„Kante“ als Leitlinie leider beschlossen

Ergänzung 24.6.18*

Am 21.6.18 hat der ASU mit großer Mehrheit der Vorlage „839/Karl-Marx-Platz“ zugestimmt. Ich sah mich leider gezwungen, die Vorlage und die Folgevorlage zum Verkauf der Grundstücke abzulehnen. Die Gründe finden sich schon in meinem Beitrag „Geplante Bebauung gegenüber dem Karl-Marx-Platz: Die grüne Insel muss erhalten bleiben!“/8.6.18 und in meinem Redebeitrag, weil die Vorlage ein Junktim zwischen der auch von mir begrüßten Leitlinie für die Umgestaltung des eigentlichen Platzes und der Randbebauung der Breite Straße („Kante“) enthält, die ich in der von der Verwaltung vertretenen Form für falsch und schädlich halte.

Eine winzige Chance, den Schaden zu vermeiden, gibt es noch: In der Vorlage 846 (Vermarktungsbeschluss) heißt es: „Vorgesehen ist eine Konzeptausschreibung, bei der neben dem Kaufpreisgebot auch städtebauliche und architektonische Kriterien in die Bewertung einfließen. Die Gewichtung soll bei 51% für den Kaufpreis und bei 49% für das städtebauliche Konzept liegen.“ Abgesehen davon, dass die 51% ein Indiz dafür sind, dass der Kaufpreis entscheiden wird, findet sich ja vielleicht unter den Konzepten eins, das mehrheitsfähig ist und bei dem die grüne Insel erhalten bleibt.

Mein eigener Vorschlag (Verschiebung des Baukörpers, grüne Insel als kleiner Park) jedenfalls ist als Kompromiss zwischen Bebauung und Grünerhalt im Quartier und der Innenstadt gedacht.

Hier mein Redebeitrag:

„Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

„Attraktives, urbanes, grünes und gesundes Wohnen mit kurzen Wegen im mittleren Ruhrgebiet – so lautet die Überschrift des im Rahmen des Handlungskonzepts Wohnen entwickelten Leitbilds für die Wittener Wohnungspolitik.“ So ein Zitat aus dem „Handlungskonzept Wohnen Witten 2030“, S. 96.

Ich betone: Attraktiv, urban, grün und gesund!

Wenn bei Wohnungsbauprojekten diese Kriterien nicht konsequent berücksichtigt werden, führt das unter Umständen zu einem Widerspruch zu Quartiers-gestaltungs-, Gesundheits- und Umweltbelangen.

Was heißt das in Bezug auf die geplante Bebauung der städtischen Grundstücke an der Breite Straße gegenüber dem Karl-Marx-Platz?

Ein Bedarf an z.B. Senioren- oder Studentenwohnungen ist auch für mich unbestritten.

Genauso wichtig ist für mich aber auch der Erhalt und die Ausweitung von Grün besonders in der Innenstadt.

Eine gesunde Stadt impliziert eben nicht nur die sog. Gesundheitswirtschaft (von medizinischen Dienstleistungen bis zu Fitnesscentern), sondern die Schaffung einer möglichst gesunden urbanen Lebensqualität: gesunde Luft, gesundes Klima und hohe Aufenthaltsqualität der Quartiere!

Gibt es also bei einer geplanten Bebauung einen Widerspruch zwischen Bedarf und Quartiersgestaltungs- und Umweltbelangen?

Antwort: Je nachdem.

Das Areal mit den zur Bebauung vorgesehenen städtischen Grundstücken gliedert sich in zwei Abschnitte:

– Eine im Frühling, Sommer und Herbst grüne Insel mit entwickeltem Baumbewuchs, die sich quasi als Geschenk der Natur wild entwickelt hat. Ich zähle mindestens 9 große Bäume;

– und ein unter Umweltgesichtspunkten mittlerweile wertloser Parkplatz.

Ein Widerspruch ergibt sich aus meiner Sicht dann, wenn der Entwurf der vorliegenden Machbarkeitsstudie umgesetzt und die bestehende grüne Insel mit ihrem entwickelten Baumbestand und ihrem positiven Einfluss auf Klima und Aufenthaltsqualität des Quartiers weitgehend rasiert wird.

Kein Widerspruch ergibt sich, wenn das Planerdogma einer Platzkante aufgegeben, der Parkplatz vollständig für eine Bebauung genutzt, die grüne Insel zur Breite Straße hin erhalten bleibt und zu einem kleinen Park aufgewertet wird – quasi als grünes Entrée oder grüne Ergänzung für die geplante Wohnbebauung.

Um das zu erreichen, sollte eine andere Anordnung des Baukörpers möglich sein. Dazu müsste der Hauptbaukörper nur nach hinten versetzt werden.

Mir ist z.B. unklar, warum ein Grünbereich in der Machbarkeitsstudie hinten eingequetscht mit Blick auf die Wand des Weichenwerks dargestellt wird.

Also statt einer „Kante“ eine bauliche Umarmumg des Karl-Marx-Platzes mit einer grünen Insel als Platzergänzung unter Berücksichtigung von „grün und gesund“!

Dies speziell auch, weil von der ehemaligen Frischluftschneise durch Weichenwerk, Drei-Könige und Bebauung nichts mehr übrig bleiben wird.

Ich erinnere: Die Begründung zum B-Plan Drei Könige spricht von einer „Beeinflussung des Wärmehaushalts mit der Folge einer Verstärkung der innerstädtischen Wärmeinsel“*.

Ich bin mir sicher, dass vor diesem Hintergrund eine andere Anordnung des Baukörpers mit Erhalt der grünen Insel für das Quartier und die zukünftigen Bewohner des Neubaus – ob Senioren oder Studenten – besser und gesünder wäre als eine Wohnsituation, die das Rasieren der grünen Insel in Kauf nimmt und sich ungeschützt zu einer Straße mit intensivem Verkehr öffnet.

Um es abschließend bezogen auf die Vorlage auf den Punkt zu bringen:

Den Konzepten zur Neugestaltung des eigentlichen Karl-Marx-Platzes könnte ich grundsätzlich zustimmen. Für mich ist allerdings der Erhalt der grünen Insel entscheidend.

Da die Machbarkeitsstudie diesen Erhalt nach meiner Wahrnehmung nicht garantiert, die Vorlage aber in der Begründung ein Junktim zwischen Neugestaltung des Platzes und „Kante“ entsprechend der Machbarkeitsstudie vorsieht, kann ich der Vorlage 839 nicht zustimmen.

Das Gleiche gilt für die Verkaufsvorlage, die mir vom Grundstückszuschnitt her auf die Machbarkeitsstudie zugeschnitten zu sein scheint.“

*Ergänzung 24.6.18: Eine Bemerkung des Architekten der Machbarkeitsstudie, Herrn Haase, finde ich noch bemerkenswert. Herr Haase meinte im ASU, die frühere Luftschneise über Drei-Könige, Bahngelände, Parkplatz und grüne Insel bis zum Karl-Marx-Platz sei ja eh durch das Weichenwerk zugebaut und deshalb sei der Riegel („Kante“) und das Rasieren der grünen Insel kein Problem mehr. Hitzeinseln, Herz-Kreislauf-Probleme, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Zunahme von Atemwegserkrankungen als zu vernachlässigende Kollateralschäden? So geht „attraktiv, urban, grün und gesund“ doch wohl nicht. Irgend etwas ist da offenbar von diesem Architekten – aber auch von der Stadtverwaltung, die die Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hat – nicht verstanden worden.