Klimanotstand: Der Berg kreißte und gebar – bisher – ein Mäuslein
Am 2.7.19 hat der Rat der Stadt Witten folgenden Antrag „Beitrag der Stadt Witten zur Eindämmung der globalen Klimakrise“ beschlossen (Antrag Antrag, Niederschrift Niederschrift_oeffentlich), mit dem in Witten praktisch der Klimanotstand ausgerufen worden ist. Der Antrag ist vor allem deshalb gut und hat es in sich, weil er der Verwaltung vor dem Hintergrund genauer Fristen (und Zwischenfristen, siehe Punkt 1 unten) klare Vorgaben machte, um eine Dämpfung und mögliche Abwendung der Klimakrise (lokal und als Solidarbeitrag global) herbei zu führen.
Ich war angesichts meiner Erfahrung mit der Wittener Politik und Verwaltung gespannt, was daraus werden würde. Würde das doch drängende Problem wieder per „Weiter so“ ausgesessen? Würde es wieder in mehr oder weniger symbolischen und unwirksamen Häppchen klein gearbeitet?
Kürzlich hat die Verwaltung am 12.2.20 in Form einer öffentlichen „Mitteilung“ skizziert, wie sie sich das weitere Vorgehen vorstellt („Sachstand und weiteres Vorgehen“). Was ist davon zu halten? Sehen wir genauer hin:
Punkt „Allgemein“: Hier handelt es sich um eine unverbindliche Good-Will-Erklärung.
Punkt 1 „Beschlussvorlagen“: Der Ansatz ist löblich. Allerdings wäre es angesichts der Fristen sinnvoll, nicht nur die allgemeinen Wirkungen auf den Klimaschutz (doch wohl sowohl positiv wie negativ?) darzustellen, sondern auch die Qualität der Wirkungen für die Fristerreichung. Denn der beschlossene Antrag beinhaltet nicht nur das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050, sondern Zwischenziele: -40% bis 2025, -60% bis 20140.
Punkt 2 „Klimaschutzmanagement“: Super, der Bezug auf das Klimaschutzkonzept von 2013 – immerhin 7 Jahre (!) zurückliegend. Ich hatte schon einmal darauf verwiesen, dass in dieser Zeit kaum eine Maßnahme umgesetzt worden ist – im Gegenteil ist einiges angerichtet worden, was den Klimaschutz unterlaufen hat („Klimanotstand: Die Wende? Hoffentlich!“/8.7.19). Und die Fortschreibung ist erst einmal eine wieder unverbindliche, weil nicht mit einer Zeitvorgabe versehene Ankündigung.
Was die personelle Ausstattung des Klimaschutzes innerhalb der Verwaltung anbetrifft, ist deren Verbesserung (Vollzeitstelle) zu begrüßen. Nur: Auch eine Vollzeitstelle macht noch keinen Klimafrühling. Der würde organisatorisch erst erreicht durch handfeste und tiefenwirksame organisatorische Maßnahmen, deren Richtung ich in meinem Beitrag „Klimaschutzmanagement mit Durchgriffskompetenzen – eine Voraussetzung für wirksamen Klimaschutz“/10.7.19 angedeutet habe. In einem weiteren Beitrag finden sich Hinweise auf Sünden der Vergangenheit: „Klima- und Umweltschutz in Witten – eine leidige Geschichte“/10.7.19. Ein Hauptproblem sehe ich allerdings in der Haltung der Stadtspitze zum Klimaschutz. Die Bürgermeisterin als konsequente Klimaschützerin? Da lachen doch die Hühner.
Punkt 3 „Nachhaltige Mobilitätsstrategie“: Wer das Klimaschutzkonzept von 2013 kennt, weiß, dass der Verkehr für die Erreichung der Klimaschutzziele absolut zentral ist. Deshalb sind die Ausführungen zur Elektromobilität und zum Radverkehrskonzept* schlicht lächerlich (Fahrradbügel, Markierungen; auch hier dürfte gelten: Eine Stelle macht noch keinen Klimafrühling). Das Gleiche gilt für das Wortgeklingel zum „integrierten Mobilitäts- und Parkraumkonzept“.
Würde hier jetzt schon gemessen, wäre das Ergebnis wahrscheinlich desaströs. Ganz am Rande sei hier nur darauf hingewiesen, dass nicht der Fahrradverkehr als solcher dem Klimaschutz dient, sondern die Nutzung des Fahrrads dann, wenn parallel die CO2-Produktion durch den MIV (motorisierter Individualverkehr) – und natürlich auch den LKW-Verkehr – massiv zurückgeht (das Argument gilt auch für den ÖPNV).
Punkt 4 „Klimaanpassungsstrategie und klimagerechte Stadtplanung“: Die Beauftragung eines Klimaanpassungskonzepts ist ok.
Bei der Entsiegelung, Renaturierung, Dach- und Fassadenbegrünung würden die laufenden und geplanten konkreten Maßnahmen (Konzepte mit Zeitplanung) interessieren, genau so wie bei der angesprochenen Schritt-für-Schritt-Umwandlung des Forstes in Richtung ökologische Vielfalt und Anpassung an den Klimawandel und bei der „innerstädtischen Begrünung“ durch die Parkanlagen (Die Stadt verfügt bekanntlich über ausbaufähige städtische Grünzüge!).
Und die Straßenbäume? Leider war es in der Vergangenheit so, dass durch Krankheit oder aus anderen Grünen weggefallene Straßenbäume mit dem Hinweis auf knappe Finanzen nicht immer ersetzt wurden. Dabei wäre für den Klimaschutz nicht nur deren umgehender Ersatz wünschenwert, sondern ein Plus an Anpflanzungen.
Punkt 5 „Energetische Sanierung“: Dies ist der einzige Bereich, bei dem ich den Eindruck habe, dass jenseits des Wortgeklingels konkrete und wirksam Maßnahmen laufen. Ob sie zureichend sind, dürfte sich bei den Messungen heraus stellen.
Punkt 6 „Benennung von Auswirkungen, Messbarkeit und Messbarmachung“: Einer der wichtigsten Punkte, weil durch Messung Handlungsnotwendigkeiten verdeutlicht werden können. Ich erinnere an die Fristen (s.o.). Wann ist ein Ergebnis der Arbeiten des RVR an der CO2-Bilanz zu erwarten?
Punkt 7 „Bürgerschaftliche Initiativen“: Auch sog. „bürgerschaftliche Initiativen“ stehen unter Fristdruck, wenn sie nicht zu bloßen mehr oder weniger netten Gesprächsrunden verkommen sollen. Auf keinen Fall würde es aber aus meiner Sicht vertretbar sein, wenn Politik und Verwaltung Konzept- und Handlungsverantwortung an bürgerschaftliche Initiativen delegieren.
Punkt 8 „Finanzierung“: „Entsprechende Aufwandsreduzierung bei anderen Aufgaben“? Soll das eine Drohung sein? Natürlich müssen Finanzmittel bei einer derart prioritären Aufgabe wie dem Klimaschutz zur Sicherstellung der Wirksamkeit eingesetzt und unter Umständen umgeschichtet werden. Gerade an diesem Punkt dürfte sich zeigen, wie ernst es die Stadt mit dem Klimaschutz nimmt.
Symbolische Aktiönchen wie das Pflanzen eines Apfelbäumchens zum Klimaschutz (WAZ-Online berichtet am 10.3.20: „Witten: Stadt pflanzt ein Bäumchen für den Klimaschutz“ Witten_ Stadt pflanzt ein Bäumchen für den Klimaschutz), dürften da nicht reichen. Aber diese Angelegenheit wird ja erst den Nachkommunalwahl-Haushalt 2021 – hoffentlich – umtreiben.
*Siehe zum vorliegenden Radverkehrskonzept der Stadt Witten die Website der Stadt/Planen, bauen & Wohnen/Verkehr/Radverkehrskonzept