Einhaltung des Konnexitätsprinzips – die Rettung?

Während der Ratssitzung am Montag war es wieder häufig zu hören, das Fetischwort „Konnexität“. Angeblich sei die extrem prekäre Haushaltslage auf die Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips zurück zu führen (Unisono Bürgermeisterin und Kämmerer). Schauen wir genauer hin.

Die Klage über die Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips bezieht sich in der Regel auf (sozialstaatliche) Aufgaben und Leistungen, die der Kommune ohne direkte Gegenfinanzierung durch den Auftraggeber (Land, Bund) übertragen werden (z,B. U3-Beteuung). Aber:

1.wird die Kommune über Steuerumverteilung (Gemeindefinanzierungsgesetz) vom Land finanziert. Man könnte dies als Gegenfinanzierung betrachten, weil natürlich für das Glied der Landesverwaltung Kommune – die Kommune ist verfassungsrechtlich Teil der Landesverwaltung (mit Selbstverwaltung: der Rat ist kein Parlament!) – kein Anspruch auf eine 1 zu 1 Gegenfinanzierung von übertragenen Einzelleistungen aus dem Landeshaushalt besteht. Ob die Umverteilung zureichend ist, hängt davon ab, was unter „zureichend“ zu verstehen ist. Aus meiner Sicht sicher nicht die Pflicht des Landes oder Bundes, für jedes kommunal „erwirtschaftete“ Defizit und die diesem zugrunde liegende jahrelange Misswirtschaft wie in Witten aufzukommen, weil

2. dann und damit die Finanzierung der Leistungen sich nur im hoch verschuldeten Landes- oder Bundeshaushalt niederschlagen würden.

Es ergibt sich also folgendes Trilemma:

– Die an die Kommune übertragenen Leistungen und Aufgaben werden kommunal bezahlt. Dann führt das bei Kommunen wie Witten mit seit Jahren wachsenden Defiziten zu Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger durch Steuern und Abgaben und/oder zu einer wachsenden Verschuldung und/oder zu Leistungseinschränkungen. Da bei wachsender Beanspruchung die zu verteilende Finanzmasse gleich bleibt oder tendenziell sinkt, muss u.U. kontrovers entscheiden werden, wer die finanzielle Belastung zu tragen hat. In der Regel sind es die Bürgerinnen und Bürger, die dabei schlecht weg kommen, und nicht die Verwaltung.

– Die übertragenen Aufgaben und Leistungen werden bei Einhaltung des Konnexitätsprinzips von Land und Bund finanziert. Dann wird der gerade beschriebene Vorgang nur auf die Landes- und/oder Bundesebene verschoben.

– Die sozialstaatlichen Leistungen werden gar nicht erst erbracht, weil Schuldenanhäufung (mit wachsenden Zinsbelastungen) und/oder zusätzliche Belastungen der Bürgerinnen und Bürger vermieden werden sollen.

Diejenigen, die in Witten gebetsmühlenartig die Einhaltung des Konnexitätsprinzips beschwören, sollten ehrlich sein:

– Entweder sie plädieren für eine Verschiebung der Problematik auf Land und Bund – dann ist gesamtstaatlich und für die Bürgerinnen und Bürger – auch die Wittens – genau genommen finanziell nichts gewonnen. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es doch „Jacke wie Hose“, wer sie zur Kasse bittet.

– Oder sie sind gegen die sozialstaatlichen Leistungen – dann sollte dies auch offen eingestanden werden. Die Frage ist dann, was man eigentlich will, wenn man in Düsseldorf oder Berlin für die Einhaltung des Konnexitätsprinzips demonstriert. Sind das dann Demos gegen die Ausweitung sozialstaatlicher Leistungen?

Abschließend noch ein Zitat (aus Difu-Berichte 3/2010 – Wer zahlt die Zeche? Der Besteller! Das Konnexitätsprinzip auf dem Prüfstand/Stefanie Hanke):

„Das Konnexitätsprinzip kann die Kommunen aus ihrer finanziellen Not nicht retten, aber zumindest eine Verschärfung vermeiden. Daneben aber müssen die Kommunen in Zukunft durch eine grundsätzliche Umgestaltung des Finanzverfassungssystems finanziell auf sicheren und verlässlich starken Beinen stehen, um ihren Aufgaben weiterhin gerecht werden zu können.“

Das ist soweit richtig, muss allerdings durch eine gesamtstaatliche Betrachtung der Staatsfinanzen und eine striktere Kontrolle des inneren Finanzgebarens der Kommunen in Hinblick auf Wirtschaftlichkeit (Non-Profit) ergänzt werden, um Auswüchse wie in Witten frühzeitig zu vermeiden.

Was diese Auswüchse anbetrifft, hat die IHK mit ihrer Kritik an den geplanten Steuererhöhungen recht (IHK-Brief an die Bürgermeisterin: Bürgermeisterin Leidemann_Brief vom 18.09.2014): Witten hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Und zwar nicht, wie der Kämmerer behauptet, in erster Linie wegen Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips durch Land und Bund, sondern wegen anderer Ausgabenblöcke (Personalkosten, nicht Stellen – von der Bürgermeisterin fälschlicherweise automatisch gleich gesetzt*). Zu deren langjähriger Entwicklung siehe meinen Beitrag „Was bedeutet der Stärkungspakt für Witten“.

*Im Städtevergleich dürfte Witten bei den Personalkosten und Stellen (ca. 1100 Vollzeit verrechnete Stellen und ca. 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) nach wie vor einen Spitzenplatz einnehmen. Beim Personalabbau und dessen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung ist es natürlich entscheidend, von welchem Ausgangsniveau ausgegangen wird. Sind z.B. 900 Stellen angemessen, lag das Ausgangsniveau aber bei 1500 Stellen und baue ich 200 ab, liege ich immer noch 400 Stellen über dem Sollwert.