Mit Resolulitis zur Haushaltsgenehmigung?
Da ist sie wieder, die politische Krankheit der Resolulitis. Der Rat hat mit Mehrheit am 23.11.15 eine von SPD/CDU eingebrachte Resolution verabschiedet – Adresse: Ministerium für Inneres und Kommnales (MIK) NRW!! – mit dem Ziel, die strikten Regelungen des Stärkungspakts – Haushaltsausgleich bis 2016 mit (!) dem jährlichen Stärkungspaktzuschuss von 7,2 Mio. € – wegen unvorhersehbarer Belastungen vorübergehend außer Kraft zu setzen, um die Auszahlung der Stärkungspaktmittel wie eine Genehmigung des Haushalts 2016 zu retten.
→ Resolution (Antrag ist als Resolution verabschiedet worden) 0185_AG16_Antrag
Ich glaube nicht, dass die Resolution Erfolg haben wird. Papier ist eben geduldig.
Es ist richtig, dass die finazielle Situation der Stadt verzweifelt ist. Aber warum?
Ich versuche, mich einmal in die Sicht des angeschriebenen MIK auf die Stadt Witten hinein zu versetzen. Das Ministerium sieht und weiss:
– dass der Haushalt der Stadt Witten seit 1992 (!) wachsende Defizite aufweist (Defizit – Differenz zwischen einnahmen und ausgaben – Haushalt 2015: ca. 17 Mio. €*);
– dass der Schuldenberg der Stadt in dieser Zeit laufend gewachsen ist (prognostizierter Schuldenstand Ende 2015: Investitionskredite ca. 60 Mio. €, Liquiditätkredite ca. 335 Mio. €, Gesamtverschuldung ca. 400 Mio. €). Einen Schuldenabbau hat es nur bei den Investitioskrediten wegen des Rückfahrens von Investitionen gegeben. Auch der Stärkungspakt hat nicht zu einem Abbau der Schulden geführt, sondern die Höhe der Liquiditätskredite (Kassenkredite) nur um die kumulierte Summe der Stärkungspaktzuschüsse gedämpft (der aktuelle Schuldenstand der Stadt wäre ohne Stärkungspakt aktuell um ca. 29 Mio. € höher);
– dass die Haushalte der letzten drei Jahre nur mit Ach und Krach genehmigt worden sind. Ach und Krach deshalb, weil die im Rahmen des Stärkungspakts pflichtigen Sanierungspläne wegen „Luftbuchungen“ absehbar nicht eingehalten werden konnten und nicht eingehalten worden sind;
– dass Witten im negativen Städteranking eine besonders herausragende Rolle einnimmt – und das, ohne dass im Umfeld der Stadtverwaltung besondere negative Faktoren sichtbar wären (z.B. Strukturkrise der Wirtschaft). Die Stadt Witten ist schon seit 2010 überschuldet und gehörte deshalb zu den Kommunen, die frühzeitig pflichtig (!) dem Stärkungspakt beitreten mussten (!);
– dass die strukturellen und den Haushalt belastenden Probleme der Stadtverwaltung (Personalkosten, Personalbesatz), die seit den Untersuchungen der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) offen zu Tage liegen, sich nicht wesentlich verringert haben. Im Gegenteil: Jeder Tarifabschluss stellt eine neue, für die Sanierungsperspektive kritische Herausforderung dar.
Und das MIK weiss natürlich auch, dass es von der Stadt nicht zu verantwortende besondere Belastungen gegeben hat und gibt (z. B. durch Flüchtlinge), aber auch, dass andere Städte mit diesen Belastungen besser fertig werden als die Stadt Witten.
Das spezielle Problem Wittens sind eben nicht die nicht vorhersehbaren, sondern die vorhersehbaren Belastungen, die die Stadt immer weiter an den Rand des „Abgrunds“ („Abgrund“ wäre ein Sparkommissar, weil dann die begrenzte Finanzsouveränität des Rates vollständig aufgehoben wäre) und in enorm steigende Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger (Grundsteuer B, Gewerbesteuer etc. und Dienstleistungsabbau) manövrieren.
Aus Sicht des Innenministerium dürfte sich bei Empfang oben erwähnter Resolution die Frage aufdrängen, was denn die Stadt Witten in der Vergangenheit aus eigener Kraft und in eigener Souveränität für die Bewältigung ihrer Finanzprobleme getan hat und ob die eingeleiteten Massnahmen hinreichend gewesen sind.
Mich erinnert die Situation Wittens ein bisschen an Griechenland, allerdings auf hohem Niveau (Sie kennen das: „Klagen auf hohem Niveau“: Der Stadt Witten geht es jenseits des städtischen Haushalts relativ gut – allerdings dürfte der Anstieg der Gerwerbesteuerhebesätze – ab 2016 520%-Punkte – nicht zur Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Witten beitragen): Auch in Witten wäre die angemessene Reaktion des Landes auf die Resolution, nur bei tiefgreifenden strukturellen Reformen zu helfen – und die Stadt bei diesen Reformen zu unterstützen. Andernfalls würde sich Witten wie in der Vergangenheit wieder nur als ein Fass ohne Boden erweisen, und die Sanierung des Haushalts würde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.**
Ich werde übrigens bei den zu erwartenden Abstimmungen über höhere Belastungen der Bürgerinnen und Bürger (Grundsteuer B, Gewerbesteuer) gegen zu erwartende entsprechende Vorlagen stimmen.***
*Alle Angaben zu Defizit und Schuldenstand aus Haushalt der Stadt Witten 2015/Homepage der Stadt.
**Ich erinnere an dieser Stelle beiläufig daran, dass die durch den Stärkungspakt bedingte rigide Vorgabe der Haushaltssanierung qua Haushaltsausgleich („Schwarze Null“ mit Zuschuss 2016, ohne Zuschüsse 2021) auch eine soziale Komponente hat: Wachsende Zinsbelastungen und ein wachsender Schuldenberg belasten zukünftige Generationen.
***Wie ich auch in der Vergangenheit gegen Haushalte ohne reale Sanierungsperspektive gestimmt habe, weil sich selbst mit den erhöhten Belastungen ohne Bewältigung der hausgemachten strukturellen Probleme kein Licht am Ende des Tunnels der zunehmenden Haushaltsmisere abzeichnet.