Piraten-Theater: Viel Lärm ohne Substanz

Am 27.2.19 behauptet die WAZ in ihrem Artikel „Im Rat gilt: Schnelles Mitschreiben verboten“: „In Witten ist es verboten, Wortlautprotokolle während der Ratssitzung anzufertigen“. Was ist davon zu halten?

Die Vorgeschichte wird in dem genannten Artikel kurz skizziert. Zusätzlich hier die Einlassung der Bürgermeisterin zu dieser Angelegenheit:

→ Mitschreibeverbot Mitschreibeverbot

→ Schreiben an Rechtsanwalt Schreiben an RAe 15.02.19

Mich stören an dem Vorstoß der Piraten folgende Punkte:

Wortlautprotokolle: Vorausgeschickt sei, dass es ja entsprechend der Geschäftsordnung des Rates/§ 13* wortgetreue offizielle Aufzeichnungen gibt. Deshalb ist es im Grunde vollkommen unerheblich, ob es sich bei privaten Mitschriften um Protokolle oder Wortlautprotokolle handelt. Entscheidend ist doch, wer derartige Protokolle autorisiert und wer im Streifall über die Richtigkeit des protokollierten Wortlauts entscheidet. Natürlich ist es jeder/jedem unbenommen, bei Ratssitzungen mitzuschreiben. Nur ist die Mitschrift dann seine Privatsache. Hätten die Piraten ihr Wortlautprotokoll ohne großes Getöse anfertigen lassen, hätten sie privat über ein Protokoll verfügt, sich aber nicht offiziell auf dieses berufen können**.

Fraktionsentscheidung: Wenn die Mehrheit der Fraktionen sich für eine bestimmte Interpretation der Geschäftsordnung entscheidet, sollte das bindend sein. Andernfalls besteht die Möglichkeit, Mehrheiten demokratisch zu ändern. Darauf zielt der Hinweis auf die nächste Wahlperiode ab: Die aktuell geltende Geschäftsordnung ist zu Beginn dieser Wahlperiode mit Mehrheit beschlossen worden und kann per Antrag oder zu Beginn der nächsten Wahlperiode geändert werden.

Kommunalaufsicht: Warum es die Piraten für demokratisch halten, in dieser Frage gegen eine Mehrheit der Fraktionen die Kommunalaufsicht einzuschalten und womöglich zu klagen, ist mir ein Rätsel. Der Wortlaut der Geschäftsordnung – siehe unten – erscheint mir ziemlich eindeutig. Von einem „grünen Himmel“ (Stefan Borggraefe) kann keine Rede sein. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es sich bei einer Klage – die ich nicht für zulässig halte – um eine Organklage auf Kosten des Steuerzahlers halten würde.

Transparenz: Dass ein privates Wortlautprotokoll zu mehr Transparenz führen würde, halte ich für fragwürdig. Eher ist Streit darüber vorprogrammiert, ob der protokollierte Wortlaut richtig protokolliert worden ist. Wirklich ärgerlich ist aus meiner Sicht aber die Unterstellung, es würde bei der einschränkenden Interpretation der Geschäftsordnung der „Wittener Politik“ darum gehen, sich nicht auf die Finger schauen zu lassen. Wer will da wem auf die Finger schauen? Die Piraten („Politik“) dem Rest der Politik („Politik“)? Als ob es Rats- und Ausschusssitzungen an Transparenz fehlen würde – der wirklich überwiegende Teil der Tagesordnungspunkte und Vorlagen ist öffentlich und steht der öffentlichen Beratung und Debatte offen (zum Thema Transparenz siehe meine Beiträge „Transparenz? Aber nicht mit geschlossenen Augen!“/12.2.14 und „Mehr Transparenz durch Übertragung von Ratssitzungen – eine zwieschlächtige Angelegenheit“/24.2.16)!

*Geschäftsordnung des Rates der Stadt Witten/§ 13/Film- und Tonaufzeichnungen:
(1) Als Hilfsmittel zur Anfertigung der Niederschrift werden die Ratssitzungen
aufgezeichnet. Der Rat kann im Einzelfall beschließen, von einer Aufzeichnung
abzusehen.
(2) Die Aufzeichnung ist nach der folgenden Ratssitzung zu löschen.
(3) Aufzeichnungen für sonstige Zwecke und Filmaufnahmen dürfen in den Sitzungen nur
mit Genehmigung des Rates gemacht werden.

**Was die Ernsthaftigkeit der Piraten-Aktion betrifft, entlarvt diese sich eigentlich selbst. Zitat WAZ: „Die Vorgeschichte: Für die Ratssitzung im November 2018 hatten die Piraten eine professionelle Parlaments-Stenografin engagiert – ein vor allem symbolischer Schachzug, um auf ihren Antrag für mehr Transparenz durch die Einführung eines ‚Rats-TV‘ aufmerksam zu machen.“ Eben: Symbolischer Schachzug – nicht ernsthaft.