Blutzufuhr per Fremdimport?

In einem WAZ-Artikel (WAZ 16.6.16: „Kleinfraktion zeigt keine Angst vor Sperrklausel“) spinnt sich der Vorsitzende der Wählergemeinschaft WBG (und der Minifraktion WBG) Herr Brömmelsiek allerlei zurecht über zukünftige (oder weniger zukünftige?) übergreifende Wählergemeinschaften. Dabei rückt auch das bürgerforum in den Fokus seines Begehrens. Klar: Nach den massiven Wahlniederlagen der WBG bei den zurückliegenden zwei Wahlen wäre eine Blutzufuhr per Fremdimport dringend notwendig, um die Personalressourcen aufzufrischen und den Absturz in die absolute Bedeutungslosigkeit zu verhindern.

Ob die Rechnung unter der Flagge der „Bürgerlichkeit“ allerdings aufgehen kann, wage ich zu bezweifeln. Kampfbegriffe von anno dunnemals dürften kaum mobilisierende Wirkung haben, und Kandidaten von Wählergemeinschaften – es sind immer Menschen bei Wählergemeinschaften, die gewählt werden, keine Namen: Das zumindest kann mensch aus Wahlergebnissen erschließen – werden gewählt, weil sie Vertrauen binden und eine positive politische Bilanz aufzuweisen haben.

Wenn bürgerforum und WBG die „Bürgerlichen“ repräsentieren sollen, wer sind dann die Nichtbürgerlichen? Die CDU oder gar die SPD (vaterlandslose Gesellen, wie es vormals hieß?). Oder die Piraten und die FDP? Also: „Bürgerlichkeit“ als Abgrenzungs- und Ausgrenzungskriterium? Das ist doch schlicht absurd und zeigt, dass Herr Brömmelsiek offensichtlich nicht über das nachdenkt, was er sagt.

Das bürgerforum steht – zumindest programmatisch: Ob die Unsetzung immer klappt, ist eine andere Frage – für praktizierte Bürgernähe (s. der Beitrag „Hier das Wahlprogramm des bürgerforums 2014!„/6.5.14) und nicht für die gespenstische Eigenschaft „Bürgerlichkeit“. Kommunalpolitik hat es überhaupt nicht mit solchen hohlen Worthülsen zu tun, sondern mit Sachproblemen und – problemlösungen und damit verbundener politischer Arbeit – gemessen an jeweils für gut gehaltenen politischen Zielvorstellungen.

Wählerinnen und Wähler sind nicht blöd und sehen schon genauer hin, so sie denn nicht aus reinem Protest wählen oder – nicht wählen. Bei den letzten Wahlen hat das dazu geführt, dass eigentlich alle Wählergemeinschaften bis auf das bürgerforum abgestraft worden sind. Der Grund aus meiner Sicht: Nur nachweisbare politische Bilanzen, nicht hohle Phrasen sorgen in der Regel für ein gutes Standing bei Wahlen. Bei deren Beurteilung dürfte dann allerdings das Kriterium „Bürgerlichkeit“ keine Rolle spielen.

Ob die politische Bilanz bei einer wie auch immer gearteten gegenwärtigen oder zukünftigen Wählergemeinschaft tragfähig ist und sein wird, werden die nächsten Wahlen zeigen. Bis dahin sind es noch immerhin ca. vier Jahre. Schau’n wir mal.