Friede der Adolf-Reichwein-Realschule im Jahr 2015?

Friede der Adolf-Reichwein-Realschule (ARR) im Jahr 2015? Davon kann überhaupt keine Rede sein, denn für die Frage der Zügigkeit und damit der Attraktivität der Schule und der Qualität des Unterrichts gilt leider: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das sollten diejenigen berücksichtigen, die den Aufschub als Erfolg – womöglich fälschlicherweise der „Opposition“ – feiern.

Nach dem Massenprotest von Eltern, Lehrern und Kids gegen die Einschränkung der Zügigkeit zu Beginn der letzten Ratssitzung des vergangenen Jahres am 24.11.14 und nachdem der Protest durch einen geschickten Schachzug des Fraktionsvorsitzenden der SPD entschärft worden ist (Verhandlungen mit der Stadt Bochum über die Übernahme der Kosten der aus Bochum kommenden externen Schüler der ARR, Entscheidung je nach Ausgang der Verhandlungen im November 2015), läuft jetzt die Uhr.

→ WAZ 24.11.14: „SPD-Fraktionschef Thomas Richter war es dann, der die Kuh als Erster vom Eis holte. Er schlug einen Kompromiss vor, nachdem ihn die Bezirksbürgermeisterin aus Bochum-Ost angeschrieben hatte, ob man die ganze Angelegenheit nicht für ein Jahr schieben könne, wenn der Bochumer Schulausschuss gleichzeitig prüft, ob die anfallenden Fahrtkosten nicht übernommen werden könnten. Man solle der Bochumer Politik doch Gelegenheit geben, ihren guten Willen zu zeigen, sagte Richter, und sprach sich – wie am Ende der Rat mit einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen – dafür aus, ein Jahr lang nichts an der Zahl der Eingangsklassen (drei) zu ändern.

Allerdings, das betonte Richter wie anschließend auch Lieselotte Dannert von den Grünen, sei es richtig, wenn die Wittener erst einmal die Steuern für Wittener Schulen mit Wittener Schülern zahlten. Dannert sprach sich für eine festgesetzte Schulpauschale aus, die andere Städte zahlen sollen, die ihre Schüler nach Witten schicken. Für Dannert lautet die entscheidende Frage am Ende: ‚Entlastet uns Bochum oder nicht?’“

Grundsätzlich ist es natürlich erst einmal gut, dass die Entscheidung vertagt worden und eine Atempause eingetreten ist. Allerdings gibt es aus meiner Sicht keinen Grund für die Schule, sich beruhigt zurück zu lehnen. Vor allem ist die Grundfrage nicht geklärt, ob die Kostenberechnung der Stadt Witten, die den Einschränkungsplänen zu Grunde liegt, überhaupt Sinn macht.

Bei genauem Hinsehen wird nämlich deutlich, dass Kosten in die Rechnung eingehen, die unabhängig von der Zügigkeit anfallen (Hausmeister, Schulsekretärin, Gebäudeunterhaltung). Diese Kosten könnten eigentlich nur bei Schließung und Verkauf der Schule eingespart werden (allerdings läuft bei der ARR ein PPP-Vertrag, der gekündigt werden müsste).

Das steht nicht auf der Tagesordnung. Am 26.11.14 zitiert die WAZ Schuldezernent Frank Schweppe: „Er machte deutlich, dass ihm die Realschule sehr am Herzen liegt, habe er sie doch an diesem Standort ‚erfunden‘. An diesem ’schönen Angebot‘ will der Erste Beigeordnete weiter festhalten – wohlgemerkt für Wittener Schüler“. Glauben wir’s ihm.

Bleiben die Fahrtkosten pro externem Schüler aus Bochum, deren Volumen gering sein dürfte.

Sollte das Argument der Kostenersparnis zur Einschränkung der Zügigkeit führen, würden wieder einmal Schul-, Stadtqualität und eine nachhaltige Entwicklung der Stadt dem Fetisch eines kurzfristigen und -sichtigen Sparzwangs und einer kleinlichen Kirchturm-Kostenverrechnung geopfert.

Deshalb sollte der Aufschub nicht von der Tatsache ablenken, dass der Denkansatz der Sparer und Verrechner grundfalsch ist. Ein qualitativ attraktives Bildungsangebot nutzt einer Stadt – und wenn einige externe Schüler zu dessen Aufrechterhaltung beitragen, umso besser.

→ Zur Qualität des Bildungsangebots der ARR folgende Zuschrift:

„Von: Hardy Priester <hasi.priester@t-online.de>
Betreff: Adolf-Reichwein-Realschule

Nachrichtentext:
Lieber Herr Riepe,

bitte stimmen Sie am Montag in der Ratssitzung für den Erhalt der dreizügigen Adolf-Reichwein-Realschule!
Wir wollen unseren Schülerinnen und Schülern aus Witten und Bochum weiterhin anbieten, dass sie
• aus einem großen Angebot von WP-Fächern (Französisch, Informatik, Sozialwissenschaften und Technik) wählen können
• mit nicht ganz so vielen Schülerinnen und Schülern in einem Klassenraum sitzen müssen
• aus einem umfangreichen AG-Angebot auswählen dürfen
• weiterhin viele Angebote der Berufswahlorientierung nutzen können
• viele interessante Projekte unserer Schule besuchen dürfen
• nicht auf ihre Freunde aus Bochum verzichten müssen.
Bitte erhalten Sie eine bunte und vielfältige Schulgemeinschaft an der ARR, indem Sie für die Dreizügigkeit stimmen!

Mit besten Grüßen

Hardy Priester
(Studien- und Berufsorientierungs-Koordinator an der ARR)“

Wie gesagt: Der Aufschub ist nur eine Atempause. Der Schule ist zu raten, sich während dieser Atempause auf den „worst case“ – die Einschränkung der Zügigkeit – und dessen Abwehr vorzubereiten.

Vielleicht klappt es ja doch mit der Kostenübernahme durch die Bochumer. Nur frage ich mich, wo die Grenzen dieses Hin- und Hergeschiebes von Kosten zwischen finanzschwachen Städten liegen werden (auch die Stadt Bochum hat enorme finanzielle Probleme, die durch das Wegbrechen von Opel nicht geringer werden dürften). Müssen wir in Zukunft z.B. Mautgebühren für die Nutzung Bochumer Straßen durch Wittener Bürger erwarten? Und natürlich umgekehrt für die Nutzung Wittener Straßen durch Bochumer Bürger? Ich vermute, dass dann bei dem Attraktivitätsgefälle zwischen den Städten die Bilanz zu Ungunsten Wittens ausfallen dürfte.