AfD-Demo: „Es ist 5 vor 33“?

Am 25.1.24 berichtet die Wittener WAZ über die Demo gegen Rechts und die AfD. Sie zitiert eine der Demo-Losungen „Es ist 5 vor 33“. Was ist von einer solchen Losung zu halten? Befindet sich die Bundesrepublik wirklich kurz vor der Machtübernahme durch Nazis? Natürlich nicht, und natürlich hat die gegenwärtige politische Befindlichkeit der Bundesrepublik nichts, aber auch gar nichts mit der Verfasstheit der Weimarer Republik vor ihrem Ende zu tun*. Darauf habe ich schon in meinem Beitrag „Muss unsere Demokratie aktuell verteidigt werden?“/22.1.24 hingewiesen.

Bei solchen Losungen, die bei ähnlichen Anlässen gegen Rechts immer wieder auftauchen, fällt mir die Fabel vom Hirtenjungen und dem Wolf ein** und zum gegebenen Anlass die Frage, wie es denn aussehen würde, wenn der Wolf wirklich auftauchen würde. Möglicherweise würde dieser eine ganz andere Physiognomie haben als 1933. Kurz: Der immer wieder bemühte Vergleich mit 1933 hinkt sowohl historisch wie auch politisch. Zudem ist er politisch gefährlich, weil er den Blick für andere, realere Gefahren trübt.

Um etwas Substanz in die Phantasmen von einer Machtübernahme durch die AfD zu bringen, hier die zurückliegenden Wahlergebnisse der AfD für Witten. Bei den Kommunalwahlen 2020 hatte die AfD in Witten einen Stimmenanteil von 4,67%/ 1.681 Stimmen und besetzt damit 3 Sitze im Rat, bei den Bundestagswahlen 2021: 7,2% Erststimmen = 4091 Stimen absolut, Zweitstimmen 7,27% = 3975 Stimmen absolut, bei den Landtagswahlen 2022: 5,33 Erststimmen = 2125 Stimmen absolut, Zweitstimmen 5,47% = 2185 Stimmen absolut. Die Stimmen für die AfD hielten sich also bei diesen Wahlen in einem sehr überschaubaren Bereich und gingen bei den Landtagswahlen im Vergleich zu den Bundestagswahlen in Witten sogar zurück.

Und auch bei den aktuellen bundesweiten Wahlumfragen haben die AfD-Werte von noch ca. 22% nichts mit 1933 tun. Ich erinnere daran, dass die Nazis nicht nur gewählt worden sind, sondern auch außerparlamentarisch paramilitärisch*** hoch organisiert (SA und SS) und in der damaligen Zivilgesellschaft tief verankert waren****.

Mein Fazit: Der bei der Auseinandersetzung mit der AfD immer wieder strapazierte Vergleich mit 1933 ist blanker Unsinn und trifft die AfD nicht. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD sollte in der Sache und nicht mit unzutreffenden Vergleichen erfolgen. Das Problem für die etablierten Parteien bei einer sachlichen Auseinandersetzung dürfte allerdings darin liegen, dass in vielen Punkten (z.B. Wirtschafts-, Sozialpolitik) die Programmatik der AfD – etwas radikaler – dem Mainstream entspricht.

*Zum Ende der Weimarer Republik siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_der_nationalsozialistischen_Machtergreifung.

**Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Hirtenjunge_und_der_Wolf.

***Paramilitärische Organisationen gab es auch von anderen Parteien: Für die SPD u.a. z.B. das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsbanner_Schwarz-Rot-Gold), für die KPD den „Roter Frontkämpferbund“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Frontk%C3%A4mpferbund). Die Auseinandersetzungen zwischen diesen paramilitärischen Organisationen führte in der Spätphase der Weimarer Republik zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

****Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Weimarer_Republik.