Kutschaty: Ist so ein Ende der Wittener Haushaltsmisere zu erreichen?

Am 12.4.22 berichtet die WAZ-Online im Zusammenhang mit einem Besuch des SPD-Spitzenkandidaten Kutschaty (So will SPD-Spitzenkandidat armen Städten wie Witten helfen), dieser mache sich für einen Schuldenschnitt auch für Witten stark. Was ist davon zu halten und würde eine solche Übernahme der Schulden durch das Land und den Bund die endemische Finanzmisere Wittens verbessern?

Sehen wir genauer hin. Abgesehen davon, dass sich die Schulden ja nicht in Luft auflösen, sondern nur auf andere staatliche Instanzen übertragen werden und deren ja auch nicht unerhebliche Schuldenlast vergrößern, dürfte der „Heilungseffekt“ bescheiden sein. Die Kreditaufnahme (Schulden) Wittens beläuft sich ausweislich des Haushaltsplans 2022 auf ca. 423,5 Mio. €, davon 366,5 Mio. € Liquiditätkredit und 49 Mio. € Investivkredit. Diese Kreditaufnahme führt zu einem Zinsaufwand von ca. 4 Mio. €. Bei einem Schuldenschnitt würden also diese 4 Mio. € weg fallen.

Immerhin, könnte mensch denken. Allerdings muss diese Entlastung ins Verhältnis zum aktuellen Defizit gesetzt werden. Das Defizit beträgt im Haushaltsplan 2022 ca. 20 Mio. € und würde nach Wegfall der 4 Mio. € Zinsen immer noch 16 Mio. € betragen.

Fazit: Das zentrale Problem liegt nicht in der aktuellen Zinsbelastung (zumindest so lange nicht, wie Zinsen nicht steigen), sondern in der Vermeidung eines erneuten Einstiegs in die Verschuldung. Um den neuen Einstieg zu verhindern, müssten aber die strukturellen Probleme, die in der Vergangenheit zum endemischen Defizit und Schuldenanstieg unserer Stadt geführt haben und weiterhin führen, wirksam bearbeitet werden.

Dazu dürfte es aber speziell in Witten nicht reichen, wie Kutschaty einen Schuldenschnitt und eine bessere finanzielle Grundausstattung der Kommunen zu fordern, weil es nicht allein um mehr Geld, sondern um dessen problemmindernde (defizit- und nachhaltig schuldenmindernde) Verwendung gehen müsste. Der ausgelaufene Stärkungspakt – immerhin durch einen ehemaligen SPD-Innenminister initiiert – war ein aus meiner Sicht sinnvoller Ansatz (Koppelung von finanzieller Hilfe, Haushaltsdisziplinierung und Kontrolle – z.B. über die GPA/Gemeindeprüfungsnastalt). Dieser Ansatz müsste weiter geführt und stadtspezifisch verfeinert werden, um zu vermeiden, dass über einen Schuldenschnitt nur ein kurzfristiges Strohfeuer produziert wird.

Im Übrigen – zum Titel des WAZ-Artikels und gegen eine immer wieder kolportierte falsche Behauptung – gilt nach wie vor, das Witten keine „arme“ Stadt ist. Hier ein immer noch aktuelles Zitat aus meine Analyse „Stärkungspakt Prognose Witten/2012/S. 5**:

„- Witten gehört in Hinblick auf Überschuldung also zu den Vorreitern unter den 34 Kommunen, weil die Stadt schon 2010 überschuldet war.
– Die Wittener Stadtverwaltung produziert seit 1992 ein kontinuierlich wachsendes Haushaltsdefizit (1992: ca. 23 Mio. DM). Der Haushalt wird seit 2002 als Nothaushalt mit einem nicht genehmigten Haushaltskonsolidierungskonzept (nicht genehmigte Haushalte) gefahren.
– Gehört Witten deshalb zu den armen Kommunen? Würde mensch jemanden, der 200.000 €/Jahr verdient, aber 240.000 €/Jahr ausgibt, als arm bezeichnen? Doch wohl nicht.“

*Siehe dazu auch illustrativ meine Beiträge „Wittener Finanzmisere – Kein Licht am Ende des Tunnels?„/30.11.15 und „Wittener Haushalt – Licht am Ende des Tunnels, aber wie??„6.1.16

**Stärkungspakt-Prognose3. Siehe auch mein Beitrag „Was bedeutet der Stärkungspakt für Witten?„/12.3.13