Dem Bürger dienlich?

In einem Beitrag in der WAZ vom 4.8.15 zur Bürgermeisterwahl behauptet Prof. Schoppmeyer, „Im Kern handelt es sich darum, dass die Parteien/Fraktionen – so wichtig sie sind – akzeptieren müssen, dass außer ihnen ein(e) mit eigener demokratischer Legitimation ausgestatteter Bürgermeister(in) über den Kurs der Stadt befindet. Eine Stadtspitze, die sich vorab den Parteien unterwirft, ist weder vom Gesetz gewollt noch dem Bürger dienlich.“. Diese Behauptung ist falsch. Mensch mag unterschiedlicher Auffassung bezüglich der Reform der Gemeindeordnung 1994 sein, aber ein starkes unabhängiges Bürgermeisteramt ist mit dieser Reform in NRW nicht implementiert worden. Die Reform hat vielmehr zu einer Art Zwitter zwischen süddeutscher und norddeutscher Gemeindeverfassung geführt.

Die Bürgermeisterin/der Bürgermeister kann seitdem wohl direkt gewählt werden (in Witten erstmals 1999), ist aber weiterhin an die Beschlüsse eines allzuständigen Rats – und damit an Ratsmehrheiten – gebunden. Deshalb kann sie/er nach Recht und Gesetz nicht über den Kurs der Stadt bestimmen (siehe dazu auch meine Beiträge „Bürgermeister in Witten: Gestalter der Geschicke unserer Stadt?„/3..7.15 und „Schwebt unsere Bürgermeisterin über den Wassern?„/14.5.13 ). Im Übrigen besteht die Stadtspitze nicht nur aus der Bürgermeisterin/dem Bürgermeister, sondern auch aus den Dezernenten, die der Bürgermeisterin/dem Bürgermeister in NRW fast gleich gestellt sind.

Ich persönlich halte die Anbindung an den Rat übrigens für „demokratietheoretisch besser fundiert“ und dem Bürger dienlicher als eine Art kommunales Wahlkönigtum, bei dem nicht klar ist, wem gegenüber die Wahlkönigin/der Wahlkönig noch regelmäßig und mit effektiven Korrekturmöglichkeiten rechenschaftspflichtig ist. In folgendem Leserbrief habe ich versucht, die Einschätzung von Prof. Schoppmeyer richtig zu stellen:

Leserbrief (mit der Bitte um Abdruck)

WAZ 4.8.15: „Starke Bürgermeister waren gewollt“

Da irrt Prof. Schoppmeyer. Was will das Gesetz? Bezüglich der Rolle der/des hauptamtlichen Bürgermeisterin/Bürgermeisters ist als gesetzliche Grundlage die Gemeindeordnung NRW verbindlich. Diese regelt deren/dessen Kompetenzen verbindlich im § 62/2: „Der Bürgermeister bereitet die Beschlüsse des Rates, … und der Ausschüsse vor.“. Das heißt, dass abgesehen von inneren Angelegenheiten der Verwaltung (Organisation und Personal) und durch Bund und Land übertragenen Aufgaben der Rat (Fraktionen als Zusammenschlüsse der gewählten Repräsentantinnen/Repräsentanten der Bürgerinnen/Bürger) letztinstanzlich entscheidet und über den Kurs der Stadt befindet. Eine Bürgermeisterin/ein Bürgermeister hat sich deshalb nicht dem Rat „vorab zu unterwerfen“, kann aber nicht eigenständig gestalten, sondern ist zwecks Gestaltung auf Ratsbeschlüsse, also auf Mehrheiten im Rat, angewiesen. Mensch mag das bedauern, aber so ist es nun einmal nach wie vor der Reform der Gemeindeordnung NRW 1994.

Klaus Riepe
Beethovenstraße 25
58452 Witten
4.8.15