Hopfen und Malz verloren?/Programmentwurf Stadtentwicklung
Hier der Programmentwurf zur Stadtentwicklung (Meine Bewertung und Kritik in Rotfärbung). Und wieder: Unausgegorenes Gebräu. Auch dieser Programmentwurf ist nicht tragfähig.
„Stadtentwicklung
Jedes Konzept der Stadtentwicklung muss zwingend eine Integration der Bereiche Wohnen, Arbeiten, Verkehr und Freizeit leisten. Isolierende Teilplanungen machen keinen Sinn. Statt kurzfristiger Maßnahmen ist eine langfristige, nachhaltige Orientierung auf die Zukunft erforderlich. Die beteiligten Dezernate und Ausschüsse müssen entsprechend koordiniert werden, um zu einer gemeinsamen Planung zu kommen (Das passiert doch – abgesehen von der Nachhaltigkeit – jetzt schon, aber Orientierung auf welche Zukunft? Wie soll das im Vergleich zur gegenwärtigen Situation anders laufen?).
Witten braucht ein entsprechendes Wirtschaftsförderungskonzept, das Investitionen in den Wirtschaftsraum Innenstadt attraktiv macht durch niedrigere Gewerbesteuern, bezahlbare Mieten und ein Management für eine moderne Infrastruktur der Räume (Niedrigere Gewerbesteuern werden wegen der Haushaltslage kaum möglich sein, die Mieten werden von den privaten Immobilieneigentümern festgesetzt, und „Management für eine moderen Infrastruktur der Räume“ ist einfach eine leere Worthülse. Eine Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) ist vor einiger Zeit wegen mangelndem Interesse leider gescheitert. Fazit: Ein irgendwie geartetes konkretes Problembewusstsein der Schreiber_innen dieses Programms ist hier nicht zu erkennen).
Die Bedürfnisse der Menschen im Quartier müssen im Kern der Stadtentwicklung stehen (Das mit den Quartieren ist ein Sparren und entspricht – abgesehen von wenigen Ausnahmen, z.B. Wiesenviertel und begrenzt dem Hohenzollernviertel – nicht der Selbstwahrnehmung der Bewohner_innen: Für Stadtplanung viel zu kleinräumig. Richtiger Bezugspunkt ist der Stadtteil).
Dafür brauchen wir Freiräume, von Stadtplanern „weiße Flächen“ genannt, um diese Entwicklung
einzuleiten (Wo soll es in Witten derartige „weiße Flächen“ geben und welche Stadtplaner nennen Flächen so?). Diese wollen wir im Rahmen der Stadtentwicklung für Eigeninitiativen der Anwohner verfügbar machen. Das mag die gemeinsame Nutzung eines leerstehenden Ladengeschäftes sein oder die Möglichkeit, eine kommunale Freifläche für einen Abenteuerspielplatz zu nutzen (Bezahlen die Anwohner dann auch die Miete für die leerstehenden Ladengeschäfte? Soll das – abgesehen von Einzelfällen – eine Lösung für den Leerstand im Einzelhandel sein?).
1. Dachpark
Wegen der zunehmenden Erderwärmung streben wir innerstädtische grüne Flächen an, die Wasser
aufnehmen und für Kühlung sorgen. Die Idee hinter dem Begriff Dachpark ist, diese auf verfügbaren Flachdächern der Innenstadt zu errichten, gemeinsam mit Photovoltaik. Da wächst nicht nur das gewünschte Grün, sondern es nimmt auch einen Hotspot weg. Ein bitumengedecktes Flachdach speichert Hitze und strahlt sie nachts in den Stadtraum zurück, ein Gründach tut das nicht (Das dürfte sich wegen der privaten Immobilieneigentümer und der Kosten großflächig – Park! – kaum realisieren lassen. S.o. Immobilien- und Standortgemeinschaft. Und auf einer kleinen Fläche bringt es nicht viel).
Unsere Vision sind begehbare, öffentliche Parks auf den weitläufigen, verbundenen Dächern der Innenstadt, die auf diese Weise die Lebensqualität enorm steigern. Wir verwenden dabei bisher ungenutzte Flächen, verbessern ihre Funktion z.B. durch urban gardening und erweitern so den Öffentlichen Raum (Helmut Schmidt soll gesagt haben: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Das ist so allgemein nicht richtig. Es gibt sicher auch produktive Visionen. „Unsere Vision“ gehört aus meiner Sicht nicht dazu. Und wer ist „wir“?).
In den Konzepten der weißen und grünen Flächen (In welchen Konzepten?) bevorzugen wir genossenschaftliche Bewirtschaftung als Bürgerbeteiligung. Ein besonderes Quartier ist die Innenstadt (Die Innenstadt ist in der geltenden Stadtplanung richtigerweise ein Stadtteil), wo sich Lebens-, Arbeits-, Wohn- und Geschäftsflächen zur Entwicklung von bunten Flächen eignen. Aktuell ist es recht grau, einige Schaufenster auch schwarz. Hier eine bunte Mischung aus kleinen und großen Geschäften plus Unterhaltung, Sport, Spiel und Gastronomie zusammen zu bringen, wäre eine Alternative (Stadtplanung ist kein Spiel mit Bauklötzchen!). Wir haben in der Innenstadt die nötige Infrastruktur, es fehlt nur das umfassende Geschäftsmodell (Alles ausphantasierter und nicht umsetzbarer Kram). Zusätzlich ist die Anbindung an den ÖPNV hier hervorragend.
2. Infrastruktur
Das Quartier (Schon wieder der Sparren mit den Quartieren) ist als Mittelpunkt für Leben und Arbeiten (Wird das den Bewohner_innen verordnet? Schierer Unsinn) so zu entwickeln, dass sich die meisten täglichen Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen lassen. Fahrradstraßen verbinden wiederum die Quartiere und führen zu den Knotenpunkten des ÖPNV (Es gibt in Witten ein beschlossenes Radverkehrskonzept. Schon mal davon gehört? Was ist damit?). Fahrräder lassen sich im ÖPNV mitnehmen, so dass insbesondere die Höhenunterschiede zwischen den Stadtteilen bequem zu überwinden sind (Der ÖPNV in Witten ist Kreisangelegenheit!). Ergänzend muss ein übergreifendes Mobilitätssharing für Witten gefördert werden (Wer soll das fördern?). An den Knotenpunkten und Endpunkten des ÖPNV können sich dann Mietwagen, Taxen und Leihfahrräder anschließen.
Gutes Beispiel ist der world car free day, der bereits 2019 in den Stadtrat eingebracht wurde.
Damals hat die Mehrheit im Rat für diesen Bürgerantrag gestimmt, aber er muss auch realisiert werden (Was hat das mit Infrastruktur zu tun? Siehe zum „autofreien Tag“ mein Beitrag „Autofreier Tag: Chillen gut, Klimaschutz mangelhaft?„/22.8.19).
3. Grüne Stadtplanung
Die Stadt soll sich dazu verpflichten, wo immer möglich dezentrale Energieversorgung für Neubau und Sanierung in den Satzungen festzuschreiben: Photovoltaik auf Dächern und an Fassaden, sowie Dach- und Fassadenbegrünung. Diese Vorgaben sollen im gewerblichen und im Wohnbereich gelten.
Zur ökologischen Stadtplanung gehört auch, dass der vorhandene Grünzug zwischen dem Saalbau – Haus Witten, dem Stadtpark, Hammerteich und Hohenstein eine Aufwertung erfährt (Und was ist mit den anderen Grünzügen? Können die vernachlässigt werden?).
Dieser Grünzug ist durch einen gestalteten Wanderweg (Was ist mit „gestalteter Wanderweg“ gemeint?), der bereits fast komplett vorhanden ist, miteinander so zu verbinden, dass Wittener und Touristen diese identitätsstiftende hervorragende Lage zwischen Stadt und Ruhr erleben können (Das können sie auch jetzt schon). Der Hammerteich ist in dem Zuge zu erhalten und aufzuwerten.
(Fazit: Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind extrem bescheiden. Diese Stadtplanung ist nicht grün.)
4. Wohnen
Der demografische Wandel durch die Alterung der Gesellschaft und der Zuzug von Studierenden sowie Einwanderern (Sind die nur männlich?) werden auch in den kommenden Jahren die Wohnsituation in unserer Stadt verändern (S.u. „Kein Handlungskonzept, sondern unverbindliches Potpurri„/22.1.18 und die entsprechenden Analysen. Mensch muss das Rad nicht neu erfinden, sondern sich vielleicht kundig machen).
Wir benötigen für alle Bürgerinnen und Bürger ein bedarfsgerechtes Angebot an Wohnungsformen (Frommer Wunsch, aber welcher Bedarf und wer sorgt für die Finanzierung des Benötigten?).
Sozialer Wohnungsbau muss in Zeiten von Altersarmut und Einkommensschere wieder mehr Bedeutung erlangen und realisiert werden. Hier muss auch barrierefreies Wohnen eine große Rolle spielen (Muss? Wie und wo denn? Im übrigen ist das Hauptproblem nicht der fehlende Zubau, sondern das Steigen der Mieten nach Wegfall der Bindung in Sozialen Wohnungsbau – siehe dazu mein Beitrag „Sozialwohnungen – eine Lösung für die Aufhebung des zu erwartenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum für ärmere MieterInnen*?/2.2.18).
Wir wollen eine Bereitstellung von Bauland zu erschwinglichen Preisen erreichen, besonders für junge Familien (Wo denn bei gegebenem weitgehenden Volllaufen der vertretbaren Flächen? Und wenn die Bereitstellung von Bauland mit der Nachhaltigkeit kollidiert – Vernutzung von für Klima und Nachhaltigkeit wichtigen Frei- und Grünflächen?).
Hierbei sollen alle Baulücken, die sich in öffentlicher Hand befinden, erfasst und vorrangig nutzbar gemacht werden, wie von der Stadt bereits angedacht (Das dürfte nur eine geringe Anzahl sein. Im übrigen muss nicht jede Baulücke zugebaut werden – Klimawandel: Frischluft, Stadtgrün!).
Ein Handlungsprogramm „Wohnen 2030“ ist daher dringend erforderlich, um eine Gestaltung des gebotenen Veränderungsprozesses zu erreichen. Dieses sollte federführend von der Siedlungsgesellschaft Witten unter Einbeziehung aller Wohnungsgesellschaften in unserer Stadt erstellt werden. Eine umfassende Beteiligung der Bürgerschaft sind zu gewährleisten (Den Schreiber_innen des Programms ist offensichtlich nicht bekannt, dass seit Mai 2018 ein beschlossenes „Handlungskonzept Witten Wohnen 2030“ vorliegt. Siehe dazu aber meine Beiträge „Kein Handlungskonzept, …“/22.1.18 (s.o.) und „Wohnungsbedarf 2030 geringer als prognostiziert“/20.2.20. Und die Siedlungsgesellschaft Witten hat nun wirklich anderes zu tun – nämlich in ihren engen Grenzen für qualitativ guten und preiswerten Wohnraum zu sorgen -, als die Federführung bei solchen Konzepten zu übernehmen: ein Sparren!).
5. Verkehr
Witten braucht ein neues Verkehrskonzept. Die Feinstaubbelastung in der Innenstadt ist zu hoch (Warum ist die zu hoch? Wann ist das gemessen worden?), der Lärm krank machend und die Parkplatzsituation nicht zufriedenstellend (Mehr Parkplätze?). Die verschiedenen Zweige des Verkehrs müssen optimal ineinandergreifen.
Eine erste Lösung besteht im kostenlosen (Beispiele Luxemburg, Augsburg und Monheim) oder extrem günstigen Nahverkehr mit Elektrofahrzeugen auf Ökostrombasis oder anderen umweltfreundlichen Antrieben (s.o.: Der ÖPNV in Witten ist Kreisangelegenheit).
Die Fahrradwege in Witten müssen verbessert werden, eine Fahrradstraße zwischen der Uni,
Annen und der Innenstadt ist einzurichten (Schon mal etwas vom Umbau der Pferdebachstraße und der damit verbundenen geplanten Verbesserung der Fahrradwege gehört?).
Die Innenstadt braucht eine Ausweitung der Fußgängerzone, beginnen mit dem Zentrum des
Wiesenviertels (Natürlich wieder das Wiesenviertel. Und wo soll die Anlieferung für die Stadtgalerie erfolgen? Wie wär’s denn bescheidener mit Teilen der Ruhrstraße?). Mittelfristig ist die Innenstadt autofrei zu halten. Das Parken muss unterirdisch organisiert werden. Ebenso sind die Stadtteile umzugestalten und Fußgängerzonen mit
unterirdischen Parkplätzen zu versehen (geballter Unsinn).
6. Herbeder Brücke
Der Neubau der Herbeder Brücken bedeutet eine ca. 4-jährige Unterbrechung der für alle Herbeder so wichtigen Verbindung zur Innenstadt und auch zu den angrenzenden Bochumer Stadtteilen. Die politische Formation X unterstützt die Pläne, die der Bürgerkreis Herbede e.V. selbst entwickelt hat. Dicht neben der jetzigen Brücke sollte der Neubau errichtet werden. Danach erst soll der Abbruch der alten Brücke, die nach jetzigem Stand noch mehr als 10 Jahre befahren werden könnte, erfolgen. Dieser Vorschlag ist ein gutes Beispiel für gelungenes bürgerschaftliches Engagement (Da gibt’s nicht viel zu unterstützen. Die Brückensanierung liegt allein in der Zuständigkeit des Landesbetriebs Straßenbau NRW*).
7. Seilbahn
Ähnlich wie für Bochum angedacht, soll Witten ein Konzept für eine Seilbahn entwickeln. Die „Stadtplaner“ wollen eine Verbindung zwischen den 3 Universitäten Bochum, Witten-Herdecke und der TU Dortmund. Auf Wittener Gebiet ermöglicht unser Vorschlag eine Verbindung zwischen Heveney –Zeche Nachtigall – Zentrum – Hohenstein und Universität. Der Flächenbedarf dafür wäre minimal, ökologisch unbedenklich, wenn mit Ökostrom betrieben. Der Individualverkehr hätte eine schöne Alternative und die Attraktivität Wittens als „Universitätsstadt an der Ruhr“ hätte eine zusätzliche Zukunftsperspektive (Die „Stadtplaner“ heißen in Wirklichkeit „Stadtgestalter“ – siehe deren Website. Das Projekt bezieht sich bisher allein auf den Bochumer Raum und dürfte auch dort kaum sinnvoll und realisierbar sein – siehe dazu die Kommentare auf der Website der „Stadtgestalter“/Stichwort „Seilbahnprojekt“. Bezogen auf eine Verbindung zwischen den Unis Dormund, Witten und Bochum wäre das – ein vormaliges, uraltes Klaus-Lohmann-Projekt aus den 80er Jahren! – totaler Unsinn: ineffektiv, viel zu teuer und wegen des hohen Abstimmungsbedarfs zwischen den Städten nicht realisierbar. Wie die Kommentatoren auf der Website der „Stadtgestalter“ schreiben: Das Geld sollte besser in die Verbesserung und den Ausbau des bestehenden ÖPNV gesteckt werden.)“.
*Ergänzung 19.6.20: Am 16.6.20 schreibt ein Kommentator Vom Dach1 zu dem WAZ-Online-Artikel „Brücken-Neubau in Witten-Herbede: Lakebrücke als Ersatz“/15.2.20: „Die Idee, eine Parallelbrücke zu errichten, damit der Verkehr während der Bauarbeiten weiter fließen kann, könne laut Straßen NRW nicht verwirklicht werden, sagte Stadtbaurat Stefan Rommelfanger bei der CDU. Es sei zu eng dafür. Grund seien private Grundstücke und das direkt an der heutigen Brücke liegende Haus Herbede.“ Auf Nachfrage bestätigt mir Herr Rommelfanger die Äußerung. Damit dürfte sich der Vorschlag des Bürgerkreises Herbede jetzt schon erledigt haben.