Was kostet den Steuerzahler der Wittener Rat?
Immer wieder stellen ich fest, dass zum Teil völlig unklare Vorstellungen über die Einkünfte von Fraktionen, Ratsmitgliedern und sachkundigen BürgerInnen/EinwohnerInnen aus ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bestehen. Ich habe meinen Freund prawda gefragt. prawda stellte als Antwort auf eine Anfrage, wie viel Geld die WBG am Ende der Wahlperiode 2009 – 2014 „verbrannt“ haben wird, Folgendes fest (am Beispiel der WBG und deren ehemaligen Fraktionsvorsitzendem Herrn Karpowicz erläutert):
prawda 3.9.12:
„Wie viel Herr Karpowicz und seine Mitstreiter (Fraktion besteht aus 1 Fraktionsvorsitzenden und 1 anderen Ratsmitglied plus sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern: im Jargon „Minifraktion“) am Ende der Wahlperiode 2009 – 2014 an Geld „verbrannt“ haben werden, ist kein Geheimnis (Rechnung über 5 Jahre; Basis: Haushalt der Stadt Witten* und verbindliche Vorgaben für Aufwandsentschädigungen): Personalkostenzuschuss 50.000 € (für Fraktionsmitarbeiterin); Sachkostenzuschuss 30.000 € (kann auch für Personalkosten verwendet werden); Räume, Büroausstattung etc. ca. 10.500 €; Aufwandsentschädigung Fraktionsvorsitzender (dreifache Aufwandsentschädigung) ca. 63.000 €; Aufwandsentschädigung anderes Ratsmitglied (einfache Aufwandsentschädigung) ca. 21.000 €. Das macht summa summarum ca. 174.500 €. Hinzu kommen Sitzungsgelder für sachkundige Bürgerinnen und Bürger (s.u. prawda 5.9.12). Über die Qualität der Arbeit dieser Fraktion und die Angemessenheit der Alimentierung mag sich jeder selbst ein Urteil bilden.“
prawda 4.9.12:
„Übrigens: Diese Kosten entstehen nur, weil die vormalige schwarz-gelbe Landesregierung es als Zuckerstückchen für den kleinen Koalitionspartner FDP ermöglicht hat, mit nur zwei Ratsmitgliedern eine Fraktion zu bilden. Die WBG hat bei den Wahlen 2009 1151 Stimmen und 2,64% verloren (2004: 2631 Stimmen/6,25%, 2009: 1480 Stimmen/ 3,61%). Damit hat es nur noch zu zwei Ratsmitgliedern gereicht (vorher 4). Bei den Wahlen 2004 wäre dabei nur ein Gruppenstatus herausgekommen (ohne Fraktionsalimentierung, Besetzung der Ausschüsse und „Zünglein an der Waage“ in der „Kooperation der Vernunft“ – SPD, Grüne, WBG), bei den Wahlen 1999 (damals galt noch die 5%-Hürde) wären Herr Karpowicz und seine Mitstreiter nicht einmal mehr im Rat vertreten gewesen.“
→ Link: Wahlergebnisse 1994 – 2009: Kommunalwahlergebnisse 1994 – 2009
prawda 5.9.12:
„Die Frage nach den Kosten der anderen Fraktionen außer WBG kann leicht durch eigene Rechnung beantwortet werden. Die Zuwendungen an die Fraktionen finden sich im Haushaltsplan der Stadt Witten*. Keinen Überblick habe ich über die Aufwandsentschädigungen in Aufsichts-, Verwaltungsräten und anderen Gremien. Keinen Überblick habe ich auch über die jeweils beanspruchte Verdienstausfallentschädigung. Zur normalen Aufwandsentschädigung: Diese liegt gegenwärtig bei 345,40 €/Monat (vor einigen Monaten noch 342 €) für das „normale“ Ratsmitglied (Pauschale/kein zusätzliches Sitzungsgeld). Das Sitzungsgeld für sachkundige Bürger und Einwohner beträgt 26,80 €/Sitzung.
Fraktionsvorsitzende von Fraktionen unter 10 Mitglieder bekommen das Dreifache (wie WBG), Fraktionsvorsitzende von Fraktionen über 10 Mitglieder erhalten das Vierfache (in Witten SPD und CDU). Bei Fraktionen über 20 Mitgliedern (in Witten die SPD) bekommen 2 stellvertretende Fraktionsvorsitzende das Zweifache, bei über 10 Mitgliedern (in Witten die CDU) 1 stellvertretender Fraktionsvorsitzender das Zweifache. Beträge müssen mit 60 (Beträge/Monat; Wahlperiode 5 Jahre) multipliziert werden. Herr Karpowicz ist übrigens Mitglied im Aufsichtrat der Stadtwerke.
Ein Beispiel für die Verankerung von Ratsmitgliedern: Das zweite Ratsmitglied der WBG hat bei den Wahlen 2009 sage und schreibe noch 2,66% = 45 Wählerstimmen in seinem Wahlbezirk bekommen. Preisfrage: Wie kommt man mit einem solchen Ergebnis in den Rat? Antwort: Man startet im Vorfeld der Wahlen eine Palastintrige, um sich an einen vorderen Listenplatz zu manövrieren. Nachdem man diesen gesichert hat, lässt man andere für sich arbeiten. Ergebnis: siehe oben Wählerstimmen, aber ein Mandat und die Aufwandsentschädigung für 5 Jahre.“
→ Link: Wahlergebnisse 1994 – 2009: Kommunalwahlergebnisse 1994 – 2009
Soweit unser Freund prawda. Bemerkt werden muss, dass es zwischen Parteien/Wählergemeinschaften und Mandatierten normalerweise Sonderregelungen über sog. Sonderbeiträge von Ratsmitgliedern an die jeweiligen politischen Formationen gibt. Die Sonderbeiträge können in ihrer Höhe variieren (häufig 20% , manchmal mehr, manchmal weniger) und sind grundsätzlich (Gerichtsurteile!) freiwillig, d.h. sie können juristisch nicht erzwungen werden und ihre Nichtzahlung kann auch kein Ausschlussgrund sein. Einzige Sanktion: Verlust des Mandats bei kommenden Wahlen durch Wegfall der Nominierung.
Übrigens: Manche Wittener Ratsmitglieder verbessern ihre Einnahmen durch Wahrnehmung eines Doppelmandats (Rat/Kreistag, Rat/Landtag). Gründe in der Sache dürfte es dafür wohl kaum geben. Der Arbeitsaufwand bei nur einem pflichtgemäß ausgeübten Mandat sollte einen Menschen eigentlich hinreichend auslasten. Bei den Grünen waren früher Doppelmandate strikt untersagt. Auch das hat sich – wie so vieles bei dieser Partei – mittlerweile geändert.
*Die Fraktionszuwendungen aus dem Haushalt der Stadt Witten finden sich im öffentlichen (!) Haushaltsplan unter Anlage 3: Richtlinien der Stadt Witten für die Zuwendungen an die Fraktionen und Einzelvertreter im Rat. Der aktuelle Haushaltsplan 2013 ist auf der homepage der Stadt einsehbar unter: Bürgerservice/Rat & Verwaltung → Verwaltung → Haushalt.
Siehe zu diesem Themenkomplex auch mein Beitrag „Nichts ohn‘ Ursach …„/April 2013, „Wie war es wirklich?…„/Mai 2013.