Klage gegen Unzulässigkeit: Bärendienst?

Am 3.3.20 titelt die WAZ „Initiative („Grüner Kornmarkt“/K.R.) klagt gegen die Stadt“. Untertitel „Verwaltungsjurist: Rat hätte das Bürgerbegehren gegen die Bebauung des Kornmarkts nicht für unzulässig erklären dürfen. Unterschriften lagen noch gar nicht vor.“ (hier der Online-Artikel vom 2.3.20: Witten_ Initiative „Grüner Kornmarkt“ klagt gegen die Stadt). Jetzt also Klage. Aber wogegen eigentlich?

Richtig ist, dass der Rat am 3.2.20 mit großer Mehrheit festgestellt hat, das Bürgerbegehren sei formal unzulässig (siehe Niederschrift Niederschrift_oeffentlich).

Da bis zum 3.2.20 keine Unterschriften eingegangen waren, konnte der Rat zu diesem Zeitpunkt noch keine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit treffen und hat dies auch nicht getan. Vielmehr hat er signalisiert, dass er bei Vorlage von mindestens 4.600 gültigen Unterschriften (Das ist das Quorum gemäß GO!) das jetzige Bürgerbegehren wegen Unzulässigkeit ablehnen würde. Heißt: Der Rat hat Position bezogen. Der Stadtsprecher kommentiert im WAZ-Artikel aus meiner Sicht korrekt, der Rat und seine Mitglieder seien nicht verpflichtet, sich einem Bürgerbegehren gegenüber neutral zu verhalten. Er hat sich nicht neutral verhalten. Mehr nicht.

Hier noch einmal in Kürze die formalen Gründe (inhaltliche finden sich in diversen Beiträgen auf dieser Website), die auch aus meiner Sicht gegen das Begehren sprechen:

Das kassatorische Begehren* – und darum handelt es sich bei genauerem Hinsehen – ist verfristet, weil es viel zu spät gestartet worden ist (zur Beschlusslage siehe Drucksache zum HFA vom 18.11.19 HFA 18.11.19). Der Hinweis des die Initiative vertretenden Rechtsanwalts, es bedürfe eines Ratsbeschlusses und ein Beschluss des ASU sei unzureichend, ist deshalb falsch, weil es sich beim ASU um einen Teil des Rates handelt, an den der Rat Zuständigkeiten übertragen hat (siehe Zuständigkeitsordnung des Rates Zuständigkeitsordnung).

Der Versuch, die Fristbindung zu umgehen, indem  ein ursprünglich als kassatorisch angesetztes Begehren in ein initiierendes verwandelt wird, ist deshalb illegal (im Ansatz unzulässig), weil es sich eindeutig um ein Fake (getarntes kassatorisches Begehren) handelt. Zur Illegalität solcher getarnten kassatorischen Begehren gibt es hinreichend Urteile der Verwaltungsgerichte, die dem Anwalt eigentlich bekannt sein müssten.

Noch einmal zum Ratsbeschluss vom 3.2.20:

Der Antrag auf einstweilige Anordnung erweckt den Eindruck, als habe der Rat mit seinem Beschluss am 3.2.20 eine Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren vor Abgabe der Unterschriften unterbinden wollen. Das wollte der Rat nicht und konnte er auch nicht. Vielmehr hat er frühzeitig Flagge gezeigt (s.o.). Es ist den Initiatoren des Begehrens selbstverständlich unbenommen, bis Ultimo auf der Basis eines illegalen Begehrens Unterschriften zu sammeln. Problem ist dabei nur, dass die Unterschrift Leistenden hinters Licht geführt werden, indem suggeriert wird, mit der Unterschrift könnte formal korrekt erreicht werden, was mit einem Bürgerbegehren erreicht werden soll, nämlich ein Bürgerentscheid. Dem Instrument Bürgerbegehren würde durch ein solches Vorgehen ein Bärendienst erwiesen.

Herr Samoticha (Mitinitiator des Begehrens, Die Linke) sitzt übrigens seit 2014 im Rat. Er hat also alle zurückliegenden Beschlüsse mitbekommen. Hat er eigentlich die ganze Zeit geschlafen? Wenn nicht, warum erst jetzt das Theater? Klimaschutz? Dass Klimaschutz und verbesserte Luftqualität gerade in der Wittener Innenstadt eine dringend notwendige Aufgabe sind, hätte Herrn Samoticha schon seit längerem bekannt sein müssen.

*Kassatorische Bürgerbegehren richten sich gegen einen Ratsbeschluss und unterliegen einer Fristbindung (§ 26 GO NRW).