Hopfen und Malz verloren: Programm neues bürgerforum/Wirtschaft, Arbeit und Soziales

Dieser Programmteil (zu finden unter www.buergerforum-witten.de/Wahlprogramm: https://buergerforum-witten.de/: Dort weitere Programmwirrniss*) ergeht sich in allgemeinem und nicht auf Witten bezogenem Geschwafel und bleibt – was Kommunalpolitik anbetrifft – unkonkret und unverbindlich. Zum Vergleich habe ich hinter meine Kommentierung und Kritik dieses Programmteils (in Rotfärbung) das alte Programm des Bürgerforums zu Wirtschaft aus 2014 noch einmal aufgenommen (in Blaufärbung)**. Fällt der Unterschied auf?

Wirtschaft

Wirtschaftlicher Erfolg kann in Deutschland nur durch hohe Qualität der Produkte, durch Nachhaltigkeit, Innovationen und zukunftsorientierte Waren erreicht werden. Deutschlands Wirtschaft ist zurzeit noch abhängig vom Export (Die Exportdominanz führt zur Benachteiligung anderer Länder). Schon allein hieraus erwächst eine Begründung für eine ausgleichende, gerechte (Soll z.B. der Export eingeschränkt werden?), auf friedlichen Handel und Fair-Trade (Wirklicher Fair-Trade, nicht nur kosmetischer mit ein Paar Prodüktchen, würde zum Wegfall der Kostenvorteile und zur Reduzierung der Profite deutscher Unternehmen führen) gerichtete Politik, die ein Interesse an Prosperität (Welcher Prosperität? Wie in China? Prosperität, Lebens- und Konsumstandard wie in Westeuropa weltweit? Das würde schnell zu einer weltweiten ökologischen Katastrophe führen) der Länder und Menschen haben muss. Jede Tendenz zu Aggressivität, Abschottung, zur Kriegsführung und Rüstungsproduktion ist abzulehnen (Was ist mit „Tendenz“ gemeint? Und wer soll „ablehnen“? Aggressivität, Abschottung, Kriegführung und Rüstungsproduktion finden doch aktuell in steigenden Ausmaß statt). Die Klimakrise, Globalisierung und Digitalisierung zwingen uns dabei zu einer anderen Art der Produktion und des Konsums. Umweltverträglichkeit, Sparsamkeit bei den Ressourcen, Nachhaltigkeit, Fair-Trade-Beziehungen und Zukunftsorientierung sind die Kriterien (Wessen „Kriterien“?). Einfach nur „weiter so“ kann es nicht geben (Gibt es aber leider noch ziemlich verbreitet).

In Witten haben wir die Besonderheit (Das dürfte wohl kaum eine Besonderheit im Ruhrgebiet sein!), dass die ehemals tragende Schwerindustrie auf 33% dermBeschäftigten zurückgegangen ist (Gibt es da nicht auch noch andere wirtschaftliche Bereiche?). Gleichzeitig ist die Gesundheitswirtschaft enorm gewachsen (Die „Gesundheitswirtschaft“ ist blöderweise eine „Wirtschaft“, die von Transfers aus anderweitig erarbeiteten Primäreinkommen lebt). Die Uni und das Forschungs- und Entwicklungszentrum sind Beispiele dafür, dass Witten sich wandelt (Uni und FEZ sind bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung in Witten randständig). Der Dienstleistungssektor wächst ebenso (Wo wächst der Dienstleistungssektor und in welchen Bereichen?).

Arbeit und Soziales

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist bedroht (Steht der Bürgerkrieg vor der Tür?). Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer (Ist das neu? Das ist doch in kapitalistischen Gesellschaftsformationen immer schon so gewesen). So haben in den letzten Jahren neoliberales Agieren Richtung Privatisierung sowie z.B. die Sozialgesetzgebung (Hartz IV) zu einer erheblichen Ungleichheit beigetragen (Richtig wäre „zu einer Steigerung der Ungleichheit“, die gab’s nämlich vorher auch schon in erheblichem Ausmaß). Prekäre Arbeitsverhältnisse haben auf diesem Wege zugenommen, die Reallöhne sind nicht im erforderlichen Maß (Wer bestimmt das „erforderliche Maß“?) mit der Produktivität gestiegen. Eines der negativen Resultate ist die ansteigende Armut, besonders die Kinder- und Altersarmut. Auch Frauen sind hart betroffen, die jahrzehntelang für Haushalt und Kindererziehung gesorgt haben, ohne dafür eine angemessene gesellschaftliche Anerkennung, gerechten Lohn oder eine ausreichende Rente zu erhalten.

Die Schere zwischen arm und reich darf nicht weiter auseinandergehen, sondern muss sich im Gegenteil schließen („darf nicht“, „muss sich“? Und da tritt das neue bürgerfoum auf und schüttelt die Faust? Und „im Gegenteil schließen“: Wie das? Sollen die Reichen so arm werden wie die Armen, oder die Armen so reich wie die Reichen?). In diesem Veränderungsprozess (Welchem Veränderungsprozess?) haben sich die Bedingungen nicht nur für Arbeiter und Angestellte (Doch nicht für alle in gleichem Maß: z. B. öffentlicher Dienst, Beamte), sondern auch für Kleinunternehmer, die Selbständigen und den Mittelstand verschlechtert, auch hier sind die Großen größer geworden und die Reichen reicher (s.o.: kapitalistische Gesellschaftsformationen: Tendenz der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, insbesondere unter den Bedingungen der Weltmarktkonkurrenz). Weltweit agierende Firmen wie Amazon, Google u.a., die teilweise gar keine Steuern in Deutschland zahlen, müssen ihrer Verantwortung endlich gerecht werden (Eine echte kommunalpolitische Herausforderung!). Sie müssen auch einen angemessenen Beitrag zahlen, die Vermögenssteuer muss wieder eingeführt werden (Die Vermögenssteuer wird die Gerechtigkeit mit Sicherheit herstellen! Fehlt nur noch die Millionärssteuer als Eintritt ins Gerechtigkeitsparadies. Im Übrigen hängt die wohl hier beabsichtigte Schließung der Gerechtigkeitslücke – wenn nicht nur den „Reichen“ sehr begrenzt an den Kragen gegangen werden soll – von der Verwendung der Steuern ab). So wichtig in Deutschland das Recht auf Eigentum ist, der gesellschaftliche Zusammenhalt und die sozialen Probleme lassen sich nur lösen (Der „gesellschaftliche Zusammenhalt“ soll „gelöst“ werden?), wenn, wie im Grundgesetz formuliert, das Eigentum gleichzeitig verpflichtet und dem Wohle der Allgemeinheit dient (Art.14 Abs.2) (Abgesehen vom Kauderwelsch: Das steht doch schon etwas länger im Grundgesetz, und die Kluft zwischen Arm und Reich ist trotzdem über die Jahrzehnte immer weiter gestiegen). So müssen sich auf der Arbeitnehmerseite auch die Löhne erhöhen (Gibt es da keine Tarifverhandlungen?), prekäre Beschäftigungen weniger werden und die soziale Absicherung stark verbessert werden. Hier muss die Bundespolitik korrigierend eingreifen (Das neue bürgerforum scheint auf dem Sprung zu sein, sich bundesweit formieren zu wollen! Ob da noch Zeit für Kommunalpolitik bleibt?). Perspektivisch könnte unserer Ansicht nach ein bedingungsloses Grundeinkommen die Armutsprobleme in Deutschland lösen (Zum bedingungslosen Grundeinkommen siehe mein Beitrag: „Bedingungsloses Grundeinkommen?“/6.2.19).

  • Alle Maßnahmen in diesem Bereich sind aber auch konsequent in Richtung Zukunftsfähigkeit zu überdenken (Vor allem: „überdenken“, nicht gestalten?), besonders das Klima und die Gerechtigkeit (Die Gerechtigkeit? Welche?) betreffend (allgemeines, unpräzises und unverbindliches Geschwafel).
  • Der Umbau von Industrie, Dienstleistung, Gewerbe und Handel muss ökologischen Grundsätzen folgen und klimafreundlich sein. Hier hat Deutschland mit seiner hoch entwickelten Technologie eine Vorreiterrolle, die durchaus auch Innovationen beschleunigen kann und hilft, veraltete Techniken und bedenkliche Emissionen zu vermeiden (allgemeines, unpräzises und unverbindliches Geschwafel).

Witten

  • Auf Witten konkretisiert („konkretisiert“? Ein Zusammenhang zwischen den Grundsätzen und der „Konkretisierung“ bezogen auf die Stadt ist nicht dargestellt) bedeuten diese Grundsätze:
  • die Stadt muss die Zukunftsfähigkeit der Industrie-Arbeitsplätze im Blick haben hinsichtlich des zu erwartenden technisch-ökologischen Wandels („im Blick haben“? Vielleicht per Fernrohr vom Rathausturm? Und nur die Industriearbeitsplätze?).
  • Die Industriebetriebe in Witten müssen strengste Auflagen hinsichtlich schädlicher Emissionen einhalten. Giftige PCB-Partikel, Feinstaub, besonders aber auch Lärm sind zu vermeiden (Was heißt „strengste Auflagen“? Sollen z.B. die DEW schließen, weil sie Feinstaub-Emittenten sind, oder reichen die Entstaubungsanlagen?).
  • Dem Leitbild der „Universitäts-Stadt an der Ruhr“ ist zu folgen.
  • Besonderes Augenmerk der städtischen Wirtschaftsförderung muss auf die Besonderheit Wittens als Sitz einer privaten Universität gerichtet sein (Ist die vergleichsweise kleine private Universität für das neue bürgerforum ein Fetisch? Zum Problem des Verhältnisses Stadt/Universität siehe mein alter Beitrag „Witten – Universitätsstadt?„/9.12.13, der im Kern aus meiner Sicht immer noch aktuell ist). Hier sind die Möglichkeiten, zukunftsorientierte Konzepte, innovative Ideen und nachhaltige Produkte zu entwickeln besonders hoch (Davon war im Laufe der letzten Jahre im Vergleich zu anderen Uni-Standorten wenig zu sehen).
  • Diese Möglichkeiten müssen besonders gefördert werden. Eine Zusammenarbeit von Uni und Stadt ist zu systematisieren und zu verstetigen (Wie soll diese Förderung stadtseitig aussehen? Durch Bürgschaften wie beim ZBZ? Finanziell dürften wohl angesichts der Haushaltskrise keine Spielräume bestehen. Und wie soll die „Systematisierung“ und „Verstetigung“ konkret aussehen? Hat das neue bürgerforum dafür Vorschläge?).
  • Die mittleren und kleinen Unternehmen brauchen in Witten bessere Entfaltungsmöglichkeiten, dazu gehören auch mehr Gewerbegebiete. Diese sind gut auf dem ehemaligen Thyssengelände in Annen zu errichten. Das Gelände von 80.000 m² muss ohnehin saniert und einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden (Das ehemalige Thyssengelände ist als Gewerbegebiet schon beschlossen und wird entwickelt. Allerdings gilt grundsätzlich bei dem „Brauchen“ der „kleineren und mittleren Unternehmen“ wie beim Wohnen: Der größte Teil der relativ unproblematisch nutzbaren Flächen ist in Laufe der Jahrzehnte vernutzt worden und vollgelaufen. Insofern steht jede weitere Flächenausweisung in Gefahr, mit Zielen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes zu kollidieren: s. Vöckenberg in Stockum und Erdbeerfelder in Heven. Ein irgendwie klare Präferenz im Konfliktfall ist diesem Programmentwurf leider nicht zu entnehmen).
  • Beispielhaft muss der Grünzug Vöckenberg als besonders wertvolle Ackerfläche erhalten bleiben (Hier haben wohl die Autoren des Programmentwurfs etwas nicht mitbekommen. Das Hauptproblem des Vöckenbergs ist nicht der Ackerboden, sondern der Regionale Grünzug – der Vöckenberg ist Teil eines regionalen Grünzugs – und die Frischluftschneise. Übrigens gilt das auch für die „Erdbeerfelder“ in Heven. Der Regionale Entwicklungsplan des RVR ist noch nicht verabschiedet!)
  • Und immer da, wo die Stadt selbst als Arbeitgeber auftritt, muss sie Vorbild sein und die oben genannten Grundsätze berücksichtigen.
  • Dem Trend, städtische Leistungen auszulagern, d.h. an private Dienstleister zu übertragen, ist entgegenzuwirken. In der Regel wird die Leistung für die Bürger hierdurch teurer und/oder schlechter (Gibt es diesen Trend? Wo? In Witten? Und teurer sind die städtischen Dienstleistungen durch überdurchschnittliche Bezahlung im Vergleich zu privaten Dienstleistern allemal. Die erwirtschaften nämlich ihren Kostenvorteil auf dem Rücken der Beschäftigten).
    Bauten, die mit öffentlichen Geldern errichtet werden, sind streng nach Maßstäben der Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit zu errichten (Werden sie selbstverständlich jetzt schon).
  • Besonders bei der Beschaffung für städtische Einrichtungen, angefangen beim Papier über Kleidung und Wäsche bis hin zu Geräten, Fahrzeugen etc. ist generell die Ökologie und der Fair-Trade zu beachten (Siehe zu Fair-Trade den Kommentar im Beitrag „Hopfen und Malz verloren? Demokratie, Fair-Trade, Städtepartnerschaften“/14.6.20).“

*Hier weitere Beiträge von mir zur Programmwirrniss des neuen bürgerforums: „Hopfen und Malz verloren?„/8.6.20, „Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Kultur„/8.6.20, „Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Finanzen„/8.6.20, „Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Stadtentwicklung„/10.6.20, „Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Präambel„/12.6.20, „Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Demokratie, Fair-Trade, Städtepartnerschaften„/14.6.20, „bürgerforum: Da ist wirklich Hopfen und Malz verloren„/22.6.20, „Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Sport„/6.7.20.

**Hier das alte Programm des bürgerforums aus 2009/2014 zu „Wirtschaft“ zum Vergleich. Alles neu macht der Mai (und besser)? Leider nicht. Eine leichte Überarbeitung und Aktualisierung wäre angemessen gewesen. Stattdessen ein schwer verdaulicher Programmschrott. Es gehört schon eine Menge Unverfrorenheit oder Naivität dazu, damit in den Wahlkampf zu ziehen und in den Rat gewählt werden zu wollen.

Für eine aktive Wirtschaftsförderung

Wirtschaftsförderung von Seiten der Stadt wurde und wird in Witten abwartend und
passiv betrieben. Mit Hilfen bei Verlagerung und Ansiedlung, Zur-Verfügung-Stellen von
verbilligten Grundstücken und indirekten Subventionen allein kann aber eine
Strukturverbesserung nicht erreicht werden. Im Gegenteil: Viele Möglichkeiten sind durch
eine ineffiziente Verschleuderung von Flächen und Finanzmitteln verpasst worden.
Jetzt steht die Wirtschaftsförderung unter dem Druck sich drastisch verschlechternder
Rahmenbedingungen (fehlende Finanzen, knapper werdende Flächen, zurückgehende
Fördermittel).

In dieser schwierigen Lage werden wir uns für folgende Forderungen einsetzen:

 Qualitative Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Witten. Voraussetzung hierfür ist eine
tragfähige Stärken-Schwächen- Analyse. Der im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts
(STEK) erstellte Masterplan Wirtschaftsflächen muss überarbeitet, ergänzt und
fortgeschrieben werden;

 Steigerung der Attraktivität als Wirtschaftsstandort in Zusammenarbeit mit der Fakultät
für Wirtschaftswissenschaften unserer Universität;

 Offensive Standortwerbung im regionalen Verbund. Auf der Basis eines
Entwicklungskonzepts muss gezielt um Unternehmen und Investoren geworben werden.
Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit Privaten anzustreben;

 Bessere Nutzung der Lage Wittens zwischen drei Großstädten: Ausnutzung der
Synergiepotentiale. Nutzung und Ausbau eigener Vorteile;

 Entwicklung tragfähiger Konzepte für bestehende Industriebrachen in enger
Zusammenarbeit von Stadtplanung und Wirtschaftsförderung. Eine vorsorgende Planung
für zukünftige Brachen darf kein Tabu sein;

 Ein wirksames nach innen und außen gerichtetes Stadtmarketing. Schwerpunkt sollte
nicht nur der Tourismus, sondern die integrierte Verbesserung des gesamten Standorts
Witten sein;

 Gezielte Unterstützung des Innenstadt – und Stadtteileinzelhandels in Fortführung der
tragfähigen Elemente des Masterplans Einzelhandel. Wirksame Unterstützung von
Immobilien- und Standortgemeinschaften;

 Verstärkte Förderung der Entdeckung von Marktnischen und unternehmerischen
Talenten der eigenen Stadt durch städt. Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing;

 Bildung von Netzwerken zwischen Unternehmen einer Branche, um die Kooperation von
Stadt und Wirtschaft zu verbessern, z.B. Unterstützung von Versorgungsnetzen im
Gesundheitsbereich, um den Standort Witten für Mediziner und Patienten attraktiv zu
machen;

 gemeinsame Präsentation der Netzwerke nach außen;

 Verstärktes Engagement Wittens in der Region Mittleres Ruhrgebiet.“