Rückblick: Verpasste Chancen
Ich stelle hier aus aktuellem Anlass (Haushaltsreden Haushalt 2015, siehe dazu mein Beitrag „Städtischer Haushalt 2015 …„) zwei Reden vor, die ich in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender der Grünen (1990 bis 1997) gehalten habe. Die 97er-Rede war meine letzte als Fraktionsvorsitzender.
→ Haushaltsrede zum Haushalt 1994 Haushaltsrede 1994
→ Haushaltsrede zum Haushalt 1997 Haushaltsrede 1997
Wer die Rede aus 1994 liest, wird feststellen, dass sich einige Argumente – vor allem die Klage über mangelnde Finanzierung kommunaler Aufgaben durch Land und Bund – in den aktuellen Haushaltsreden wiederfinden. Revolutionär war die Forderung nach (allerdings durch Gegenleistung zu begründender) Erhöhung der Gewerbesteuer, die damals bei der SPD absolut tabuisiert war.
1997 hat sich dann mein Fokus – im Nachhinein aus meiner Sicht richtigerweise – auf die Notwendigkeit innerer Reformen der Stadtverwaltung verschoben.
Dazu zwei Anmerkungen:
– Einziger Adressat meiner Angriffe war 1997 die SPD, weil diese erst 1999 ihre absolute Mehrheit verloren hat, also bis 1999 in Vollverantwortung für alles stand, was der Wittener Rat beschließen konnte (siehe dazu mein Beitrag „Nichts ohn‘ Ursach …„).
Allerdings muss nach mittlerweile 18 Jahren bilanzierend fest gehalten werden, dass auch nach 1999 weder von der Opposition (insbesondere der vormaligen größten Oppositionspartei, der CDU) noch von wechselnden Bündnispartnern der SPD Reformimpulse in Hinblick auf die Verwaltung ausgegangen sind.
Wir wissen wohl mittlerweile durch Städtevergleiche der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) in 2007 und 2010, dass Witten sich im Städtevergleich eine der teuersten und personalintensivsten Verwaltungen geleistet hat und leistet. Konsequenzen in Richtung durchgreifender Reformschritte innerhalb der Verwaltung hat das aber bisher nicht gezeitigt – weder bei den Fraktionen noch bei den jeweils amtierenden hauptamtlichen BürgermeisterInnen. Konsequenz: Ein teures Verwaltungsmuseum verbunden mit einer sich verschärfenden Finanzkrise, verfallender oder notdürftig geflickter öffentlicher Infrastruktur und reduzierten Dienstleistungen (Stichwort: „Aufgabenkritik“/zur aktuellen Finanzkrise immer noch instruktiv mein Beitrag „Was bedeutet der Stärkungspakt für Witten?„).
Die in der Rede aus 1997 angesprochene „Bedrohung“ durch direktes Bürgerengagement, die 1997 durch das erfolgreiche Bürgerbegehren (und den späteren äußerst erfolgreichen Bürgerentscheid) gegen den damals geplanten „Rathausanbau“ akut schien, ist in den Folgejahren durch Verwaltung und dominante Politik (leider mit tatkräftiger Unterstützung der Wittener Grünen) immer wieder – entweder direkt oder durch jahrelanges Aussitzen – „abgewehrt“ worden (Bürgerbegehren gegen Schließung und Abriss des Stadtbads, gegen die Verlagerung der ARR, gegen die Ansiedlung von Lidl im Gerberviertel, gegen die Schließung der Grundschule Durchholz, gegen die Ansiedlung von Edeka im Gerberviertel), so dass die Lust auf direkte Demokratie eher der Resignation gewichen sein dürfte.
Sollte das zutreffen, war das von der Verwaltung und dominanter Politik immer wieder ausgesandte Signal „Widerstand ist zwecklos“ (Wir kennen das aus „Star Trek“ von den Borg) nicht im Sinne der Stadt, aber der ungestörten Ruhe der Verwaltung erfolgreich. Über zurückgehende Wahlbeteiligung sollte sich dann niemand wundern.
Hoffnung? Überfällig sind die Verwaltungsreformen immer noch, und ausweglose Situationen sollte es eigentlich nicht geben. Zum zurück liegenden Umgang der amtierenden Bürgermeisterin mit Verwaltungsreform siehe mein Beitrag „Nach uns die Sintflut …“.
Übrigens: Der Wittener Rat bestand bis 1999 dank der 5%-Hürde aus übersichtlichen 3 Fraktionen: SPD, CDU und Grüne. Nach 1999 kam dann die FDP wieder hinzu (seit 1984 nicht mehr im Rat).
Ergänzung 25.01.15: 1999 habe ich als unabhängiger Kandidat für das Amt des hauptamtlichen Bürgermeisters kandidiert. Mein Ergebnis im ersten Wahlgang: 3349 Stimmen/8,4%. Zu meinem damaligen Programm gehörte auch der Komplex Verwaltungsreform:
→ Mein Programm: Verwaltungsreform Bürgermeisterwahlprogramm 1999 Verwaltungsreform
Gewählt wurde in der Stichwahl mit knapper Mehrheit (ca. 1500 Stimmen) Klaus Lohmann (gegen die CDU-Kandidatin Gabriele Preibisch). Danach war von Verwaltungsreform aus Sicht des Bürgermeisters keine Rede mehr. Ich verweise auf die Stichworte meines Programms: Filz, Betriebsblindheit.