Stadtbücherei – Quo Vadis?

Schon im Kommunalwahlprogramm 2009 hat das bürgerforum sich eindeutig gegen die seit 2007 existierenden Planungen ausgesprochen, Stadtbücherei und Museum im Rahmen eines „Wissenszentrums“ am Standort Märkisches Museum zusammen zu legen. 2007 sahen die damaligen Planungen einen Anbau vor, um Bücherei, Museum und Stadtarchiv an einem Standort (Märkisches Museum) unterzubringen. Eine Machbarkeitsstudie schätzte die Kosten des Anbaus damals auf ca. 6 Mio. €.  2007 war zur Gegenfinanzierung der Verkauf der Ruhrstr. 48 vorgesehen.

Konsequenterweise opponierte ich seit Anfang 2010 im neu besetzten Verwaltungsrat gegen die weiterhin geplante (und mittlerweile mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen, WBG und FDP am 17.9.10 beschlossene) Zusammenlegung: bis zum 5.7.10 im Verwaltungsrat nichtöffentlich, nach Beschluss des Rates am 5.7. (Beschluss auf Antrag des bürgerforums), die Verwaltungsratssitzungen in Zukunft öffentlich durchzuführen, öffentlich.

→ Link: Antrag_Aenderung_Satzung_KuFo

→ Link: KuFo Übersicht Situation und Diskussion

Allerdings hat sich die Situation im Vergleich zu 2007 wesentlich geändert. Das vormals aufwändige Konzept „Wissenszentrum“ ist mittlerweile zu einem Schrumpf- und Sparkonzept für Museum und Stadtbücherei mutiert: Sparen über Stock und Stein. Insofern hat sich die argumentative Position der Unterstützer der Zusammenlegung verschlechtert und die des bürgerforums und der anderen Gegner des „Wissenszentrums“ verbessert.

Meine Argumente finden sich konzentriert in unserem Antrag zur Beibehaltung der Ruhrstr. 48 und Modernisierung der Stadtbücherei vom 31.8.10, der am 31.8.10 bei 2 Pro-Stimmen vom Verwaltungsrat des Kulturforums abgelehnt worden ist (Ablehnung von SPD, CDU, Grünen, WBG und FDP)

→ Link: Antrag Neuorganisation Wittener Bibliothekssystem

→ Link: Redebeitrag KuFo 17.9.10

Nach dem 17.9.10 hat sich mit tatkräftiger Unterstützung des bürgerforums ein Bürgerbegehren gegen die Zusammenlegung von Stadtbücherei und Museum, den Verkauf der Ruhrstr. 48 und für eine Modernisierung der Stadtbücherei  formiert, um den Unsinn des Schrumpfkonzepts erst einmal zu stoppen (Moratorium bis 2013) und im Rahmen eines offenen und transparenten Dialogs mit den Bürgern (Bürgerwerkstatt) eine dringend notwendige Qualitätsverbesserung des Wittener Bibliothekssystems auf den Weg zu bringen.

Am 31.01.11 sollte der Rat über die Zulässigkeit des Begehrens abstimmen. Er hätte dann die Möglichkeit gehabt:

– das Begehren aus formalen Gründen abzulehnen (rechtliche Unzulässigkeit) oder

– die Zulässigkeit anzuerkennen  und in drei Monaten einen Bürgerentscheid einzuleiten (stadtweite Urnenabstimmung über die Fragestellung des Begehrens: Mindestens 20% der Bürger müssen abstimmen  und zustimmen, um den Bürgerentscheid zum Erfolg zu führen) oder

– dem Begehren statt zu geben, wie es schon einmal 2004 beim Bürgerbegehren „Rettet das Gerberviertel“ geschehen ist.

Die Verwaltung hatte eine Vorlage eingebracht, die aus Sicht der Verwaltung die Unzulässigkeit des Begehrens feststellte.

→ Link: Verwaltungsvorlage Unzulässigkeit Bürgerbegehren Rettet unsere Stadtbücherei

Die Position der Verwaltung war durchaus fragwürdig. Das wesentliche Argument war, es gebe keinen  Verkaufsbeschluss. Dabei wurde übersehen, dass es zur Auslösung eines kassierenden Begehrens (also eines Bürgerbegehrens, das einen bestehenden Beschluss angreift und ändern will) nicht eines endgültigen Verkaufbeschlusses bedarf. Hinreichend ist eine eindeutige Grundsatzentscheidung, einen Verkauf einzuleiten. Und diese Entscheidung hatte der HFA als Organ des Rates am 20.09.10 getroffen, indem er sich hinter den entsprechenden Beschluss des Verwaltungsrats Kulturforum gestellt hat.

Zu Beginn des Jahres 2011 hatten über 10.000 Bürger mit ihrer Unterschrift unter das Bürgerbegehren deutlich gemacht, dass sie die genannten Ziele des Bürgerbegehrens unterstützen und die geplante Zusammenlegung nicht wollen.

Ich schrieb damals:

„Hoffen wir, dass die Zahl der Unterschriften die bisherigen Unterstützer des „Wissenszentrums“ zur Besinnung bringt und dazu veranlasst, die Pläne einer Zusammenlegung und eines Verkaufs der Ruhrstr. 48 aufzugeben und den Zielen des Bürgerbegehrens zuzustimmen.

Zumindest sollten sie den Mut haben, über einen Bürgerentscheid die Bürgerinnen und Bürger der Stadt an einer Entscheidung über die Zukunft der Stadtbücherei und des Museums zu beteiligen.

Denn letztendlich handelt es sich nicht um eine rechtliche, sondern eine politische Frage: Wie wird die Wittener Stadtbücherei in Zukunft aussehen? Wird sie auf eine Schrumpfversion zurück gefahren oder modernisiert und ausgebaut?“

Nachtrag 05.02.13:

Mittlerweile – im Laufe der zurückliegenden 2 Jahre – hat sich einiges ereignet:

– Abschließend sind im Rahmen des Bürgerbegehrens ca. 12.000 Unterschriften gegen das Schrumpfkonzept gesammelt worden.

– Eine Abstimmung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hat es nicht gegeben. Stattdessen wurde zwischen der Bürgerinitiative und der Stadt ein Vergleich in vertraglicher Form abgeschlossen, der Folgendes beinhaltete: eine Bürgerwerkstatt zur Erarbeitung eines zukunftsfähigen Büchereikonzepts und einer Klärung der Standortfrage (bis höchstens Ende 2012), bei Nichtkonsens Ratsbürgerentscheid.

→ Link: Antrag Bürgerbegehren Rettet unsere Stadtbücherei Zulässigkeit

→ Link: Vergleich

– Die Bürgerwerkstatt hat in zahlreichen Sitzungen gearbeitet. Neben Konsens in einigen wichtigen Fragen (Büchereizweigstellen, Büchereikonzept) hat es abschließend keinen Konsens hinsichtlich der Kontroverse Erhalt der Ruhrstr. 48 bei Sanierung und Modernisierung versus Zusammenlegung an der Husemannstr. (Märk. Museum) gegeben.

Aus meiner Sicht ist hinsichtlich dieser Kontroverse im Laufe der Bürgerwerkstatt deutlich geworden, dass eine Sanierung/Modernisierung der Ruhrstr. 48 die attraktivere und wirtschaftlichere Lösung der Standortfrage darstellt (Köhler-Entwurf).

→ Link: Anschreiben Bezirksregierung Wirtschaftlichkeit

→ Link: 20120924_Koehler-Text_final

→ Link: 20120924_Modell-Koehler_Ruhrstr_48

→ Link: Redebeitrag Bürgerwerkstatt 20.11.12

→ Link: Abstimmungsheft buergerforum

Da kein Konsens erzielt wurde, ergab sich aus dem Vergleich zwingend die Einleitung eines Ratsbürgerentscheids zur Standortfrage. Die Einleitung eines Ratsbürgerentscheids wurde am 03.12.2012 vom Rat der Stadt Witten beschlossen.

Dann kam die überraschende Wende mit einer Anweisung der Kommunalaufsicht an die Bürgermeisterin, den Ratsbeschluss vom 03.12.13 zu beanstanden.

Ich halte die Anweisung zu diesem späten Zeitpunkt für an den Haaren herbei gezogen (formal ist sie korrekt). Vor allem deshalb, weil die rechtlichen Bedenken erst nach über zwei Jahren vorgetragen werden. Leider sitzt die Kommunalaufsicht am längeren Hebel. Deshalb haben der Rat und auch unsere Fraktion mit großer Mehrheit der Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 03.12.12 zugestimmt, um einen sich lang hinziehenden Rechtsstreit (Rat gegen Kommunalaufsicht) zu vermeiden.

Als Ausweg hat die Kommunalaufsicht selbst eine Bürgerbefragung vorgeschlagen, die genau so wie ein Bürgerentscheid durchgeführt werden soll. Ergänzt werden soll die Befragung durch eine Selbstverpflichtung des Verwaltungsrats des KuFo, das Ergebnis der Befragung als für den Verwaltungsrat verbindlich anzuerkennen. Problem bei diesem Ausweg ist die fragwürdige rechtliche Verbindlichkeit.

Ein anderer Ausweg wäre eine Satzungsänderung des KuFo, die die Zugriffskompetenz des Rates auf das KuFo bei Grundstücks- und Standortentscheidungen ermöglichen würde. Bisher lehnt eine Mehrheit der Fraktionen eine Satzungsänderung ab. Ich bin für eine Satzungsänderung, weil dadurch eine verbindliche, dauerhafte und über den Einzelfall hinausweisende Lösung auch für zukünftige ähnliche Konflikte erreicht würde.

Die im Nachhinein nachvollziehbaren Entscheidungsgründe, die 2006 zur Gründung der AöR KuFo geführt haben (Haushaltskosmetik und Schutz vor der Kommunalaufsicht) gelten angesichts der Wittener Haushaltssituation seit einigen Jahren nicht mehr. Ein aus meiner Sicht entscheidendes politisches Argument für eine Satzungsänderung und damit verbundener erhöhter Eingriffskompetenz  des Rates ist die schlichte Tatsache, das der gesamte laufende Betrieb des KuFo von den ca. 6,1 Mio. € Zuschuss aus dem städt. Haushalt abhängig und nicht mehr einzusehen ist, wieso 15  Verwaltungsratsmitglieder + Vorsitzende + Vorstand im Rahmen autonomer, ratsunabhängiger Entscheidungen über diese Mittel (einschließlich potentieller Kreditaufnahme und Immobilienvermögensbestand) verfügen können sollen. Die Zuschussabhängigkeit unterscheidet das Wittener KuFo von den meisten AöRs, die als Betriebsform eigenwirtschaftenden Betrieben „übergestülpt“ worden sind.

Nachtrag 14.3.13:

Mittlerweile (14.3.13) hat die langjährige Auseinandersetzung ein bitteres Ende gefunden. Auf Grund der sturen Weigerung der Vertreter des Bürgerbegehrens,  dem von der Kommunalaufsicht vorgeschlagenen Verfahren der Bürgerabstimmung (eine Satzungsänderung hätte in der Politik keine Mehrheit gefunden) untere Verzicht auf Rechtsmittel zuzustimmen, hat der Rat die Bürgerabstimmung gecancelt und das Bürgerbegehren formal nach ca. 2 Jahren durch Feststellung der Unzulässigkeit (unsere Fraktion hat sich enthalten) „abgewickelt“. Meine Position findet sich in folgendem Redebeitrag:

→ Link: Redebeitrag Rat 11.3.13

Siehe zu diesem Themenkomplex auch meine Beiträge „Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) Kulturforum Witten …?„/April 2013 „Melkkuh Musikschule …?“/April 2013, „Neue Entgeltordnung Museum …?„/April 2013.