Kein Ruhmesblatt
Normalerweise berichtet die Wittener Presse über eine Ratssitzung. Über die letzte am 4.7.16 nicht. Das ist auch gut so, weil diese Sitzung mit Sicherheit kein Ruhmesblatt in der Geschichte des Wittener Rates war. Mensch stelle sich vor (ich habe schon in meinem Beitrag „Rätselhaft“/23.6.16 darauf hingewiesen): Der Rat beschließt in der vorherigen Sitzung massive Steuerhöhungen, ohne über auf der Tagesordnung stehende sog. Kompensationsmöglichkeiten auch nur zu beraten (die standen im Übrigen auch schon auf der Tagesordnung der Ratssitzung vom 29.9.15!).
Damit waren und sind die Steuererhöhungen Teil des Haushaltsplans 2016 und Basis einer ersehnten Genehmigung des Haushalts: No way back! Gleichzeitig beschloss dieser Rat, die Beratung und Beschlussfassung über Kompensationsmöglichkeiten auf die nächste Sitzung zu verschieben. Weil es nach Beschluss über die Steuererhöhungen natürlich nichts mehr zu kompensieren gab, war schon diese Verschiebung ein Posse. Und tatsächlich: Der TOP 2 „Haushaltssanierungsplan 2016/Kompensationsmöglichkeiten für Steuererhöhungen“ findet sich wieder auf der Tagesordnung der Ratssitzung am 4.7.16, obwohl es nichts mehr zu kompensieren gab.
Die einzig richtige Reaktion auf diese Situation hätte darin bestanden, den TOP von der Tagesordnung zu nehmen und über Einnahmeerhöhungen und/oder Sparmaßnahmen – denn darum handelte es sich bei den „Kompensationsmöglichkeiten“ – nach Einbringung des nächsten Haushalts 2017 und dem dann vorliegenden aktuellen Zahlenwerk zu beraten. Stattdessen wird ein dahin gehender Antrag der Linken abgeschmettert mit der Folge einer stundenlangen Beratung und Beschlussfassung – ohne Grundlage (weder Zahlen noch Alternativrechnungen für zur Beratung anstehende Szenarien, die eine vernünftige Abwägung gestattet hätten). Schlimmer gehts’s eigentlich nimmer.
Charakteristisch für die offensichtlich zugrunde liegende Mentalität – leider auch einer Mehrheit des Rates – ist eine fast schon zynische Bemerkung des Kämmerers, die Sanierung des Haushalts – sprich: Einnahmeerhöhungen und/oder Sparen – sei eben eine Daueraufgabe. Das mag so sein, aber doch bitte nicht als eine Art fortlaufendes Gesellschaftsspiel „Wie-ziehe-ich-dem-Bürger-noch besser-das Fell-über-die-Ohren“ ohne genaue Begründung für die jeweilige Notwendigkeit der Maßnahmen.
Wie geht es weiter? Auf den Haushaltsplanentwurf 2017 bin ich gespannt. Eins zumindest ist jetzt schon sicher: Die 7,2 Mio. Zuschuss über den Srärkungspakt hat es nur bis 2016 gegeben. Ab 2017 setzt die degressive Phase des Stärkungspakts ein – also eine jährliche Verminderung der Zuschüsse: 2017 -1,7 Mio., 2018 -1,5 Mio. zusätzlich, 2019 -1,4 Mio. zusätzlich und 2020 -1,2 Mio. zusätzlich, 2021 dann 0 Mio. (Quelle: Fortschreibung Haushaltssanierungsplan 2016/Entwurf des Sanierungsplans mit Anlagen/III. Wesentliche Element des Sanierungsplans/5. Planungsentwicklung und Stärkungspaktmittel). Zumindest für diese Verminderung der Zuschüsse wird es je nach Haushaltslage in den kommenden Jahren eine Kompensation geben müssen.
Auffällig war übrigens, dass sich die GroKo (SPD, CDU) während des ganzen Spektakels in Schweigen gehüllt hat. Gibt es überhaupt eine kritische haushalts- und finanzpolitische Linie der Groko oder lassen die großen Frakrionen sich von Verwaltungsspitze und den Kleinen weiterhin am Nasenring führen? Wo soll das enden? Immerhin verwies der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD und jetzige Vorsitzende der neuen Fraktion Solidarität für Witten zum wiederholten Mal darauf, dass Beratung und Beschlussfassung auf der Basis der unzureichenden Verwaltungsvorlagen eigentlich unmöglich sei. Damit hatte er recht.