Kein Friede der Adolf-Reichwein-Realschule!?

Aktualisierung 25.11.15:

Der Rat hat leider mit Mehrheit am 23.11.15 für die Reduzierung der Zügigkeit der ARR gestimmt. Ich habe natürlich dagegen gestimmt (Gründe: s.u.).

Am 02.11.15 wird die Zügigkeit der Adolf-Reichwein-Realkschule auf der Tagesordnung des Jugendhilfe- und Schulausschusses stehen.

0373_V_16_Vorlage-1 TOP 6: Begrenzung der Anzahl gemeindefremder Schülerinnen und Schüler
Bedarfsgerechte Anpassung von Zügigkeiten der Realschulen

Die Zweizügigkeit, gegen die Ende 2014 massiv protestiert wurde, soll – nach den BM-Wahlen! – nun endgültig exekutiert werden. Die WAZ berichtet am 22.10.15 („Reichwein soll zweizügig werden“), dass der Protest erlahmt sei.

Wenn das so sein und die Vorlage beschlossen werden sollte, ist aus meiner Sicht die sachliche Grundlage der Entscheidung weiterhin problematisch. Sparzwang? Hier würde an falscher Stelle gespart. Schau’n wir, was sich ereignen wird und ob Eltern, Lehrerschaft und Schüler eine Fehlentscheidung ohne Widerstand hinnehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich an meine zurückliegenden Beiträge in dieser Angelegenheit erinnern:

Friede der Adolf-Reichwein-Realschule im Jahr 2015?/06.01.15

Friede der Adolf-Reichwein-Realschule (ARR) im Jahr 2015? Davon kann überhaupt keine Rede sein, denn für die Frage der Zügigkeit und damit der Attraktivität der Schule und der Qualität des Unterrichts gilt leider: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das sollten diejenigen berücksichtigen, die den Aufschub als Erfolg – womöglich fälschlicherweise der „Opposition“ – feiern.

Nach dem Massenprotest von Eltern, Lehrern und Kids gegen die Einschränkung der Zügigkeit zu Beginn der letzten Ratssitzung des vergangenen Jahres am 24.11.14 und nachdem der Protest durch einen geschickten Schachzug des Fraktionsvorsitzenden der SPD entschärft worden ist – Verhandlungen mit der Stadt Bochum über die Übernahme der Kosten der aus Bochum kommenden externen Schüler der ARR, Entscheidung je nach Ausgang der Verhandlungen im November 2015 -, läuft jetzt die Uhr.

→ WAZ 24.11.14:

„SPD-Fraktionschef Thomas Richter war es dann, der die Kuh als Erster vom Eis holte. Er schlug einen Kompromiss vor, nachdem ihn die Bezirksbürgermeisterin aus Bochum-Ost angeschrieben hatte, ob man die ganze Angelegenheit nicht für ein Jahr schieben könne, wenn der Bochumer Schulausschuss gleichzeitig prüft, ob die anfallenden Fahrtkosten nicht übernommen werden könnten. Man solle der Bochumer Politik doch Gelegenheit geben, ihren guten Willen zu zeigen, sagte Richter, und sprach sich – wie am Ende der Rat mit einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen – dafür aus, ein Jahr lang nichts an der Zahl der Eingangsklassen (drei) zu ändern.

Allerdings, das betonte Richter wie anschließend auch Lieselotte Dannert von den Grünen, sei es richtig, wenn die Wittener erst einmal die Steuern für Wittener Schulen mit Wittener Schülern zahlten. Dannert sprach sich für eine festgesetzte Schulpauschale aus, die andere Städte zahlen sollen, die ihre Schüler nach Witten schicken. Für Dannert lautet die entscheidende Frage am Ende: ‚Entlastet uns Bochum oder nicht?’“

Grundsätzlich ist es natürlich erst einmal gut, dass die Entscheidung vertagt worden und eine Atempause eingetreten ist. Allerdings gibt es aus meiner Sicht keinen Grund für die Schule, sich beruhigt zurück zu lehnen. Vor allem ist die Grundfrage nicht geklärt, ob die Kostenberechnung der Stadt Witten, die den Einschränkungsplänen zu Grunde liegt, überhaupt Sinn macht.

Bei genauem Hinsehen wird nämlich deutlich, dass Kosten in die Rechnung eingehen, die unabhängig von der Zügigkeit anfallen (Hausmeister, Schulsekretärin, Gebäudeunterhaltung). Diese Kosten könnten eigentlich nur bei Schließung und Verkauf der Schule eingespart werden (allerdings läuft bei der ARR ein PPP-Vertrag, der gekündigt werden müsste).

Das steht nicht auf der Tagesordnung. Schuldezernent Frank Schweppe, zitiert nach WAZ 26.11.14: „Er machte deutlich, dass ihm die Realschule sehr am Herzen liegt, habe er sie doch an diesem Standort ‚erfunden‘. An diesem ’schönen Angebot‘ will der Erste Beigeordnete weiter festhalten – wohlgemerkt für Wittener Schüler“. Glauben wir’s ihm.

Bleiben die Fahrtkosten pro externem Schüler aus Bochum, deren Volumen gering sein dürfte.

Sollte das Argument der Kostenersparnis zur Einschränkung der Zügigkeit führen, würden wieder einmal Schul-, Stadtqualität und eine nachhaltige Entwicklung dem Fetisch eines kurzfristigen und -sichtigen Sparzwangs und einer kleinlichen Kirchturm-Kostenverrechnung geopfert.

Deshalb sollte der Aufschub nicht von der Tatsache ablenken, dass der Denkansatz der Sparer und Verrechner grundfalsch ist. Ein qualitativ attraktives Bildungsangebot nutzt einer Stadt – und wenn einige externe Schüler zu dessen Aufrechterhaltung beitragen, umso besser.

→ Zur Qualität des Bildungsangebots der ARR folgende Zuschrift:

Von: Hardy Priester <hasi.priester@t-online.de>
Betreff: Adolf-Reichwein-Realschule

Nachrichtentext:
Lieber Herr Riepe,

bitte stimmen Sie am Montag in der Ratssitzung für den Erhalt der dreizügigen Adolf-Reichwein-Realschule!
Wir wollen unseren Schülerinnen und Schülern aus Witten und Bochum weiterhin anbieten, dass sie
• aus einem großen Angebot von WP-Fächern (Französisch, Informatik, Sozialwissenschaften und Technik) wählen können
• mit nicht ganz so vielen Schülerinnen und Schülern in einem Klassenraum sitzen müssen
• aus einem umfangreichen AG-Angebot auswählen dürfen
• weiterhin viele Angebote der Berufswahlorientierung nutzen können
• viele interessante Projekte unserer Schule besuchen dürfen
• nicht auf ihre Freunde aus Bochum verzichten müssen.
Bitte erhalten Sie eine bunte und vielfältige Schulgemeinschaft an der ARR, indem Sie für die Dreizügigkeit stimmen!

Mit besten Grüßen

Hardy Priester
(Studien- und Berufsorientierungs-Koordinator an der ARR)

Wie gesagt: Der Aufschub ist nur eine Atempause. Der Schule ist zu raten, sich während dieser Atempause auf den „worst case“ – die Einschränkung der Zügigkeit – und dessen Abwehr vorzubereiten.

Vielleicht klappt es ja doch mit der Kostenübernahme durch die Bochumer. Nur frage ich mich, wo die Grenzen dieses Hin- und Hergeschiebes von Kosten zwischen finanzschwachen Städten liegen werden (auch die Stadt Bochum hat enorme finanzielle Probleme, die durch das Wegbrechen von Opel nicht geringer werden dürften). Müssen wir in Zukunft z.B. Mautgebühren für die Nutzung Bochumer Straßen durch Wittener Bürger erwarten? Und natürlich umgekehrt für die Nutzung Wittener Straßen durch Bochumer Bürger? Ich vermute, dass dann bei dem Attraktivitätsgefälle zwischen den Städten die Bilanz zu Ungunsten Wittens ausfallen dürfte.“

Milchmädchenrechnung/10.04.15

Mensch wundert sich, was wohl im Kopf des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion und langjährigen Ratsmitglieds Thomas Richter vorgegangen sein mag. Am 31.3.15 berichtet die WAZ,
dass die SPD bei auswärtigen Schülern sparen will. Herr Richter rechnet: Jeder Schüler koste die Stadt 1.500 €/Jahr: Mache bei 750 auswärtigen Schülern pro Jahr über eine Million €.

Was ist an dieser Rechnung faul?

Die Verwaltung geht in der Antwort auf Anfragen der Piraten und des bürgerforums von 1.340,82 € Kosten pro Schüler aus.

→ Antwort der Verwaltung auf Anfragen Antwort der Verwaltung auf Anfragen Piraten bürgerforum

Die Kosten beziehen sich auf alle Schüler, also Wittener + auswärtige. Die Kosten beinhalten Fixkosten (Gebäudeunterhaltung, Schulsekretariate etc.) und variable Kosten (Fahrtkosten).

Vor diesem Hintergrund kann festgestellt werden:

Die Fixkosten würden sich durch Wegfall der 750 auswärtigen Schüler unmittelbar nicht vermindern (Deshalb spricht die Verwaltung in ihrer Antwort auch nur über Einsparmöglichkeiten durch Reorganisation – Schulschließungen? -, nennt aber vorsichtigerweise keine Summen). Folge des Wegfalls der Schüler wäre vielmehr eine Erhöhung des Fixkostenanteils für die verbliebenen Wittener Schüler pro Jahr.
Die für ein langjähriges und seit Jahr und Tag mit Wittener Haushalten befasstes Ratsmitglied erstaunliche Milchmädchenrechnung lässt sich vergleichen mit der Rechnung, die Infrastrukturkosten der Stadt (z.B. Kanalisation) und die damit verbundene Belastung der Bürger über die Verminderung der Einwohnerzahl senken zu können. Der paradoxe Effekt, dass die Kosten pro Kopf bei Verminderung steigen würden, sollte sich eigentlich mittlerweile auch bei SPD-Kommunalpolitikern herum gesprochen haben.

Bleiben die variablen Kosten als möglicherweise einzusparende Summe. Abgesehen davon, dass diese Summe sehr viel niedriger ausfallen dürfte als die behauptete „über eine Million €“ (die Verwaltung errechnet in ihrer Antwort bei 848 auswärtigen Schülern 77.502,20 €/Jahr = ca. 91 €/Schüler), sollten vor Einsparen die damit verbundenen Kollateralschäden für die betroffenen Schulen (z.B. Verminderung der Unterrichtsqualität durch Reduzierung des Angebots), die Stadt, die Eltern und die Schüler (Schulwege) berücksichtigt werden. In der Gesamtbilanz dürfte sich für die Stadt Witten ein Minus ergeben.

Merke also: Beim Sparen sollte mensch sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Sonst könnten Milchmädchenrechnungen nicht zu heilende Schäden für die Stadt verursachen. Sparen bei auswärtigen Schülern wäre ein eklatanter Fall von Sparen an der falschen Stelle.“