Anstalt öffentliche Rechts (AöR) Kulturforum Witten – was kümmern uns Rat und BürgerInnen!?
Am 16.4.13 erreichte die Fraktion bürgerforum folgende Anfrage, die sich auf die Einschränkung demokratischer Einflussnahme (Rat, Bürgerbegehren) durch die Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) bezieht (im örtlichen Fall AöR Kulturforum Witten). Im Folgenden die Anfrage und meine Antwort:
Anfrage von Herrn Torberg:
Das Bürgerbegehren zur Stadtbücherei wurde abgelehnt mit der
Begründung, dass der Rat nicht zuständig sei. Demnach ist es ja
einfach, derartige Verkäufe ganz einfach solchen Bürgerbegehren zu
entziehen, indem man eine AöR gründet und diese Zuständigkeiten
verschiebt. Ob das im Sinne des Gesetzes ist, weiß ich nicht. Gibt es
in Ihrer Fraktion Bestrebungen, Einfluss geltend zu machen, die
gesetzlichen Bestimmungen ändern zu wollen. Etwa durch Kontakte zu
Landtagsabgeordneten usw.?
Meine Antwort :
Hallo Herr Torberg,
Antwort auf Ihre E-Mail vom 16.4.13:
Grundsätzlich gehören AöRs zu den gegen Einflussnahme von außen und politische Kontrolle am stärksten abgeschotteten Betriebsformen ausgelagerter städtischer Einrichtungen. Selbst Aufsichtsräte (z.B. in Witten Aufsichtrat Stadtwerke und Aufsichtrat SGW) sind insofern kontrollierbarer, als der Rat nach § 111 GO gegenüber deren Mitgliedern weisungsbefugt ist. Nach § 114a GO ist die generelle Weisungsbefugnis gegenüber Verwaltungsräten von AöRs nicht gegeben. Deshalb wird diese Betriebsform normalerweise nur technischen und eigenfinanzierten (kostendeckend arbeitenden) Einrichtungen übergestülpt. Aber auch dann ist natürlich der demokratische Einfluss extrem reduziert.
Selbstverständlich könnte durch eine Änderung der GO NRW über eine Lockerung des 114a eine Anpassung an den § 111 erfolgen. Derartige Änderungen sind nur leider sehr langwierig.
Gerade die zurück liegende Auseinandersetzung in Witten um die Stadtbücherei hat aber gezeigt, dass manche Wittener Probleme nicht von einer aufwändigen GO-Änderung auf Landesebene abhängig sind, sondern eleganter und schneller auch vor Ort gelöst werden könnten:
1. Es war schon ein Gründungsfehler des KuFo, derart wichtige Einrichtungen (Institute) in Form einer AöR zusammen zu fassen und damit dem Zugriff des Rates zu entziehen. Witten dürfte damit ziemlich einsam in der AöR-Landschaft stehen.
2. Ursprünglich tagte sogar der Verwaltungsrat des KuFo gemäß alter Satzung nichtöffentlich. Dies ist erst durch einen erfolgreichen Antrag des bürgerforums auf Satzungsänderung in 2010 geändert worden (siehe dazu homepage des bürgerforums: Stadtbücherei – Quo vadis?). Hätte er weiter nichtöffentlich getagt, wären die Pläne zum Verkauf der Ruhrstr. 48 und Verlagerung zur Husemannstr. erst sehr viel später bekannt geworden. Ein Bürgerbegehren hätte es wahrscheinlich nicht gegeben.
3. Der Vorgang macht den entscheidenden Ansatzpunkt vor Ort deutlich: Der Wittener Rat hat im Fall des KuFo die Satzungskompetenz: d.h. er kann die Satzung des KuFo beschließen (und verändern). Im Zusammenhang der Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 3.12.12 durch die Kommunalaufsicht ist die Möglichkeit erwogen worden, durch eine entsprechende Satzungsänderung den Zugriff des Rates auf Angelegenheiten von besonderer Bedeutung, z.B. Grundstücks- und Immobilienangelegenheiten, zu ermöglichen. Damit wäre auch ein Ratsbürgerentscheid ermöglicht worden.
(Anmerkung meinerseits: Es ist schließlich nicht einzusehen, dass 15 Verwaltungsratsmitglieder am Rat vorbei über ein erhebliches Immobilienvermögen – Saalbau, Haus Witten, Ruhrstr. 48, Museum etc.- verfügen können sollen).
Im Zuge der Vorberatung ist aber deutlich geworden, dass ein solche Satzungsänderung keine Mehrheit in der Politik gefunden hätte (massiver Widerstand von CDU, FDP, Gleichgültigkeit von SPD und Grünen).
4. In der Konsequenz wurde dann die von der Kommunalaufsicht vorgeschlagene Bürgerbefragung (verfahrenstechnisch äquivalent Ratsbürgerentscheid) + freiwilliger Selbstbindung des Verwaltungsrats bevorzugt.
Wie Sie wissen, ist diese Variante daran gescheitert, dass die BI nicht bereit war, die Fragestellung der Befragung zu akzeptieren und auf Rechtsmittel zu verzichten.
Die folgende Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens durch den Rat musste vor dem Hintergrund der nicht erfolgten Satzungsänderung und der Haltung der BI erfolgen. Andernfalls wäre eine erneute Beanstandung durch die Kommunalaufsicht erfolgt, oder der Rat hätte gegen die Beanstandung der Kommunalaufsicht klagen müssen.
Die Feststellung der Unzulässigkeit hat natürlich auch den Rechtsweg für die BI eröffnet (siehe zu den Chancen aber der Beitrag auf der homepage des bürgerforums: „Stadtbücherei – Quo vadis?“).
Um auf Ihre Ausgangsfrage zurück zu kommen:
– Aus meiner Sicht (auch als Mitglied einer Wählergemeinschaft ohne Vertretung im Landtag) ist der Weg über eine Änderung der GO NRW sehr langwierig und deshalb wenig Erfolg versprechend..
– AöR ist nicht gleich AöR. Auf örtlicher Ebene ließe sich auch im örtlichen Zugriff durch entsprechende Satzungsänderungen ein erheblicher Teil des Demokratiedefizits dieser Betriebsform beseitigen – vorausgesetzt, es gibt den politischen Willen und die politischen Mehrheiten.
Mit besten Grüßen
Klaus Riepe
Ratsmitglied, Mitglied im Verwaltungsrat KuFo
18.4.13
Siehe zu diesem Themenkomplex auch meine Beiträge „Stadtbücherei – Quo vadis?„/März 2013, „Melkkuh Musikschule …?“/April 2013 und „Neue Entgeltordnung Museum …?„/April 2013.