Verkennung des Bedarfs an Sozialwohnungen?

In einem WAZ-Leserbrief (15.3.21) las ich im Zusammenhang der Auseinandersetzung um die Flächenpotentialanalyse die Einlassung eines Schlaumeiers, diejenigen, die den Wohnungsbedarf anzweifeln würden, hätten den durch das Auslaufen der Bindung von Sozialwohnungen entstehenden Bedarf nicht erkannt und damit den Bedarf verkannt.

Der Schlaumeier meint offenbar den Bedarf an preiswertem Wohnraum. Aber erstens sind schon gegenwärtig die Mieten im Sozialen Wohnungsbau nicht besonders preiswert, und zweitens hat der Schreiber offenbar selbst verkannt, dass es sich bei der Fördermodalität des Sozialen Wohnungbaus um eine Immer-wieder-Neubedarfs-Schaffungs- und Proft-Generierungs-Machine handelt*. Denn wenn im Sozialwohnungsbestand die Bindungen regelmäßig nach einiger Zeit auslaufen, müsste neuer gebundener Bestand gebaut werden, um den Wegfall auszugleichen, und wenn die Bindungen dieses Bestands wieder auslaufen, wieder neuer – potentiell ins Unendliche.

Und da der alte Bestand nur in seltenen Fällen abgerissen wird (und damit Flächen für Neubau frei macht), sondern von den Bestandseigentümern mit erhöhten Mieten lukrativ verwertet werden kann (Stichwort: Vonovia), führt ein solches Verfahren natürlich zu einer immer wieder erneuten zusätzlichen Flächenversiegelung und -vernutzung. Wo sollen dann nach Meinung des nicht verkennenden Schreibers die permanent wieder fehlenden Sozialwohnungen errichtet werden, um einen künstlich, über einen verfehlten Fördermodus erzeugten Bedarf zu befriedigen? Wohl gar irgendwann – statt Gewerbegebiet – am Vöckenberg in Stockum oder auf den Erdbeerfeldern in Heven?

Aber Scherz (?) beiseite: Es ist nicht immer „sozial“ drin, wo „sozial“ drauf steht, und manchmal hilft auch etwas Nachdenken, um Sackgassen der Stadtentwicklung nicht zu verkennen.

*Zur Bedarfsdeckungsillusion des Fördermodus Sozialer Wohnungsbau siehe mein Beitrag „Sozialwohnungen – eine Lösung für die Aufhebung des zu erwartenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum für ärmere MieterInnen*?“/2.2.18.