Passantenzählung – ein neues Wundermittel?

Passantenzählung? Warum nicht? Die entscheidende Frage ist aber doch, was mit einer solchen Zählung für den kränkelnden Innenstadteinzelhandel und die Stadtentwicklung  gewonnen ist. Den Spaß gibt es schließlich nicht für lau, selbst wenn er gesponsert wird.

Das Ergebnis wird sein, dass wir wissen, wo in der Innenstadt wie viele Menschen herlaufen. Und dann? Was bedeuten die Zahlen?

Antwort: Erst einmal bilden die Zahlen den jeweiligen Ist-Zustand der Passantenbewegungen ab, nicht mehr. Und selbst wenn Zeitreihen (fünfjährige Laufzeit) zustande kommen, handelt es sich nur um eine wenig aussagekräftige Aneinaderreihung von Ist-Zuständen der Passantenbewegungen.

Eine Prognose ist auf dieser Basis selbstverständlich nicht möglich, weil die die Bewegungen verursachenden Faktoren (z.B. Motive der Passanten, Angebotsqualität und städtebauliche Attraktivität) durch die Zahlen allein nicht deutlich werden.

Spannend wird die Sache doch erst, wenn die Frage beantwortet wird, warum zum Beispiel die obere Bahnhofstr. recht hoch frequentiert wird und die Ruhrstr. nur ein Drittel des Zuspruchs aufweist (WAZ 19.6.13: „Neue Sensoren zählen Passanten“) und wie eine solche Feststellung zu bewerten ist. Akzeptiere ich den minderen Zuspruch zur Ruhrstr. als hinzunehmendes und zu extrapolierendes Faktum oder nehme ich die Diagnose als Anlass, den minderen Zuspruch – mit welchen Mitteln – zu steigern?

Offensichtlich hängt der Nutzen der Zahlen von einer Bewertung ab, die strategische Aspekte der (Innen-)Stadtentwicklung einbezieht. Lasse ich einen Ist-Zustand einfach laufen oder will ich ihn verbessern? Verstärke ich einen aktuellen Trend (der sich im Ist-Zustand und der Zeitreihe abbildet) oder versuche ich, gegen ihn zu arbeiten?

Die für mich schlechteste Variante der Bewertung wäre bei den wachsenden Problemen des Innenstadteinzelhandels die bloße schlechte positive oder negative Trend-Verstärkung.

Beispiel für eine schlechte positive Trend-Verstärkung: die obere Bahnhofstr.. Wenn dort im Vergleich zur Ruhrstr. vermehrte Passantenbewegungen gemessen werden, würde eine schlechte Trend-Verstärkung darauf hinaus laufen, die Entwicklung dort zu konzentrieren und die Ruhrtr. abzuhängen (Trend verstärkend dürfte sich die Verlagerung der Stadtbücherei-Zentrale auswirken/siehe dazu mein Beitrag „Stadtbücherei – Quo Vadis“/März 2013).

Beispiel für eine schlechte negative Trend-Verstärkung: die untere Bahnhofstr.. Dort hätte eine Passantenzählung mit Sicherheit schon vor vielen Jahren eine mindere Akzeptanz ergeben. Bilanz der Jahre: Dem Trend ist nicht systematisch entgegen gearbeitet worden, im Gegenteil: Durch Fehlentscheidungen ist er verstärkt worden (siehe dazu mein Beitrag „Defensivaktionen helfen wenig gegen selbst verursachte Trading Down„/Mai 2013).

Fazit: Wichtig für die Entwicklung der Innenstadt sind nicht in erster Linie Passantenzählungen, sondern qualitative Entwicklungsziele zur Steigerung einer ausgewogenen Attraktivität und deren Umsetzung. Sonst könnte die Zählung die bloße  Begleitmusik für das weitere Trading Down der Wittener Innenstadt werden.