Und wieder nichts ohn’Ursach: Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22.6.1941
Ich erhielt mehrere Veranstaltungseinladungen zu einer Gedenkveranstaltung am 22. Juni. Gedacht werden soll der 80. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion (22.6.1941). Dazu folgende knappe Gedanken meinerseits:
Der Überfall – der wirklich ein Überfall war, weil paktbrüchig – und seine Folgen hatte katastrophale Auswirkungen auf die Sowjetunion (siehe dazu: https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/207010/verwuestetes-land-die-sowjetunion-nach-holocaust-und-krieg), aber letztlich auch auf das mit enormen Kosten besiegte Deutschland (siehe dazu: https://www.zeit.de/news/2015-05/08/geschichte-hintergrund-der-zweite-weltkrieg-in-zahlen-und-fakten-08065612). Die Sowjetunion ist durch den Überfall überrascht worden. Grund für die Überraschung war, dass Stalin ihm zugegangenen Hinweisen auf den Überfall nicht geglaubt hat, weil er sich vor dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Pakts* sicher fühlte, seinem Paktpartner also offenbar vertraut hat.
Die Überraschung hat sicher zu den Anfangserfolgen der deutschen Wehrmacht beigetragen. Sie erklärt aber aus meiner Sicht nicht allein die katastrophalen Niederlagen und enormen militärischen und zivilen Verluste der Sowjetunion in den ersten Jahren. Zur Erklärung muss auf die Vorgeschichte der Sowjetunion in den 30er Jahren zurück gegangen werden: Ab ca. 1934 wütete in der Sowjetunion der verschärfte Stalinsche Terror, dem unter anderem auch die Spitzen der Roten Armee zum Opfer fielen. Zu diesem Terror empfehle ich das Buch von Charles Bettelheim, Die Klassenkämpfe in der UdSSR Band 3 und 4, Band 3, Dritter Teil, Massenterror und Zwangsarbeit, und Band 4, Kapitel 4, Die Verschärfung der Diktatur der Führungsgruppe über die Partei und die Kader (Ende 1934 bis Ende 1938), darüber hinaus natürlich die Lektüre des ganzen Buchs.
Auch hier gilt wieder: Nichts ohn‘ Ursach. Zu den Ursachen für die Katastrophe des Krieges zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion zählt sicher in erster Linie die Herrschaft des Nazionalsozialismus in Deutschland mit seiner absehbaren, früh erklärten Aggressivität gegenüber dem Kommunismus (Sowjetunion) und seiner rassistischen Verachtung des slawischen Untermenschen, aber eben auch der Terror in der Sowjetunion, der dem mörderischen deutschen, nazigesteuerten Militarismus in der ersten Phase der militärischen Auseinandersetzung seine „Erfolge“ leicht gemacht haben**.
*Zur Vorgeschichte dieser Fehleinschätzung: Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23.8.1939 war ein Nichtangriffsvertrag zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion mit einem geheimen Zusatzprotokoll. Zum geheimen Zusatzprotokoll siehe WikipediA „Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffspakt“: „Der Pakt garantierte dem Deutschen Reich die sowjetische Neutralität für den vorbereiteten Angriff auf Polen und den Fall eines möglichen Kriegseintritts der Westmächte. Ein geheimes Zusatzprotokoll ‚für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung‘ rechnete den größten Teil Polens sowie Litauen der deutschen Interessensphäre zu, Ostpolen, Finnland, Estland, Lettland und Bessarabien der sowjetischen.“
Nicht lange nach der Unterzeichnung des Pakts, am 17.9.39, überfiel die Sowjetunion Polen und besetzte ihre im Pakt vereinbarte Interessensphäre, nachdem Hitler am 1.9.39 Polen überfallen und damit den II. Weltkrieg begonnen hatte. Siehe dazu: https://www.dw.com/de/als-polen-verloren-war-der-sowjetische-%C3%BCberfall-vor-80-jahren/a-50449178.
**Zur Veranschaulichung der Folgen der anfänglichen Schwäche der Roten Armee: Kursk ist eine der Partnerstädte Wittens in Russland. Bei meinen Besuchen in Kursk in den 1990er Jahren bin ich immer wieder mit dem Thema „Panzerschlacht von Kursk“ konfrontiert worden. Diese Panzerschlacht wird als einer der Wendepunkte im Krieg zwischen der Sowjetunion und Nazideutschland gesehen. Mit welcher Mühe und mit welchen Verlusten die Erkämpfung einer militärischen Wende gegenüber der Wehrmacht für die Rote Armee verbunden war, macht das gut recherchierte Buch von Roman Töppel, Kursk 1943/Die größte Schlacht des zweiten Weltkriegs, 2017 Verlag Ferdinand Schöningh deutlich.