Städtischer Haushalt 2015: Inkompetenz, Desinteresse und Perspektivlosigkeit

Die Stadt Witten befindet sich in einer gravierenden Haushaltskrise, und dann das! Nicht nur, dass die Mitgliederfraktionen der sog. GroKo, SPD und CDU, es nicht mehr nötig haben, ernst zu nehmende Haushaltsreden zu halten – mensch hätte schon gern gewusst, welche Lösungsperspektiven für die Misere die Mehrheitsfraktionen haben -, die oppositionellen Fraktionen offenbaren mit ihren Reden Inkompetenz, Desinteresse und Perspektivlosigkeit. Der Tenor lässt sich zusammenfassen:

– Bund und Land sollen zahlen – werden die aber nicht, weil sie selbst enorme Haushaltsprobleme zu bewältigen haben.
– Hausgemachte strukturelle Ursachen für die Haushaltskrise sind der Opposition offenbar nicht bekannt – obwohl die in der Vergangenheit hinreichend durchleuchtet worden sind – siehe 2 GPA (Gemeideprüfungsanstalt)-Untersuchungen und das aktuelle Haushalts-Genehmigungspapier der Bezirksregierung (siehe mein Beitrag „Extrem dünnes Eis: Einbruchsgefahr!“ 02.12.14): Die drückenden Personalkosten werden ausgeklammert.
– Lösungsvorschläge, soweit vorgetragen, beziehen sich auf vergleichsweise peanuts*.
– Durchgehende Tendenz: Mitmachen bei der Sparrace: Sparen, Sparen, Sparen – als ob die Zitrone nicht schon in den vergangenen Jahren auf Kosten der Bürger weitestgehend ausgequetscht worden wäre.

Einzige Ausnahmen:

– Die Linke, die sich aber im Wolkenkuckucksheim der Millionärssteuer und in irdischen Regionen im Orientexpress der finanziellen Bestversorgung der Stadtverwaltung bewegt.
– Die FDP, die das Problem „steigende Personalkosten der Stadtverwaltung auf Kosten bürgernaher Dienstleistungen und Investitionen“ ahnt, aber wieder Stellen mit Personalkosten verwechselt und mit einem absolut schrägen und undurchdachten Sparvorschlag daher kommt.

Der FDP-Antrag lautet: „Der Rat beschließt eine (lineare) Absenkung der vollzeitverrechneten Stellen in der Verwaltung der Stadt Witten auf 7,5 von Tausend der aktuellen Einwohner des jeweiligen Vorjahres bis 2025. …“ (FDP-Antrag „Absenkung der vollzeitverrechneten Stellen in der Verwaltung der Stadt Witten“ (13.10.14) FDP Antrag Personalentwicklung).

Ein einfaches Nachrechnen macht den Unsinn deutlich: 2014 hat Witten ca. 98.000 Einwohner. 7,5 von Tausend dieser Einwohnerzahl macht 735. Die Wittener Verwaltung verfügt aktuell über ca. 1.100 vollzeitverrechnete Stellen. Eine Absenkung wie gefordert würde die Wittener Verwaltung in 2015 auf 712 Stellen reduzieren, im Jahr darauf auf 690 Stellen usw.. Was haben sich die Antragsteller bei ihrem Antrag bloß gedacht?

Wenn das, was da vorgetragen worden ist, das politische Profil der „Opposition“ darstellt, kann es einem nur grausen. Für die Bürgerinnen und Bürger und für die Attraktivität Wittens bahnen sich ob der Qualität der politischen Repräsentation finstere Zeiten an.

Hier die Reden und nicht immer ganz freundlichen Kommentare meines Freundes prawda:

→ Rede Grüne Rede Grüne Haushalt 2015

→ Rede bürgerforum Rede bürgerforum Haushalt 2015

→ Rede Linke Rede Linke Haushalt 2015

→ Rede WBG Rede WBG Haushalt 2015

→ Rede Piraten Rede Piraten Haushalt 2015

→ Rede FDP Rede FDP Haushalt 2015

*Peanuts – warum? Der Haushalt 2014 der Stadt Witten schloss mit ca. 5,7 Mio. € Defizit ab (mit 7,2 Mio. € Zuschuss des Landes aus dem Stärkungspakt). Um dieses Defizit auszugleichen und den Haushaltsausgleich gemäß Stärkungspaktvorgaben bis 2016 zu erreichen, sind mit der ergänzten Fortschreibung des Haushaltssanierungsplans 2014 u.a. folgende Steuererhöhungen beschlossen worden: Grundsteuer B 2015: 690%; 2016: 910%; Gewerbesteuer: 520% ab 2016.

Die Steuererhöhungen als Defizitausgleich sind nur zu vermeiden, wenn die fehlenden ca. 5,7 Mio. € durchlaufend auf anderem Weg ausgeglichen werden – zum Beispiel durch Einsparungen an anderer Stelle des Haushalts. Wie und wo das der Fall sein könnte, und mit welchen Auswirkungen auf das Dienstleistungsangebot der Stadt, ist noch vollkommen unklar. Die Dimension wird aber deutlich. Die Kommunalaufsicht bemerkt in ihrem Genehmigungsschreiben zum Haushalt 2014 (S. 2) dazu lapidar: „Für den Fall, dass einzelne Konsolidierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden können, ist eine Regelung zur Kompensation des nicht erbrachten Konsolidierungspotentials zu treffen.“