Weniger Ratsmitglieder für mehr Qualität der Ratsarbeit?

Am 5.2.18 wird der Rat über die künftige Zahl der Ratsmitglieder beschließen (TOP 11: für den Rat nach der nächsten Kommunalwahl 2020). Die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze liegt bei 50, die Zahl kann aber auch unterschritten werden.

→ Verwaltungsvorkage: Vorlage

Sollte die Zahl der Ratsmitglieder also vermindert werden? Meiner Meinung nach nicht.

Denn was sind nach der Gemeindeordnung NRW die Aufgaben des Rates?

→ Zuständigkeiten des Rates nach GO NRW: Gesetze und Verordnungen Landesrecht

→ Aufgaben des Rates: Was ist ein Rat und welche Aufgaben hat er

Der Rat ist gegenüber der Verwaltung und neben der Bürgermeisterin die gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger, also ein demokratisches Element im Verwaltungsaufbau des Landes. Er ist (mit klar definierten Einschränkungen) allzuständig.

Die Ratsmitglieder arbeiten ehrenamtlich (Sie erhalten für ihre Arbeit eine Aufwandsentschädigung), d.h. sie müssen gegenüber einer professionell arbeitenden Verwaltung (in Witten ca. 1200 Verwaltungsmitglieder) ihren Aufgaben (politische Initiative, Bewertung und Korrektur der Verwaltungsarbeit, Kontrolle der Verwaltung) neben ihrer beruflichen u.a. Tätigkeit nachkommen. Das Verhältnis zwischen professionller Verwaltung und Rat ist also schon allein vom Zeitbudget her extrem ungleichgewichtig.*

Unabhängig von der politischen Couleur und der je individuellen Bewältigung der Aufgaben eines Ratsmitglieds** würde eine Verminderung der Zahl der Ratsmitglieder – z.B. auf 40 – die demokratische Vertretung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber die hauptamtliche Verwaltung schwächen. Das gilt insbesondere für die politischen Formationen, die sich in einer Oppositionsrolle befinden.

Auch der jetzige Rat sollte ursprünglich keine 72 Mitglieder, sonder nur 50 umfassen. Dass er auf 72 angewachsen ist, ist in gewisser Weise ein Unfall: Dadurch, dass die SPD bei der letzten Wahl alle Direktmandate in den Wahlbezirken erobert hat, hat es eine entsprechende Anzahl von Überhangmandaten gegeben, also 22 Mandate mehr (in unterschiedlicher Zahl verteilt auf die politischen Formationen). Z.B. wären ohne Überhangmandate Piraten, WBG und FDP mit nur einem Mandat im Rat vertreten gewesen.

Und was ist davon zu halten, dass die verminderte Zahl von Ratsmitgliedern über sachkundige Bürgerinnen und Bürger kompensiert werden könne? Der entscheidende Unterschied zwischen Ratsmitgliedern und sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern ist:

1. dass sachkundige Bürgerinnen und Bürger von den Fraktionen benannt und anschließend vom Rat in die jeweiligen Gremien gewählt werden, also nicht direkt gewählt worden sind und deshalb gegenüber den Wählerinnen und Wählern in verminderter Direktverantwortung stehen;

2. dass sie qua Gremienmitgliedschaft nur für ihren Fachbereich zuständig sind. Im Gegensatz dazu ist von einem Ratsmitglied zu erwarten, dass es den Gesamtzusammenhang, z.B. bei haushaltsrelevanten Angelegenheiten, im Rahmen einer Abwägung im Auge behält.

Also: Weniger als 50 Ratsmitglieder ist nicht besser, sondern schlechter für die Bürgerinnen und Bürger. Und eine Qualitätsverbesserung der Ratsarbeit ist auf diesem Weg auf keinen Fall zu erreichen.

*Deshalb z.B. der von der Kölner Oberbürgermeisterin erfolgte Vorstoß, die Ratsarbeit zu verhauptamtlichen (z.B. über Diäten).

**Es gibt natürlich unterschiedlich fleißige Ratsmitglieder. Ich kenne Ratsmitglieder, die bei genauerem Hinsehen über Jahre nichts auf die Kette gebracht haben. Aber dieses Problem läßt sich nicht über eine Reduktion der Zahl lösen, sondern nur darüber, dass Bürgerinnen und Bürger ihren Ratsmitgliedern auch während der Wahlperiode auf die Finger schauen und bei den nächsten Wahlen die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Um diese Kontrolle zu verbessern, wäre aus meiner Sicht neben der Verbesserung direktdemokratischer Korrekturmöglichkeiten eine Verkürzung der Wahlperiode wünschenswert.