Klimaschutz: Starkregen (und Hitze) – welche Lehren?

In dem WAZ-Online-Artikel „Wo steht Witten beim Hochwasser- und Klimaschutz?“/23.7.21 (Wo steht Witten beim Hochwasser- und Klimaschutz) nimmt der Stadtbaurat zum Problem der Klimaanpassung in Witten Stellung. Die WAZ schreibt, es müssten Lehren aus der Jahrhundertflut gezogen werden, und zitiert den Stadtbaurat „Wir müssen unsere Aktivitäten zur Vorsorge und zum Risikomanagement verstärken“. Ich entnehme den Äußerungen des Stadtbaurats nur drei Stichworte: „Schwammstadt“, „Flächenentsiegelung“ und „begrünte Dächer“. Dazu zuerst ein Link zu einem Überblick, der die zu erwartenden zunehmenden Gefahren des Klimawandels deutlich macht: https://www.heise.de/news/Duestere-Aussichten-Wie-der-Klimawandel-Deutschland-veraendern-koennte-6143595.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE. Zu den Lehren aus meiner Sicht drei Anmerkungen:

– Wir können und müssen uns durch den weiteren Ausbau der defensiven baulichen Infrastruktur vor Schäden zu schützen versuchen, z.B. durch Anpassung des öffentlichen Kanalsystems und private Schutzmaßnahmen (Rückstauklappen, Versicherung). Nur haben solche Schutzmaßnahmen bei zunehmender Belastung ihre Grenzen. Erstens wären sie mit kontinuierlich steigenden Kosten verbunden, zweitens sind sie technisch nur bis zu einem bestimmtem Punkt in Städten ausbaufähig*, und drittens erhöhen sich die Versicherungskosten. Abgesehen davon leitet das Kanalsystem das Wasser nur ab, führt dieses also im Ernstfall den überflutungsgefährdeten Bächen und Flüssen zu und trägt dort noch zur Erhöhung der Schäden bei.

– Wir können und müssen versuchen, durch sanfte Vorsorgemaßnahmen die akute Belastung durch den Klimawandel zu mindern oder zu vermeiden. Ein Beispiel für eine Vorsorgemaßnahme gegen Starkregen und Überflutung ist das Konzept der Schwammstadt**, das aber auch gegen Hitze helfen dürfte. Das Konzept der Schwammstadt würde über die unmittelbaren Wirkungen (Wasserbindung, Verdunstung, Abkühlung) hinaus zudem die Belastung des öffentlichen Kanalsystems – und die mit einem Ausbau verbundenen Kosten für die Bürger_innen (Steuern, Abgaben) – und die Kosten für private Schutzmaßnahmen reduzieren.

– Der beste Schutz gegen Schäden des Klimawandels ist aber immer nach wie vor die möglichst schnelle(!) (örtliche, nationale und globale) Erreichung der CO2-Reduktionsziele (Klimaziele): Siehe dazu noch einmal den Antrag: „Beitrag der Stadt Witten zur Eindämmung der globalen Klimakrise“/in „Klimanotstand: Die Wende? Hoffentlich!“/8.7.19“: Antrag.

Abschließend will ich aber nicht verhehlen, dass sich weder durch den Ausbau der defensiven baulichen Infrastruktur noch durch eine konsequente Entsiegelung und Begrünung die durch den Klimawandel bedingten Schadensereignisse (wie der zurückliegende Starkregen) und Schäden 100%ig werden vermeiden lassen. Wir befinden uns eben jetzt schon mitten im Wandlungsgeschehen. Erreichbar wäre beim gegenwärtigen Stand bestenfalls eine Verminderung und Abschwächung der Intensität der Schadensereignisse und Schäden. Aber das wäre ja schon einiges!

*Der Stadtbaurat verweist richtigerweise darauf, dass das gesamte System (Kanäle) nicht auf hundertjährigen Regen ausgelegt sein kann. Das sei zu teuer. Die Formulierung „hundertjähriger Regen“ ist wohl falsch, weil sich die Schadensereignisse in Zukunft in kürzerer Frist häufen dürften, aber zu teuer und auch noch ineffektiv wäre diese Art der Defensivmaßnahme allemal, weil mit einer erhöhten Häufung und Intensität der Ereignisse zu rechnen ist. Soll auf die jeweils erhöhte Intensität dann reaktiv mit immer neuen und kosten intensiveren Ausbaustufen reagiert werden?

**Zum Schwammstadtkonzept siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwammstadt und  https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/Broschueren/tagungsdokumentation_muenster.pdf. Das Schwammstadtkonzept, konsequent umgesetzt, würde allerdings die Wittener Stadtentwicklung (einschließlich der Planungsaufgaben) gravierend verändern. Der Stadtbaurat spricht im WAZ-Artikel von einer neuen Form des Städtebaus und erwähnt „Entsiegelung“ und „Begrünung von Dächern“. Zur Wirksamkeit des Schwammprinzips dürfte es aber nicht reichen, im Rahmen eines „Klimafolgeanpassungskonzepts“ bei „Neubebauungen“ ausreichend Platz für Wasser zu schaffen. Notwendig wäre vielmehr der Schutz von noch vorhandenen Freiflächen vor einer Bebauung (die immer mit Versiegelung verbunden ist) und eine möglichst weitgehende Entsiegelung schon versiegelter Flächen.

In diesem Zusammenhang halte ich es für unumgänglich, einmal der Grad der Versiegelung im Wittener bebauten Bereich zu bestimmen (durch Vergleich des Anteils der versiegelten und noch nicht versiegelten Flächen einschließlich begrünter Dächer). In der Verkehrspolitik gibt es den Begriff des „Modal Split“. Der Modal Split bestimmt den Anteil der Verkehrsträger an der gesamten Verkehrsleistung. Beim Klimaschutz wird im Verkehrsbereich eine Verschiebung des Anteils zugunsten von Bahn, ÖPNV, Rad, Fußverkehr + Elektromobilität – zur Elektromobilität siehe aber meinen Beitrag „Elektromobilität – ein Patentrezept?“/4.8.19 – notwendig. Bei Stadtentwicklung und Städtebau – auch in Witten – müsste der Modal Split (Anteil versiegelte und nicht versiegelte Flächen einschließlich begrünter Dächer) konsequent zugunsten der nicht versiegelten Flächen und begrünten Dächer verschoben werden, um einen wirksamen Schwammstadt-Effekt zu erreichen. Sonst wird das nichts mit dem Schwamm-Effekt.