Rote-Punkt-Aktion 1971 – So fing Vieles an

So fing Vieles an.

→ Link: Auftaktrede zur Roten-Punkt-Aktion 1971 Meine Rede zum Auftakt der Rote-Punkt-Aktion 1971

Die Rede dokumentiert damals weit verbreitete politische Positionen.

Bei erneuter Lektüre fällt mir auf:

Einiges hat sich gravierend verändert:

– Mittlerweile haben sich die meisten sog. „realen Sozialismen“ (die keine waren) und mit ihnen auch die DKP aus der Weltgeschichte verabschiedet. Allerdings meinte dazu Theo Sommer (ZEIT/ca. 1994): Der Kapitalismus habe nicht gesiegt, sondern sei nur übrig geblieben.

Einiges war – abgesehen von der forcierten Sprache – im Grundsatz richtig und gilt heute noch:

– Mittlerweile sind die Reichen noch viel reicher geworden, und die „kleinen Leute“ zum Teil ein bisschen reicher, aber relativ und zum Teil absolut ärmer. Die Reichtumsverteilung – auch global – ist noch viel ungerechter geworden.

– Mittlerweile ist die umwelt- und ökologische Problematik (drohender Kollaps: Klimawandel etc.) immer stärker in den Vordergrund gerückt.

– Mittlerweile haben wir schwere Wirtschafts- und Bankenkrisen hinter uns – global und in Europa. Die Eurokrise schwelt.

– Mittlerweile wird immer deutlicher, in welchem Ausmaß öffentliche Aufgaben (nicht unbedingt deren Personal) unterfinanziert sind.

– Mittlerweile wissen wir, in welchem Ausmaß der unzureichende Ausbau des ÖPNV (Öffentlicher Personen Nahverkehr) zur Verschärfung der Umweltproblematik (Klimawandel) beiträgt.

Sogar einige Forderungen sind immer noch aktuell:

– eine effektive Steuerkontrolle;

– Steuererhöhungen an der richtigen Stelle, um dringend notwendige staatliche Aufgaben (z.B. Bildung, Infrastruktur einschließlich ÖPNV) zu decken;

– keine Verschwendung von staatlichen Geldern (die Drohnen-Affäre macht die Aktualität der Forderung deutlich).

Grundsätzlich war die Analyse etwas „unterkomplex“ (würde ein systemtheoretisch orientierter Sozialwissenschaftler sagen). Mittlerweile habe ich auch als Kommunalpolitiker gelernt, dass z. B. in viel stärkerem Maß als damals gedacht auf die Binnenökonomie von Staatsapparaten – auch Kommunalverwaltungen – und öffentlichen Unternehmen zu achten ist.

Die Rede wurde aus einem Auto per Lautsprecher vor einem gut gefüllten Rathausplatz gehalten. Nach Abschluss der Rede wurden die Schienen besetzt und über Tage durchaus mit Sympathie der Autofahrer Rote-Punkt-Bahnhöfe organisiert (um stehen gebliebene ÖPNV-Nutzer – auch diese waren weitgehend solidarisch – zu ihren Zielen zu transportieren). Die Aktion wurde dann gewaltsam durch Einsatz einer Hundertschaft beendet. Eine ganze Generation von Wittener Schülerinnen/Schülern und Studentinnen/Studenten – auch meine Person – bekam damals Kontakt mit den Gerichten.

Die Logistik der relativ komplexen Aktion wäre übrigens ohne die Unterstützung der DKP nicht möglich gewesen. Mein DKP-Beitritt war pragmatisch motiviert (siehe zur Vorgeschichte meine politische Biografie in „Warum dieser Blog“) und hatte nichts mit einer Bewunderung des „realen Sozialismus“ in der DDR zu tun. So schlau, um dessen Probleme und Schwächen zu erkennen, waren wir damals auch schon.

Allerdings habe ich die Beharrungskräfte und Reformresistenz unterschätzt. Mit deren Auswirkungen (vermittelt über den stalinistisch gebliebenen Kernapparat der DKP) wurde ich dann 1978 (Auseinandersetzung innerhalb der DKP um die Biermann-Ausbürgerung und mein darauf folgender Austritt/siehe dazu folgende Dokumentation) konfrontiert.