 Jahren bei vorzeitiger Rückzahlung der Darlehen), können die Mieten um 20%, bei Bestehen einer Kappungsgrenze um 15% erhöht werden. In Witten gibt es übrigens keine Kappungsgrenze.
→ Sozialwohnungen: Sozialwohnungen Mieterhöhung wegen Bindungsauslauf
→ NRW Kappungsgrenze: Gesetze und Verordnungen Landesrecht NRW
Nach Ablaufen der Bindungsfrist können die MieterInnen also zur Kasse gebeten werden: Die Mieten steigen und können unter Umständen von ärmeren MieterInnen nicht mehr bezahlt werden. Ein neuer Bedarf ist vorprogrammiert. (mehr …)
„Sozialrevolutionäre“ Fake News
Am 1.5.17 demonstriert der autonome „Historiker“ Ralph Klein „Gegen Kapital und Nation für die soziale Revolution“.
→ Foto WAZ/2.5.17: ‚Antifa-Demonstranten stören Mai-Kundgebung‘
Unser „Historiker“ ist ganz links im Bild zu sehen.
Mensch würde von dem Demonstranten angesichts solcher Aktionen gern erfahren, wo es denn mit der „sozialen Revolution“ hingehen soll – nach einigen historischen Erfahrungen mit Revolutionen, die nach hinten losgegangen sind und/oder sehr unerwünschte Folgen gehabt haben – , also: Welche konkreten Ziele mit dem ja erfahrungsgemäß nicht unerheblichen Aufwand und den nicht unerheblichen sozialen Kosten einer sozialen Revolution denn erreicht werden sollen? „Gegen Kapital und Nation“, aber wofür?
Da dies dem „revolutionären“ Auftritt nicht zu entnehmen ist, scheint bei unserem „Historiker“ das Mittel zum Zweck und zur hohlen Phrase zu mutiert zu sein. Konsequenz: Um sich die Mühen der risikoreichen Praxis (Risiken für sich und vor allem für andere) zu ersparen, macht sich unser „Historiker“ seit einiger Zeit daran, die soziale Revolution bequem in der Vergangenheit durchzuführen, indem er sie „sozialrevolutionär“ hinbiegt.
Jüngste Beispiele:
Beispiel 1: Der vom Zaun gebrochene Namensstreit um den Namen des sog. Hohenzollernviertels (siehe dazu mein Beitrag „‚Historiker‘-Kappes – jetzt auch stadtoffiziell?„/24.1.18).
Beispiel 2: Die Sinnverfälschung der Historie des Namens der ev. Gedächtniskirche. (mehr …)