Haushalt 2014 – Sparkommissar ante portas? Thesen zum Haushaltspanentwurf 2014

Wie bekannt, ist Witten verpflichtet, als seit 2010 überschuldete Stadt am Stärkungspakt teilzunehmen. Wie auch bekannt, ist Witten verpflichtet, einen – ich betone: plausiblen – Sanierungsplan vorzulegen, um die Zuschüsse aus dem Stärkungspakt zu rechtfertigen

Wie weiter bekannt, beinhaltet der geforderte Sanierungsplan die Auflage, bis 2016 einen ausgeglichenen Haushalt unter Einbeziehung der Vollzuschüsse, bis 2020 unter Einbeziehung degressiver Zuschüsse zu erreichen. Zweck der Übung ist es, den wachsenden exorbitanten Schuldenanstieg, insbesondere den Anstieg der Kassenkredite, in den Griff zu bekommen. Das ist der Sinn der Hilfe.

Der jetzt zur Abstimmung stehende Sanierungsplan zeigt, dass sich meine Einschätzung bezüglich des letzten Sanierungsplans bestätigt hat. Dieser beruhte nicht nur auf dünnem, sondern von vornherein brüchigem Eis. Jetzt ist das Eis gebrochen und die Stadt steckt eigentlich bis zu den Hüften im Eiswasser.

Wenn  der Kämmerer signalisiert, der Haushaltsausgleich könne frühestens 2020 erreicht werden – natürlich unter Einberechnung der Zuschüsse des Stärkungspakts –, und vorgezogen 2017 nur, wenn die laufenden Koalitionsverhandlungen zusätzliches Geld generieren, dann ist das ein Offenbarungseid. Ein Sanierungsplan, der auf offensichtlich ungelegten Eiern beruht, ist eben keiner, sondern ein Fake. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Land und Bezirksregierung – sprich: Kommunalaufsicht –  eine solche Verhaltensweise gefallen lassen können? Wenn das passieren würde, würde das gesamte Stärkungspakt-Projekt ad absurdum geführt.

Angesichts des Ausbrechens aus den Vorgaben des Sanierungsplans steuern wir bei Verabschiedung des Haushalts und Sanierungsplans 2014 mindestens auf einen nicht genehmigten Haushalt zu. Ich warne aber davor, die Nichtgenehmigung als einzige Konsequenz zu unterstellen. Da das Land selbstverständlich nicht die Spendierhosen an hat, fragen ich mich, was mit den ja nicht unerheblichen Zuschüssen passiert, wenn die Vorgaben des Stärkungspakts nicht eingehalten werden, und wir fragen uns auch – Stichwort Nideggen –, wie lange der Sparkommissar nur vor der Tür steht.

Bleibt die Frage zu beantworten, was zu dieser katastrophalen Lage geführt hat? Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend für die Erfolg versprechenden Auswege aus der Krise.

Ich höre häufig bei Gesprächen über die finanzielle Situation der Stadt Witten, dass es ja allen Kommunen schlecht ginge. Das stimmt insoweit, als alle Kommunen unterfinanziert sind und durch Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips mit zusätzlichen, kostenwirksamen Ausgaben belastet werden. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, warum von den 396 Städtern und Gemeinden in NRW nur 34 pflichtig am Stärkungspakt teilzunehmen gezwungen sind und von den 34 Witten zu denjenigen Städten gehört, die im Ruhrgebietsvergleich am frühesten in die Überschuldung reingerasselt sind.

Das, was alle betrifft, kann wohl kaum die Ursache für die besondere Schieflage unserer städtischen Finanzen sein. Als Ursachen kommen auch nicht Probleme des Strukturwandels und eine besonders schlechte Einnahmesituation in Frage. Die Stadt Witten ist wirtschaftlich dank erfolgreicher Unternehmen und fleißiger Arbeitskräfte relativ gut aufgestellt, und auch bezüglich der Einnahmen liegt Witten im guten Mittelfeld.

Was ist dann die Hauptursache der Dauerkrise? Antwort: Die Höhe der Personalkosten, die auch in den nächsten Jahren – siehe Kämmererprognose – den Haushalt in wachsendem Maß belasten, vom Konsolidierungspfad abbringen und immer erneute schmerzhafte Einschnitte bei den Dienstleistungen und erhöhte Aufwendungen durch die Bürger provozieren wird. Ist es nicht erstaunlich, dass nach Kämmererprognose trotz erheblichem Personalabbau – allerdings von einem im Städtevergleich Spitzenniveau – die Personalkosten im Jahr 2020 erheblich höher liegen werden als gegenwärtig?

Meine Diagnose: Solange bei den Peronalkosten – und eben nicht Zahl der Stellen – keine Wende erfolgen wird, werden die Vorgaben des Stärkungspakts selbst bei krampfhaftem Löcherstopfen auf Kosten der Bürger  und den damit verbundenen Kollateralschäden nicht   eingehalten werden können. Nur durch eine spürbare absolute Reduzierung der Personalkosten – auf welchem Weg auch immer – kommen wir und mit uns die Bürgerinnen und Bürger aus dem Einwasser hinaus.

Erläuternde Zahlen:

In der Projektion des Kämmerers vom 27.1.12 sind die Personalkosten wie folgt angesetzt:

 

2011

2012

2013

2014

2015

Personalaufwendungen und Versorgungsaufwendungen

67.949.052

68.664.762

69.571.558

70.469.651

71.101.775

 

2016

2017

2018

2019

2020

Personalaufwendungen und Versorgungsaufwendungen

71.101.775

72.838.992

73.644.930

76.960.493

78.015.568

Differenz 2013 – 2020: ca. 7 Mio.

In der Projektion des Kämmerers (Änderungsliste HFA 18.11.13) sind die Personalkosten wie folgt angesetzt:

 

2011

2012

2013

2014

2015

Personalaufwendungen und Versorgungsaufwendungen

Vorl. Ergebnis:

57.492.466

70.363.549

72.166.204

72,382.703

 

2016

2017

2018

2019

2020

Personalaufwendungen und Versorgungsaufwendungen

72.556.123

72.344.167

72.071.986

74.321.086

74.866.742

Schuldenentwicklung der Stadt Witten:

Schuldenstand Stadt Witten/Haushaltsplanentwurf 2014/Vorbericht  S. 10/11/12/Angaben in TEUR

 

2014

2015

2016

2017

Liquiditätskredite

321.165

338.511

344.693

348.189

Investitionskredite

  69.708

(davon Darlehen KuFo   6.803)

  67.089

  64.799

  66.511

Aufnahme Investitionskredite

     1.671

    2.227

    6.556

    5.880

Tilgung Investitionskredite

     4.290

    4.517

    4.844

    5.141

Gesamtverschuldung

388.254

403.310

411.204

415.439

– Liquiditätskredite sind kurzfristige Kassenkredite, die angesichts der Defizite (Differenz Einnahmen/Ausgaben) zur Finanzierung laufender Ausgaben (Personalausgaben, Sachkosten, Transferaufwendungen) dienen.

– Investitionskredite sind Kredite für längerfristige investive Maßnahmen.

Zum Vergleich die Entwicklung der Zinszahlungen:

 

2013

2014

2015

2016

2017

Zinsen für Liquiditätskredite

    4.432

    6.681

    8.872

    8.620

  10.856

Zinsen für Investitionskredite

    3.643

    3.155

    3.041

    3.078

    2.967

Sonstige

    3.411

    3.587

    4.312

    1.802

    1.609

 

  11.486

  13.423

  16.552

  13.500

  15.432

In den Anstieg der Kredite und die damit verbundenen Zinszahlungen sind die Zuschüsse aus dem Stärkungspakt (7,2 Mio. €/Jahr bis 2016, danach degressiv) eingerechnet.

Siehe zu diesem Thema auch meine Beiträge „Tarifverhandlungsbedingte Gehaltserhöhungen der Stadtverwaltung – alles easy?“. „Nach uns die Sintflut …„/April 2013, „Schwebt unsere Bürgermeisterin …„/Mai 2013, „Das Unglück nimmt seinen Lauf„/August 2013, „Ausgepresst wie eine Zitrone?…„/August 2013, „Stärkungspakt – Teufelswerk?„/Oktober 2013 und „Mit vodoo zur Haushaltsgenehmigung?„/Dezember 2013