Bedarf Wohnbauflächen: Stadtbaurat neben der Sache

Manchmal bschleicht mich das ungute Gefühl, es bei Verwaltung und Rat der Stadt Witten mit Menschen zu tun zu haben, die des Lesens unkundig sind. Da berichtet die WAZ-Online am 12.3.21 (Klimaschutz_ Bauflächen sollen neu bewertet werden) über eine Auseinadersetzung im ASUK (Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klima) im Zusammenhang der Neubewertung der Bauflächen im Rahmen einer Wohnbauflächenpotentialanalyse (Vorlage Wohnbauflächenpotentialanalyse*): Herr Hasenkamp von der Fraktion Stadtklima habe angesichts des Bevölkerungsrückgangs den in der Vorlage ausgewiesenenen Bedarf von 1500 (eigentlich 1595 laut Vorlage/KR) neuen Wohneinheiten bezweifelt und festgestellt, dass die ganze Studie für die Tonne sei, wenn der Klimaschutz ernst genommen werden soll. Der Stadtbaurat habe diese Kritik zurück gewiesen, weil der Bedarf methodisch gründlich ermittelt und beschlossen worden sei.

Mal unabhängig von der methodischen Gründlichkeit der Bedarfsermittlung des Handlungskonzepts Wohnen, auf das sich der Stadtbaurat bezieht** (siehe dazu meine Beiträge „1600 neue Wohnungen und Häuser bis 2030?“/11.6.18 und „Kein Handlungskonzept, sondern unverbindliches Potpurri“/22.6.18), was ist denn da eigentlich im Jahr 2018 beschlossen worden (Ich habe selbstverständlich meiner Rede entsprechend im Ausschuss nicht zugestimmt)? Ich zitiere aus dem am 21.6.18 im damaligen ASUK beschlossenen Beschlussvorschlag (Hier die Beschlussvorlage Vorlage Handlungskonzept Wohnen): „Der Rat der Stadt Witten beschließt den dieser Vorlage als Anlage beigefügten Entwurf des Handlungskonzeptes Wohnen für die Stadt Witten gem. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB als Ergebnis eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes, das in der Bauleitplanung zu berücksichtigen ist.“

Also: Beschlossen worden ist 2018 ein Handlungskonzept. Ich suche in diesem Handlungskonzept die von der Verwaltung gebetsmühlenartig wiederholte Bedarfszahl von 1595 neuen Wohneinheiten bis 2030 und stelle fest, dass diese Zahl wohl als Prognose auf Seite 84 auftaucht, allerdings abhängig von einer bestimmten Einwohnerzahl und im Rahmen von von drei Szenarien, von denen zwei von einer geringeren Einwohnerzahl und einem geringeren Bedarf ausgehen.

Für mich heißt das konkludent, dass bei geringerer Einwohnerzahl sich gemäß Handlungskonzept auch der Bedarf verringert. Mittlerweile nähern wir uns (2021) dem zweiten Szenario***, bei dem es im Handlungskonzept S. 84 heißt: „Sinkt die Einwohnerzahl auf rd. 95.700 Einwohner, entwickelt sich Ersatzbedarf zur tragenden Säule des quantitativen Wohnungsbedarfs. Auf Grundlage der Prognose von IT.NRW ergibt sich bis 2030 ein Wohnungsbedarf in Höhe von 600 Wohneinheiten. Dieser Bedarf resultiert jedoch vor dem Hintergrund der stabilen Haushaltszahl und bestehenden Wohnungsüberhängen im Ausgangsjahr aus dem Ersatzbedarf, der in dieser Variante zur tragenden Säule des Wohnungsbedarfs in Witten wird“.

Nicht umsonst enthält der Beschluss vom 21.6.18 die Verpflichtung auf ein Monitoring. Hätte das entsprechend der Beschlussvorlage stattgefunden, könnte wohl kaum mehr von 1595 Wohneinheiten (bis 2030) angesichts der offensichtlich zurück gehenden Einwohnerzahlen die Rede sein. Eine Flächenpotentialanalyse, die ohne Berücksichtigung der veränderten Rahmenbedingungen von 1595 notwendigen Wohneinheiten ausgeht, ist also auf dem Sprung, ein gemessen am Bedarf überflüssiges Flächenpotential auszuweisen. Und das wäre sicher klimaschädlich, wenn es für eine Bebauung und Versiegelung genutzt würde.

Insofern ist die Kritk der Fraktion Stadtklima richtig und der Konter des Stadtbaurats neben der Sache: Peinlicherweise auch neben der Sache in Bezug auf die Beschlusslage 2018 und das Handlungskonzept Wohnen, dass die beanspruchte Zahl von 1595 Wohneinheiten bis 2030 als feste Größe eben nicht vorgibt.

*Vorlage Wohnbauflächenpotentialanalyse: Vorlage Wohbauflächenpotentialanalyse. Ich bin gespannt, was bei der Neubewertung (siehe WAZ-Artikel oben) der Potentialanalyse bei stärkerer Berücksichtigung des Klimaaspekts nach 6 Monaten heraus kommt.

**Handlungskonzept Wohnen: https://www.witten.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/sta62/WIFOE/HKW_Witten_UEberarbeitung_final.pdf

***Siehe mein Beitrag „Zwischen Zaunkönigweg und Hauptfriedhof: Neue Flächenversiegelung bitte nicht!„/5.3.21.