Zwischen Zaunkönigweg und Hauptfriedhof: Neue Flächenversiegelung bitte nicht!

Am 4.3.21 finde ich in der WAZ-Online den Artikel „Anwohner kämpfen weiter gegen Neubaugebiet“. Eine Anwohnerin verweist auf die nächste Sitzung des ASUK (am 11.3.21). Ich sehe mir die Tagesordnung an und stelle fest, dass das Ergebnis einer „Wohnbauflächenpotentialanalyse“* unter TOP 2 auf der Tagesordnung steht (https://secure.stadt-witten.de/session/bis/si0057.asp?__ksinr=2463). In dieser Analyse werden potentielle Wohnbauflächen bewertet und priorisiert. Die Fläche, um die es den Anwohner_innen geht, findet sich unter dem Titel „Fläche M_1: Mitte, Am Hauptfriedhof / Zaunkönigweg“ auf Seite 104 ff. der Analyse. Sie wird priorisiert.

Meine Position: Die Anwohner_innen haben alles Recht der Welt, sich mit aller Kraft gegen die Bebauung dieser Fläche einzusetzen. Das Aufstellungsverfahren des B-Plans sollte so schnell wie möglich gecancelt werden. Warum?

Auf einem Foto sehe ich eine große, grüne, landwirtschaftliche genutzte Fläche und unter den Beurteilungskriterien lese ich folgende Beschreibung „in Planungshinweiskarte als Ausgleichsraum Grünfläche und Grünvernetzung dargestellt; Charakterisierung in Klimaanalyse als Freilandklima“. Ich fasse es nicht. Diese Fläche soll für Geschosswohnungsbau und Ein- und Zweifamilienhäuser geopfert werden ? Und das jetzt, nach allen Erkenntnissen über die Schädlichkeit immer weiterer Flächenvernutzung (Versiegelung) für Nachhaltigkeit und Klima? Sind Grünflächen, Grünvernetzung und Freilandklima nebensächliche Aspekte der Stadtentwicklung? Doch wohl nicht:

– Erstens spricht gegen eine Bebaung der Fläche die dringende Notwendigkeit eines konsequenten Klimaschutzes (Siehe die oben genannte Beschreibung der Fläche). Eine Bebauung wäre schädlich, weil sie wieder einmal den Klimaschutz unterminieren würde (Stichwort auch „Frischluftschneise“ aus dem WAZ-Artikel). Im übrigen kann auch mittlerweile knappes Ackerland nicht mehr als minderwertiges Areal und als ohne negative Folgen vernutzbar angesehen werden.

– Zweitens spricht gegen eine Bebaung die fehlende Notwendigkeit neuer Wohnungen und Häuser. Die aus dem „Handlungskonzept Wohnen“ der Stadt Witten immer wieder beschworene Zahl von 1600 notwendigen neuen Wohnungen und Häusern bis 2030 in Witten hat sich schon längst angesichts der Einwohnerentwicklung als obsolet erwiesen. Die Einwohnerzahl in Witten lag 2020 bei 96.095 Einwohnern (https://www.it.nrw/statistik/eckdaten/bevoelkerung-nach-gemeinden-93051) und dürfte eher weiter zurück gehen. Dass bei dieser sich abzeichnenden Entwicklung keine Notwendigkeit mehr besteht, fanatisch neue Wohnbaulandflächen auszuweisen**, belegt das „Handlungskonzept Wohnen“ selbst: Siehe dazu mein Beitrag „Wohnungsbedarf bis 2030 geringer als prognostiziert“/20.2.20. Das gilt auch für die in Rede stehende Fläche.

*Die „Wohnbauflächenpotentialanalyse“ scheint mir bei Beauftragung und Anfertigung der Vorgabe zu folgen „Wir machen weiter wie bisher, egal was kommt. Gründe lassen sich immer hexen. Lernen und Selbstkritik kennen wir nicht“. Siehe dazu auch mein Beitrag „„Neusprech“: Aus gut wird schlecht, aus schlecht wird gut“/28.6.19.

**“Wohnbauflächenpotentialanalyse“? Mich lachen auf den Fotos der meisten analysierten Potentialgebiete intakte grüne Flächen an, deren Erhalt auch aus Klimaschutzgründen wünschenswert ist. Die fanatische Suche nach neuem Wohnbauland sollte doch eigentlich nach der langsam dämmernden Einsicht in die Schäden des Zubaus und der Flächenversiegelung für die nachhaltige Entwicklung unserer Städte (Siehe dazu mein Beitrag „Zersiedelung? Zersiedelung!“/16.2.21) und nach dem Klimanotstand (Siehe dazu mein Beitrag „Klimanotstand: Die Wende? Hoffentlich!“/8.6.19) der Vergangenheit angehören.

Übrigens ist in der „Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Rat der Stadt Witten 2020-2025“ zwischen SPD und Grünen  unter „1. Witten wird familienfreundlicher“ folgende Formulierung zu finden: „- Schaffung von neuem, bezahlbaren Wohnraum (sozialer Wohnungsbau/Einschub von mir: Zum sozialen Wohnungsbau siehe mein Beitrag „Sozialwohnungen – eine Lösung für die Aufhebung des zu erwartenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum für ärmere MieterInnen*?„/2.2.18) in attraktiven Wohnlagen (ohne soziale Brennpunkte zu schaffen).“ Die doch für eine nachhaltige Stadtentwicklung Wittens zentrale Problematik einer Flächenvernutzung und -versiegelung bei zunehmend knapper werdenden Flächen fällt in diesem Papier vollständig unter den Tisch. Also dann gemeinsam (SPD und Grüne: Beide Parteien sind sowohl im Rat wie auch in den Ausschüssen mehrheitsfähig) ran an die weitere Flächenvernutzung und -versiegelung bis 2025? Wie familienfreundlich empfinden dieses Vorgehen denn wohl Familien, deren Wohnstandort – das betrifft beim Zubauen von Grünflächen und Frischluftschneisen auch die Gesamtstadt! – unattraktiver und ungesünder wird? Ob bei den Wittener Grünen das Problembewusstsein Anton Hofreiters (s.o. den Beitrag „Zersiedelung? …) noch nicht angekommen ist? Ich bin gespannt, wie sich die Wittener Grünen zur „Wohnungsbauflächenpotentialanalyse“ und speziell zu der in Rede stehenden Fläche verhalten werden.