Klima- und Umweltschutz in Witten – eine leidige Geschichte

Manchmal ist es nicht schlecht, länger dabei zu sein, und manchmal führt dieses „Dabei-gewesen-sein“ eher frustrierenden Einschätzungen. So auch in Bezug auf die Bedeutung und Wirksamkeit des Wittener Umweltschutzes (Klimaschutz schließe ich ein) in Verwaltung und Politik. Sehen wir uns die Geschichte genauer an.

Ich bin 1989 als Grüner Mitglied des Rates der Stadt Witten geworden. Damals gab es – übrigens bei absoluter Mehrheit der SPD, aber sicher in Reaktion auf gute Wahlergebnisse der Grünen – ein veritables selbständiges Umweltamt und einen eigenständigen Umweltausschuss neben einem Planungs- und Stadtentwicklungsausschuss (PSA) in weiser Erkenntnis, dass bauliche Stadtexpansion und andere umweltrelevante Aktivitäten der Stadt häufig nicht mit Umwelt- und Klimaschutz konform geht und Umweltbelangen ein eigenes Stimmrecht vorbehalten werden sollte*.

Ich bin dann 1999 nach einer unabhängigen Bürgermeisterkandidatur (3.349 Stimmen, 8,4%, siehe dazu meinen Beitrag „Nichts ohn‘ Ursach – …/14.4.13) aus dem Rat ausgeschieden. 1999 schrumpften die Wittener Grünen von 8300 Stimmen (1994) auf 2700 Stimmen, die Fraktion von 7 Mitgliedern auf 4. 1999 wurde aber auch Klaus Lohmann als erster hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt Witten gewählt.

Eins der ersten Ergebnisse dieser Konstellation war die Liquidation des Umweltamts** und das Canceln des Umweltausschusses. Das ehemalige Umweltamt wurde in eine Umweltabteilung umgewandelt und dem Ordnungsamt im Dezernat 3 (Dezernent Schweppe, immerhin noch unabhängig vom Baudezernat) zugeordnet, später dann dem Dezernat 4 (Baudezernat, jetzt Stadtbaurat Rommelfanger) eingegliedert. Der Umweltausschuss ging im heutigen Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) auf. Damit war natürlich die Präsenz eigenständiger Umweltbelange in der Verwaltung und politischen Gremienstruktur geschwächt.

Gegen den Widerstand der Grünen? Weit gefehlt. Von den Wittener Grünen war zumindest öffentlich kein Protest zu vernehmen. Ich gehe davon aus, dass es diesen Widerstand bei der Nähe der damaligen Grünen zu Klaus Lohmann auch nicht gab***.

In den Folgejahren fokussierte sich die schrumpfende Umweltabteilung immer mehr auf die „konstruktive“ Begleitung der laufenden baulichen Expansion, genauso wie die Mehrheitspolitik im ASU. Und die Wittener Grünen? Die begnügten sich über die folgenden Wahlperioden damit, im Windschatten der SPD ihr grünes Organisationsbiotop zu hegen und jedem Aufmucken der Bürger eins drüber zu geben – bis zum Jubel der Fraktionsvorsitzenden Birgit Legel-Wood über „Witten 2020“ (Stadtentwicklungskonzept/STEK), den wirklich nicht umweltfreundlichen FNP und – 2009 – den Beitritt der Wittener Grünen zur sog. Kooperation der Vernunft 2009 – 2014**** (zur Rolle der Wittener Grünen siehe auf dieser homepage die Chronologie „Warum dieser Blog“ und diverse Beiträge zu den Grünen).

Dass unter diesen Umständen der Wittener Umwelt- und Klimaschutz zum Aschenputtel der Wittener Kommunalpolitik verkommen ist, nimmt nicht Wunder. Vielleicht und hoffentlich deutet sich mit dem Antrag „Beitrag der Stadt Witten zur Eindämmung der globalen Klimakrise“ ja eine Wende an. Nur: Über eine stärkere Verankerung des Umwelt- und Klimaschutzes in der Verwaltung und in den Gremien muss dringend nachgedacht werden, wenn die Ankündigungen nicht im „Neusprech“ und Aussitzen versanden sollen.

Vielleicht führt das ja 2020 (nach der Kommunalwahl) angesichts der ja mittlerweile auch im Antrag zugestandenen Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes zur Rekonstruktion eines Umwelt- und Klimaschutzamtes und eines Umwelt- und Klimaschutzausschusses (der dann auch das Klimaschutzmanagement gegen mögliche Widerstände politisch unterstützen könnte), und vielleicht findet ja Aschenputtel seinen Prinzen oder seine Prinzessin.

Ein erster Schritt wäre sicher die bessere Ausstattung des Klimaschutzes mit Personal und Durchgriffskompetenzen (siehe dazu mein Beitrag „Klimaschutzmanagement mit Durchgriffskompetenzen …“/10.7.19).

*Diese Konstruktion führte dazu, dass der Umweltausschuss manchmal eine kritischere Position zu Projekten vertrat als der PSA. Die Einheit musste dann erst „ausgedealt“ werden. Das war keine stromlinienförmige Lösung für die bauliche Expansion und andere umweltrelevante Aktivitäten (z.B im Bereich der Verkehrspolitik), sollte es aber – speziell aus Sicht der damaligen Grünen – auch nicht sein: Umweltamt und Umweltausschuss gaben Umweltbelangen eine starke und potentiell widerständige Stimme innerhalb der Verwaltung und der politischen Gremienstruktur.

**Gleichzeitig wurde die damalige (ungeliebte und unbequeme) Amtsleiterin – übrigens SPD-Mitglied – in die Wüste geschickt.

***Übrigens waren 1999 die seitdem amtierende Fraktionsvorsitzende der Grünen Birgit Legel-Wood und die aktuell amtierende Fraktionsvorsitzende der Wittener Linken Ulla Weiß noch ein Herz und eine Seele. Ja, wenn’s um gemeinsame „Feinde“ geht! Klaus Lohmann war das damals nicht (siehe zur Vorgeschichte meinen Beitrag „Ohne Krücken geht es nicht …/6.8.13).

****“Wir finden, dass Witten die schönste Stadt an der Ruhr ist – und so soll es bleiben. Dafür haben sich Grüne, SPD und WBG zusammengesetzt und viele inhaltliche Überschneidungen festgestellt. Um gemeinsam die Zukunft unserer Stadt zu bewegen, arbeiten diese drei Partner an einer Kooperation der Vernunft.“