BM-Wahl 13.9.2015: Qualität der „Kleinen“

Ich frage mich manchmal, was in den Köpfen mancher Menschen vorgehen mag. Als ich 1999 als Unabhängiger für das Bürgermeisteramt kandidiert habe, habe ich mich bemüht, ein vor dem Hintergrund meiner damaligen Kenntnisse und Erfahrungen sach- und problemorientiertes Programm zu entwickeln und über Anzeigen für die Wählerinnen und Wähler transparent zu machen. Zu den Ergebnissen der Wahl 1999 siehe mein Beitrag „Nichts ohn‘ Ursach …„/14.3.13. Die Finanz- und Haushaltskrise der Stadt war 1999 bei weiten noch nicht so weit fortgeschritten wie heute. Deshalb fehlte eine Ptogrammposition zur Finanz- und Haushaltskrise. Siehe dazu aber den entsprechenden Psogrammabschnitt im Programm des bürgerforums und die einschlägigen Beiträge auf dieser homepage.

Mein Programm Bürgermeisterwahl 1999: Programm BM Wahl 1999

Wie sieht das bei den jetzt bekannten Kandidaten aus?

Auf die SPD-Farce Schweppe gegen Leidemann will ich hier nicht eingehen (Sach- und Fachkenntnis kann bei beiden – bei aller politischen Kritik meinerseits – vorausgesetzt werden). Siehe dazu meine Beiträge „BürgermeisterInnenwahl 2015…“/24.2.15, „Peinlicher Kandidaturen-Hype“/19.3.15, „Kommunale Selbstverwaltung …“/3..6.15, „BM-Wahl 13.9.15: Kompetenzen …“/13.9.15.

Mich interessieren an dieser Stelle die „kleinen“ Kandidatinnen und Kandidaten: also bisher zwei unabhängige Kandidaten, ein Kandidat der Piraten und eine Kandidatin der Linken. Wie steht es mit deren sach- und problemorientierten Programmen? Was haben diese Menschen zu bieten?

Walter Budziak (unabhängiger Kandidat) in der WAZ vom 5.3.15:

Budziak macht bei seiner Vorstellung deutlich, dass er bisher mit Wittener Kommunalpolitik und Kommunalpolitik generell nichts zu tun hatte. Problemkenntnis: Null.

Es gehe meist nicht mehr um die Sache? Schon ein schlichter Blick in die öffentlich zugänglichen Unterlagen der Ausschüsse hätte ihn belehren können, dass es bei allen politischen Differenzen fast immer um die Sache geht. Welche Sachen meint Budziak?

Die Abgabenlast müsse gesenkt werden? Wer dies fordert, rennt bei allen kommunalpolitisch Aktiven in Witten sicher offene Türen ein, sollte aber etwas über Stärkungspakt, Schuldenlast (aktueller Schuldenstand ca. 360 Mio. €) und Kommunalaufsicht (Genehmigungspflicht für Haushalte) wissen. Auch sollte eine Ahnung über die möglichen unangenehmen Folgewirkungen (Zurückfahren von bürgernahen Dienstleistungen) vorhanden sein.

Das Auskunftsmittel Kommunal-Anleihe hat Budziak wahrscheinlich selbst nicht verstanden. Sollen die Bürger die überschuldete Stadt beleihen ? Mit welchem Geld sollen Zinsen und Tilgung in welcher Höhe an Bürger gezahlt werden? Oder ist an zinslose Darlehen gedacht – das wäre für die Bürger als Kreditgeben ein Verlust? Und worin würde sich eine Kommunal-Anleihe von den jetzigen niedrig verzinslichen Krediten unterscheiden, mit denen sich die Stadt krampfhaft über Wasser hält?

Bei der Forderung nach Bürgerkonferenzen macht sich die Ortsferne des Bochumers bemerkbar. Bürgerkonferenzen hat es in der Vergangenheit hinreichend gegeben – fragt sich nur, mit welchen Konsequenzen. Und was sind bei einer Forderung nach „Gründung einer Gesellschaft Wittener Leistungsträger“ in den Augen von Budziak Nichtleistungsträger? Haben die dann weniger Rechte?

Fazit: Kein sach- und problemorientiertes Programm. Budziak ist als BM* ungeeignet.

Sven Busch (unabhängiger Kandidat) in der WAZ vom 13.3.15:

Busch betreibt offensichtlich eine Joke-Kandidatur. Stichworte: Abriss des Rathauses und Neubau als „Gläserner Bierkrug“, grüne Ampeln immer und überall. Soweit ist die Kandidatur nicht ernst zu nehmen. Problem ist nur: Die Bürgermeisterkandidatur und die Arbeit eines zukünftigen BM sind kein Witz.

Was die Eignung als BM betrifft, erübrigt sich jegliche Wertung.

Stefan Borggraefe (Pirat) in der WAZ vom 1.5.15:

Auch hier nur die Offenbarung von Unkenntnis, Fehlinformationen und Floskeln.

Fehlinformation:

Seine Partei habe bei den Wahlen 2014 erstmals zwei Mandate errungen.
Das stimmt so nicht. Genau genommen hat seine Partei originär (Stimmenanteil) nur ein Mandat errungen. Das zweite ist ihr über Überhangmandate zugefallen.

Verständlichere Aufbereitung des Haushalts: Das das nicht stimmt, kann jeder über die homepage der Stadt nachprüfen. Vor allem: Was ist da zu verstehen? Der Zahlensalat oder die Schieflage des Wittener Haushalts? Bei einem Bürgermeisterkandidaten wäre es schon interessant, etwas über anvisierte Lösungen der Wittener Haushaltskrise zu erfahren.

Help-Kiosk: Daran waren viele beteiligt.

Distanzierung des Rates vom alternativen Wissenskongress: Daran waren auch viele beteiligt.

Dann aber die programmatische Kernaussage: „Unsere Stadt hat großes Potential, aber eingefahrenen Strukturen müssen aufgebrochen werden und der Schlingerkurs der letzten Jahre ein Ende haben“. Aber wie, Kandidat? Mensch fasst sich angesichts dieser Worthülsen an den Kopf.

Noch wohlwollendes Fazit: Kein sach- und problemorientiertes Programm. Borggraefe ist als BM gänzlich ungeeignet.

Ulla Weiß (Linke) in der WAZ vom 2.6.15:

Auch hier fragt mensch sich angesichts der programmatischen Aussagen verzweifelt, ob Frau Weiß – immerhin langjähriges Kreistagsmitglied und Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen im Kreistag, jetzt Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat der Stadt Witten – überhaupt schon in der Wittener Kommunalpolitik angekommen ist. Sich für die sozialen Belange der Stadt stark machen? „Gegen Armut, gegen Leiharbeit, für eine gerechte Bezahlung?“. Wie soll das geschehen? Und „konsequente Umweltpolitik“? Auch in diesem Zusammenhang würde mensch gern mehr wissen.

Grundsätzlich: Eine BM ist keine Partei. Das, was Frau Weiß vorträgt, ist nicht mehr als ein ziemlich dünnes politisches Wahlprogramm ohne Bezug auf das Amtsprofil eines Bürgermeisters. Auch hier: Kein sach- und problemorientiertes Programm. Fazit: Als Bürgermeisterin ungeeignet.

Abschließend: Was sollen diese Kandidaturen?. Ein bisschen ernsthafter sollte mensch schon an eine nicht unbedeutende Kandidatur heran gehen, und ein bisschen mehr Mühe sollte sich mensch auch geben.

*in der Folge für Bürgermeisterin/Bürgermeister