Macht der Bilder (?): Bebauungsdichte contra Klimaschutz

Ergänzung 13.8.21: siehe unten unter *.

Im Zusammenhang des laufenden Wahlkampfs wird immer wieder auf die angebliche Wirkung von Bildern hin gewiesen. Ich halte das in dieser Allgemeinheit für einen Mythos der Werbung – vor allem dann, wenn die manipulative Absicht von Bildern nur allzu deutlich wird: „Man merkt die Absicht und man ist verstimmt“ (Schauspiel „Torquato Tasso“ von Johann Wolfgang von Goethe). Es erhöht z.B. die Glaubwürdigkeit von Politikerinnen oder Politikern nicht, wenn sie fotowirksam Pseudoaktivität demonstrieren, heißen sie nun Laschet, Scholz oder Baerbock. Es gibt aber auch sehr instruktive Bilder, die für ein Problem sensibilisieren.

Durch Zufall fand ich in einem alten Heft der AKP (Alternative Kommunal Politik) vom Juli/August 1991 ein Bild, das die zunehmende Bebauungsdichte Hannovers von 1860 bis 1985 darstellt. Beeindruckend, weil es den zunehmende Grad an Wegfall von Freiflächen* und Versiegelung (Wohnbebauung, Gewerbe, Straßen) drastisch vor Augen führt: Hannover Entwicklung der Bebauungsdichte. Bis heute dürfte die Bebauungsdichte Hannovers noch erheblich zugenommen haben. Wie aber mittlerweile immer deutlicher wird – 1991 war das in damaligen grünen Zusammenhängen schon klar -, wird durch eine zunnehmende Bebauungsdichte der durch Freiflächen bewirkte Klimaschutz vor den Gefahren von Starkregen und Hitze reduziert.

Ich habe in meinem Beitrag „Klimaschutz: Starkregen (und Hitze) – welche Lehren?“/28.7.21 auf die Wichtigkeit des Erhalts und der Erweiterung von Freiflächen (Wiesen, Äcker etc.) für den Klimaschutz in Witten hin gewiesen. In diesem Zusammenhang wäre eine bildliche Darstellung der zunehmenden Bebauungsdichte Wittens von 1860 bis heute ähnlich der Darstellung der hannoverschen Entwicklung instruktiv**. Sie würde mit Sicherheit vor Augen führen, wie viel an Klimaschutzpotential im Laufe der Bebauung Wittens verloren gegangen und wie wichtig die Erhaltung und Ausweitung der verbleibenden Potentiale ist: Ein Ernstnehmen der wachsenden Gefahren der Klimakrise durch Verwaltung und Politik erfordert möglichst schnell ein konsequentes Umsteuern der Stadtentwicklung und planenden Flächenpolitik der Stadt in Richtung Klimaschutz.

Wie heißt es noch im Kommunalwahlprogramm der Wittener Grünen für die Kommunalwahl 2020: „Pro Jahr werden in Witten durchschnittlich 3.000 – 4.000 m² Freifläche versiegelt. Aber wir benötigen mehr entsiegelte Flächen und Raum für die Natur, auch um Regenwasser bei Starkregenereignissen im Grundwasser zu speichern statt in die Kanalisation zu leiten.“ Immerhin, eine Einsicht. Nur: Mit einem Weiter-So bei der Ausweisung von Neubauflächen – verbunden mit einem bisschen Ökokosmetik – wird es für einen wirksamen Klimaschutz da nicht getan sein***.

*Unter „Freiflächen“ verstehe ich alle nicht versiegelten und versickerungsfähigen Flächen. Zu den versiegelten Flächen gehören überbaute Flächen, aber auch asphaltierte und in anderer Weise undurchlässige Straßen und Plätze. Das nicht versiegelte Flächenpotential kann in Grenzen (!) durch Begrünung (z.B. Dachbegrünung, Straßenrandbegrünung etc.) erweitert werden. „Freiflächen“ sind also nicht gleich zu setzen mit „Freiraum“ (siehe dazu auf der Website der Stadt Witten das Stichwort „Freiraum“: https://www.witten.de/rathaus-service/buergerservice/dienstleistungen-a-z/dienstleistung/show/umwelt-und-freiraumplanung/, insbesondere den „Masterplan Freiraum“, erarbeitet im Zusammenhang von „Unser Witten 2020“).

**Meine Eltern haben Anfang der 60er Jahre auf dem Sonnenschein (Finkenstraße) ein Einfamilienhaus gebaut. Damals gehörte der Sonnenschein – vormals weitgehend Ackerfläche – zu den ersten großen Neubaugebieten der Stadt. Seitdem sind viele neue Wohn- und Gewerbegebiete mit entsprechender Versiegelung hinzu gekommen. Der Vöckenberg in Stockum und der Hevener Rand zur A 43 (siehe geltender Flächennutzungsplan: dort mögliche Wohnbebauung) zeigen, dass eine Ausweitung in immer problematischere Zonen (z.B. Verlust von Frischluftschneisen und Versickerungs-/Verdunstungspotential von nicht versiegelten Böden) vorstoßen würde.

***Die Festlegungen in der „Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Rat der Stadt Witten 2020-2025 zwischen SPD und Grünen“ sind aus meiner Sicht angesichts der Herausforderungen der Klimakrise vollkommen unzureichend (meine Anmerkungen in Rotfärbung):

„ – Erstellung eines Maßnahmen- und Projektplans zur Erreichung der Umwelt- und Klimaziele (z.B. über Bebauungspläne / städtebauliche Verträge und weitere energetische Sanierungen sowie die Verwendung klimaschützender Baumaterialien). (Und wenn weitere B-Pläne den Klimazielen widersprechen? Dann Klimaschädigung und hilflose Kosmetik?)

– Kein Ratsbeschluss für ein neues Gewerbegebiet am Vöckenberg (Das dürfte doch wohl für SPD und Grüne selbstverständlich sein! Die Erdbeerfelder in Heven sind aber doch wohl eingeschlossen?!). Gemeinsames Konzept zum Thema Wohnungsneubau mit dem Ziel der Minimierung von Flächenverbrauch. (Minimierung, aber doch Flächenverbrauch und Versiegelung? Zubau von Luftschneisen?)“