Und wieder: Städtischer Haushalt Wittens – düstere Zeiten für Bürgerinnen und Bürger?

Am 27.7.23 lese ich in der WAZ-Online einen Artikel („Haushalt vor dem Kollaps: Witten drohen harte Einschnitte“: Haushalt vor Kollaps), der auf die katastrophale Situation des Wittener Haushalts aufmerksam macht. Der Kämmerer spricht von drohenden harten Einschnitten vor allem bei den Investitionen und einer voraussichtlichen Nichtgenehmigung.

Nun ist die prekäre Situation nicht neu (Siehe dazu meine Beiträge auf dieser Website unter dem Stichwort „Haushalt/Finanzen“ über die Suchfunktion). Es sei nur daran erinnert, dass die Stadt Witten schon seit 2010 überschuldet ist und sich deshalb pflichtig am mittlerweile ausgelaufenen Stärkungspakt beteiligen musste*. Es sei weiterhin daran erinnert, dass ohne die Zuschüsse des Stärkungspakts die Schuldenlast der Stadt noch weit höher wäre, als sie gegenwärtig ist – und sie ist ja eindrucksvoll und wächst noch ständig.

Dazu einige Anmerkungen:

– Wieso sich der städtische Haushalt „ohne Corona und die Ukraine-Krise auf einem Wachstumspfad“ befunden hätte (Kämmerer), ist mir ein Rätsel. Vor allem, weil das Voodoo des Herzausrechnens von Defiziten aus dem Haushalt** doch nur wegen Corona ermöglicht worden ist: Ohne Herausrechnen wäre der Wittener Haushalt schon seit 2020 nicht mehr genehmigungsfähig gewesen. Und die Jahre vorher seit 2011? Vorher ist der Haushaltsausgleich nur durch die Stärkungspaktzuschüsse und drastische Streuerhöhungen (Grundsteuer B und Gewerbesteuer im Jahr 2016!***) zustande gekommen.

– Der Haushalt befindet sich also schon lange nicht mehr auf einem „Wachstumspfad“, sondern in einer Dauerkrise. Wenn der Haushalt 2024 nicht mehr genehmigt würde, wäre das nur der Offenbarungseid nach einer jahe-(jahrzehnte-)langen problematischen Haushaltsführung. Der enorme Anstieg der Verschuldung**** ist dafür ein Indiz.

Was wäre bei einer Nichtgenehmigung zu erwarten?

– Da die – vorübergehende (!) – Nichtgenehmigung von Seiten der Aufsichtsbehörde auf einen genehmigungsfähigen Haushalt abzielt, würde eine Phase der vorläufigen Haushaltsführung***** eintreten. Während dieser Phase müssten wirksame Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung entwickelt und der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden, um eine erneute Haushaltsgenehmigung zu erreichen. Alternativ wäre auch von Seiten der Aufsichtsbehörde die Installation eines Beauftragten („Sparkommissar“)****** denkbar, der dann einen genehmigungsfähigen Haushalt durchsetzen müsste.

– Heißt: Die vom Bürgermeister im Artikel angedeuteten Einschränkungen würden „nur“ für die Phase der vorläufigen Haushaltsführung gelten und die Handlungsfähigkeit der Stadt schon in dieser Phase enorm einschränken. Aber erst darüber hinaus würde es wirklich kritisch (nachhaltig wirksame Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung). Wenn die Aussage des Bürgermeisters stimmt, dass die Stadt schon bei ihren Pflichtausgaben nicht mehr hinterher komme und die Möglichkeiten zur Einsparung ausgeschöpft seien, drängt sich die Frage auf, was denn dann passieren soll?

Laufen dann die „harten Einschnitte bei den Investitionen“ darauf hinaus, dass in dieser Hinsicht gar nichts mehr läuft und die öffentliche Infrastruktur weiter vor sich hin verfällt? Oder kommt es doch wieder zu einem „Generieren“ von Geld (Bürgermeister) über eine Erhöhung der Einnahmen (zur Rettung des Haushalts) durch weitere Steuererhöhungen (Grundsteuer B und Gewerbesteuer) wie schon 2016? In beiden Fällen waren und wären die Geschädigten die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die den Verfall ertragen müssten und/oder zusätzlich zur Kasse gebeten würden*******.

Bleibt abschließend für mich auch hier die Feststellung: Nichts ohn‘ Ursach. Und eine der Hauptursachen ist sicher die Blauäugigkeit und Inkompetenz (den Kämmerer nehme ich als Verwalter des Missstandes und Krisenmanager mit sehr eingeschränkter Eingriffsmöglichkeit ausdrücklich aus), mit der Verwaltungsspitze und „Politik“ (genau: Stadtrat als Selbstverwaltung) in Witten jahrzehntelang haushaltspolitisch sich „immer weiter so“ durchgewurschtelt haben. Ein weiteres „Weiter so“ wird die Lage nicht bessern********.

*Siehe dazu meine Beiträge „Was bedeutet der Stärkungspakt für Witten?“/12.3.13 und „Stärkungspakt – Teufelswerk?“/28.10.13.

**Siehe dazu mein Beitrag „Corona: Städtischer Haushalt – keine schönen Aussichten!“/7.4.20.

***Siehe dazu mein Beitrag „Haushaltskapriolen“/5.5.16.

****Siehe dazu: https://www.witten.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/sta20/haushalt_2023/Etatrede_2023Kaemmerer.pdf.

*****Siehe dazu: https://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=146702,83.

******Siehe dazu: https://www.bra.nrw.de/kommunalaufsicht-planung-verkehr/kommunalaufsicht/kommunale-haushalte/nkf-sparkommissar.

*******Erstaunlicher Weise überhaupt nicht geschädigt worden ist über die Jahre der Haushaltskrise das Einkommen des Personals der Stadt, denn die Personalkosten sind durch Tarifabschlüsse, Stellenanhebungen und altersbedingt in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen – allein von 2022 bis 2023 um ca. 4 Mio. (Haushaltsplan 2023: Personalaufwendungen/finanzwirksame Aufwendungen von 2022: 82.184 Mio. auf 2023: 86.217 Mio.. Siehe dazu: Siehe dazu: https://www.witten.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/sta20/haushalt_2023/final/02_Haushaltssicherungskonzept__HSK_2023_.PDF, S. 16). Hinzu kommt, dass 2023 54 neue Stellen geschaffen worden sind (Siehe ****, S. 11). Dies ist besonders absurd deshalb, weil die zusätzliche Zahl von Stellen bei „harten Einschnitten“ auf einen insgesamt verminderten Arbeitsaufwand (natürlich je nach Verwaltungssegment unterschiedlich) durch eine verminderte Zahl von finanzierbaren Projekten treffen dürfte.

Den Vogel abgeschossen, was Blauäugigkeit anbetrifft, hat übrigens die Wittener Ratsfraktion der SPD. Die hat tatsächlich dem Haushalt 2023 u.a. deshalb nicht zugestimmt (Wir erinnern uns: Der Haushalt 2023 ist nur mit knapper Mehrheit beschlossen worden), weil von ihr beantragte zusätzliche Stellen nicht berücksichtigt wurden.