Prüfaufträge – Soll sich doch die Verwaltung den Kopf zerbrechen!?
Am 12.9.15 berichtet die WAZ im Artikel „Freie Fahrt mit Bus und Bahnen zum Sonntagseinkauf“, dass der Antrag der Piraten „Fahrscheinlose ÖPNV-Nutzung an verkaufsoffenen Sonntagen“ im Verkehrsausschuss grundsätzlich auf positives Echo gestoßen sei. Was mag wohl eine breite Mehrheit dazu veranlasst haben, diesem Antrag/Prüfauftrag der Piraten zuzustimmen? Meine Vermutung: Mensch möchte Gestaltungswillen zeigen, hat einen scheinbar plausiblen Einfall – „Idee“ würde ich das nicht nennen – und reicht diesen an die Verwaltung per Prüfauftrag weiter. Soll die sich doch den Kopf zerbrechen!
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als Fraktionen keine Prüfaufträge, sondern definitive Beschlussvorschläge zur Abstimmung stellten. Und ich kann mich auch noch gut an Zeiten erinnern, wo Fraktionen gehalten waren, für ihre Vorschläge Finanzierungsoptionen zu unterbreiten. Vorteil bei diesem Verfahren war, dass Fraktionen sich vor Antragstellung sachkundig und sich Gedanken zu den finanziellen Folgen ihrer Anträge machen mussten. Antragstellung sollte schließlich kein Wunschkonzert und keine Beschäftigungstherapie für die Verwaltung sein.
Der Piratenantrag läuft aber auf beides hinaus. So wünschenswert eine Verminderung des MIVs (MIV = Motorisierter Individual Verkehr: Fahrzeugbewegungen, Parkplatzbelegung) an verkaufsoffenen Sonntagen (wie auch generell) ist: So ist das mit Sicherheit nicht zu erreichen.
Das fängt schon an mit dem Auftrag, die potentiellen Kosten zu errechnen. Welche Fahrgastzahl soll da zu Grunde gelegt werden: die bei der gegenwärtigen geringen Auslastung oder die bei der gewünschten verstärkten?
Weiter: Wer soll für die Kosten aufkommen? Die Stadt kann es nicht aus Haushaltsmitteln, weil es sich um eine zusätzliche freiwilliger Leistung handeln würde, und sie kann es auch nicht als Verteilungsinstanz, weil damit zusätzliche Personalkosten durch unterstützende Organisationsleistungen verbunden wären.
(Ich habe zu diesen Problemen schon in meinem Beitrag „Politischer Pfusch: ‚Fahrscheinlose ÖPNV-Nutzung an verkaufsoffenen Sonntagen‘“/21.8.15 Stellung genommen.)
Wer dann? Bleibt der Einzelhandel selbst. Nur: Zur Anregung einer Initiative des Einzelhandels bedarf es keiner Ratsbeschlüsse und Prüfaufträge an die Verwaltung, sondern einer möglichst kollektiven Aktion des Einzelhandels in Eigenregie. Eine Variante könnte sein, dass Geschäfte bei einem definierten Einkaufsvolumen den Fahrpreis bis zu einer bestimmten Höhe verrechnen, eine andere ein gemeinsamer Fonds des Einzelhandels. Allerdings habe ich in Bezug auf den Fonds meine Zweifel, ob der Wittener Einzelhandel zu einer solchen kollektiven Aktion fähig und bereit ist. Bekanntlich ist schon eine ISG (Immobilien- und Standortgemeinschaft) auch durch die fehlende Bereitschaft des Einzelhandels zur geschäftsübergreifenden Zusammenarbeit gescheitert.
Mein kommunalpolitisches Engagement begann übrigens mit der Rote-Punkt-Aktion 1971, die sich für einen „fahrscheinfreien“, steuerfinazierten ÖPNV einsetzte. Dazu schrieb ich in meinem Beitrag „Rote-Punkt-Aktion 1971 – So fing Vieles an“/2.1.13: „Mittlerweile habe ich auch als Kommunalpolitiker gelernt, dass z. B. in viel stärkerem Maß als damals gedacht auf die Binnenökonomie von Staatsapparaten – auch Kommunalverwaltungen – und öffentlichen Unternehmen zu achten ist.“ Manche müssen das offensichtlich noch lernen.