Mit der Elefantenbüchse auf Spatzen?
Am 14.9.16 erreichte die Stadt Witten eine Schreiben des Landrats, mit dem dieser versucht, eine abschließende Entscheidung des Rates am 19.9.16 bzgl. des Wickmanngeländes in Annen (Entwicklung auf Basis von § 34 Baugesetzbuch) bei Androhung „aufsichtsrechtlicher Maßnahmen“ zu verhindern.
→ Schreiben des Landrats: wickmann-gelaende-schreiben-landrat-14-09-2016
Dieser Versuch, sich in die kommunale Planungshoheit der Stadt Witten einzumischen – abgesehen vom späten Zeitpunkt – ist starker Tobak. Was ist davon zu halten?
Der Landrat begründet seine Intervention mit einem Hinweis auf ein Urteil der Bundesverwaltungsgerichts, das angeblich eine Planungspflicht der Stadt zwingend vorschreibe. Ist diese Begründung plausibel und hätte der Landrat im Streifall gute Karten? Ich glaube nicht.
→ Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: urteil
Bei genauer Lektüre (im Schreiben des Landrats wird sehr selektiv zitiert) wird deutlich, dass der Sachverhalt, auf den sich das Urteil bezieht, schon von seinen Dimensionen her mit der Wittener Problematik überhaupt nicht zu vergleichen ist. Im Urteil ging es um die geplante Erweiterung eines Gewerbeparks (vorhandene 120.000 qm sollten um ca. 50.000 qm erweitert werden) mit zu erwartenden erheblichen schädlichen Auswirkungen auf die Nachbarkommunen. Dass das Gericht in diesem Fall sozusagen als Notbremse die strittige Intervention der Aufsichtsbehörde als rechtskonform einschätzt und eine Planungspflicht festschreibt, um Schaden zu vermeiden, ist nachzuvollziehen.
Weniger nachzuvollziehen ist die Übertragung auf Witten, die der Landrat vornimmt. Denn in Witten geht es im „worst case“ um ca. 11.000 qm, wahrscheinlich aber um weniger (ca. 9.000 qm). (mehr …)
Fundsache
Bei einem Treffen mit Minister Gabriel forderte Herr Neuhaus-Galladé, Witten möge mehr Gewerbeflächen ausweisen, um auf diesem Weg mehr Gewerbesteuern einnehmen zu können (die WAZ berichtete am 18.8.16). Andernfalls seien die Haushaltsprobleme der Stadt nicht in den Griff zu bekommen. Bei diesem Treffen ließ sich die Bürgermeisterin mit Bezug auf die strittigen Flächen in Stockum und Heven dahingehend ein, der Rat werde in dieser Angelegeneheit wohl das letzte Wort haben.
Ich fand dazu in den WAZ-Online-Kommentaren den Kommentar eines „batgirl“, dem ich mich voll anschließen könnte. Übrigens sind die Spitzenpersonalkosten Wittens im Städtevergleich durch die GPA (Gemeindeprüfungsanstalt NRW) durch deren Prüfung der Stadtverwaltung vor 6 Jahren dokumentiert. Ob sich daran mittlerweile trotz Stellenabbau etwas geändert hat, wird die nächste Prüfung zeigen, die in überschaubarem Zeitraum anliegt:
„Neuhaus-Galladé fordert zusätzliche Gewerbeflächen in Witten/von batgirl
Wer hat wohl Herrn Neuhaus-Galladé diesen Floh ins Ohr gesetzt? Neue Gewerbeflächen für mehr Gewerbesteuern? Die Investoren werden strömen, um bei dem Wittener extrem hohen Gewerbesteuerhebesatz (Spitzenwert im Städtevergleich) die Wittener Stadtkasse zu füllen – zur Absicherung der Spitzenpersonalkosten der besonders effizienten Wittener Stadtverwaltung? Und dafür sollen unter Umständen für eine nachhaltige Stadtentwicklung wertvolle Flächen (Stockum, Heven: regionale Grünzüge!) geopfert werden? In diesem Zusammenhang für die Zukunft ein Hinweis: Über die strittigen Flächen werden im Falle eines Falles nicht Regionalverband und Rat, wie die Bürgermeisterin meint, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach die Bürger (Bürgerbegehren, -entscheid) „das letzte Wort haben“.“
Ein Grund zur Freude?
Da war doch was? Richtig, der Haushalt der Stadt Witten 2016 ist genehmigt worden – mit Steuererhöhungen etc.. Ein Grund zur Freude? Wohl kaum für die Bürgerinnen und Bürger, die in doppelter Weise – durch Einschränkungen von Dienstleistungen und Zwangsabgaben an die Stadt (Steuern etc.) – zur Kasse gebeten werden (Beschwerden und Widersprüche dürften kaum erfolgversprechend sein) . Hinzu kommt, dass in dieser Hinsicht das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist, wie die mahnenden Hinweise der Kommunalkaufsicht dokumentieren (s.u.).
Der von den Haushaltszustimmern im Rat immer wieder beschworene kommunalpolitische Spielraum muss – und tendenziell abnehmend – mit der Lupe gesucht werden (siehe dazu der Hinweis der Kommunalaufsicht auf die sog. freiwilligen Leistungen S. 7). Genau genommen hat die Mehrheit des Rates mit ihrer Zustimmung genau das exekutiert, was ein Sparkommissar auch exekuiert hätte – nicht mehr und nicht weniger. Denn ein Sparkommissar hat eben auch nur die Aufgabe, einen genehmigungsfähigen Haushalt zu „schnitzen“.
Einen Grund zur Freude haben eigentlich nur die Verwaltungsmitarbeiter, die auf Grund der Genehmigung befördert werden können – aktuell drei Mitarbeiter nach A 15 (Oberverwaltungsrat) und drei weitere nach A 14 (Verwaltungsrat). Wer wissen will, was da verdient wird, möge von einem Durchschnittsalter von 50 Jahren ausgehen. Schau’n wir mal, was da noch so kommt. Auf jeden Fall müssen in Zukunft weitere Gehaltserhöhungen über Tarifabschlüsse kalkuliert werden (siehe dazu auch Hinweis der Kommunalaufsicht S. 6).
→ Genehmigungsschreiben der Kommunalaufsicht: HSP-Genehmigung 2016 der Stadt Witten
Übrigens wird die GPA (Gemeindeprüfungsanstalt NRW, nicht „Gemeindeprüfanstalt“. wie unsere Bürgermeisterin sich auszudrücken pflegt) nach meinen Informationen wahrscheinlich im Oktober dieses Jahres wieder in der Wittener Stadtverwaltung präsent sein. Auf die Ergebnisse der Prüfung bin ich gespannt.