Karl-Marx-Platz: Wenn’s nicht passt, wird’s passend gemacht!

Am 5.12.18 fand sich in der WAZ folgender Artikel: „Stadt Witten will Parkplatz an der Breite Straße verkaufen“: Stadt Witten will Parkplatz an der Breite Straße verkaufen

Die Denke Wittener Planer_innen ist manchmal höchst eigenartig. Beispiel: Karl-Marx-Platz. Ich wohne in der Nähe und bin froh darüber, dass der Platz neu gestaltet und aufgewertet werden soll. Für mich existiert eine klare aktuelle Platzgrenze: die Breite Straße. Das, was jenseits der Straße (städt. Parkplatz und grüne Insel) liegt, gehört nicht mehr zum Platz.

Wittener Planer_innen visionieren das ganz anders. Sie stülpen dem Areal eine alte Platzgestalt über, bei der der Platz nicht durch eine Straße zerschnitten wurde, und tun so, als sei die Straße gar nicht vorhanden. Warum? Doch wohl nur, um die geplanten Straßenrandbebauung entlang der Breite Straße (denn genau darum handelt es sich) aufzuwerten.

Aber stimmt das Konzept? Wird hier eine Baulücke geschlossen und ein Stück Stadtreparatur vollzogen, wie der Stadtbaurat behauptet? Und werden die ursprünglich zusammenhängenden Platzflächen wieder stärker miteinander verbunden? Auch noch mit einem repräsentativen Eingangsbereich und einem gepflasterten Vorplatz? Meine Antwort: Da stimmt aber auch gar nichts:

Eine Baulücke ist in den vergangenen Jahrzehnten noch niemandem aufgefallen. Im Gegenteil: Es war gut, dass sich vor dem städtischen Parkplatz eine grüne Insel entwickelt hatte und der Platz durch eine Bebauung nicht verschattet wurde. Und wenn jetzt die grüne Insel wegrasiert werden soll, wäre das keine Stadtreparatur, sondern ein Anschlag auf das Mikroklima im Quartier.

Weiter: Welche ursprünglich zusammenhängenden Platzflächen über eine der intensivst befahrenen Straßen (innerstädtischer Ring!) stärker miteinander verbunden werden sollen, bleibt den Visionen des Stadtbaurats vorbehalten. Manchen Planern_innen fällt bei Platzgestaltungen immer wieder der Marktplatz von Siena ein. Nur: Abgesehen von dessen ganz anderer Randbebauung und anderem Zuschnitt – der Markplatz von Siena gehört zu einem der weltweit schönsten Plätzen -, wird der nicht durch eine Straße zerschnitten. Kurz: Wo keine zusammen hängende Platzfläche war, sollte mensch sie auch nicht hin phantasieren.

Und schließlich der repräsentative Eingangsbereich mit einem gepflasterte Vorplatz: Die zukünftigen Mieter werden glücklich sein, dass sie dem Lärm der Breite Straße voll ausgesetzt sein werden und einen wunderbaren Blick auf diese Straße haben. Jenseits der Straße liegt dann der neu gestaltete Karl-Marx-Platz, auf den die Bewohner sehnsuchtsvolle Blicke werfen können. Das Ziel der Sehnsucht zu erreichen, dürfte allerdings angesichts der Verkehrsdichte etwas schwierig werden, es sei denn – Italien scheint ja bei Planer_innen beliebt zu sein – nicht Siena, sondern Venedig wird in den Focus genommen: Über die Straße wird einfach eine Art Rialto-Brücke (oder doch eher Seufzer-Brücke?) gebaut.

Scherz beiseite und Fazit: Hier soll entgegen aller anders lautenden Beteuerungen (Stadtbaurat: „Die Stadt will hier kein Tafelsilber meistbietend verkaufen.“) mit viel kosmetischer Rhetorik städtisches Tafelsilber an den Meistbietenden verkauft werden. Mich würde – wenn schon Verkauf – vor allem interessieren, ob mein Alternativvorschlag mit weitgehendem Erhalt der grünen Insel (siehe mein Beitrag „‚Kante‘ als Leitlinie leider beschlossen“/Mein Redebeitrag/22.6.18) Chancen hätte, wenn sich ein Investor darauf einlassen würde.

Oder sind Lage des Gebäudes, repräsentativer Eingangsbereich und gepflasterter Vorplatz planerisches Dogma, weil jede freie und grüne Fläche im Innenstadtbereich mit Gebäuden zugeknallt werden muss (siehe zur Wichtigkeit von Stadtgrün auch mein Beitrag „Implementationsdefizit“/5.12.18)?

Abschließend zur Informationspolitik der Stadtverwaltung: In dem WAZ-Artikel findet sich die Formulierung: „Private Bebauung und die Neugestaltung des Karl-Marx-Platzes sollen dort in den nächsten Jahren Hand in Hand gehen. Die erste Initiative für das Hohenzollernviertel, wie sie es gern nennen, kam von den Bewohnern selbst.“ Hier wird der Eindruck erweckt, als sei die private Bebauung auf breite Zustimmung der Bürger_innen gestoßen. Wie das mit der Initiative der Bewohner und der Zustimmung für die private Bebauung wirklich ausgesehen hat, macht folgende Dokumentation „Dokumentation Perspektive Karl-Marx-Platz 14. März 2017“, S. 13 deutlich: 2017-04-18 Karl-Marx-Platz Dokumentation.