Ich habe seit einiger Zeit versucht, über die dramatische Situation in der Wittener Partnerstadt Mekelle und die Hintergründe des Konflikts in Äthiopien zu informieren. Jetzt soll der Rat der Stadt Witten am 15.12.20 einen Antrag der Fraktion Bürgerforum+ verabschieden, der mich einigermaßen erstaunt*. Er erstaunt mich, weil die Antragsteller vorgeben, über Konfliktverlauf und Schuldige genau Bescheid zu wissen, obwohl auf Grund der militärischen Auseindersetzung eine totale Nachrichtensperre herrscht.
Nun ist es der Fraktion Bürgerforum+ natürlich unbenommen, mit wilden Spekulationen zu arbeiten, auf deren Basis zu werten und abschließende Urteile zu fällen. Ich frage mich allerdings, ob der Rat der Stadt gut beraten wäre, diesem Habitus zu folgen.
Denn auch nach dem Ende der militärischen Operationen in und um Mekelle und einem wahrscheinlichen Sieg der Zentralregierung sollte es doch eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Partnerstadt geben. Und auf deren Zukunft wird mit Sicherheit der Sieger der Auseinandersetzung einen entscheidenden Einfluss haben – auch auf die medizinische Versorgung in Mekelle.
Insofern würde ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Zurückhaltung in Bezug auf eine Positionierung des Wittener Rates raten und kann mich nur der klugen und ausgewogenen Einlassung in einem Beitrag der Neuen Züricher Zeitung anschließen:
„Vor einem Jahr erhielt Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis – jetzt führt er in Äthiopien Krieg/Der Ministerpräsident von Äthiopien, Abiy Ahmed, kämpft gegen die Verlierer seiner demokratischen Reformen. Erhielt er den Friedensnobelpreis zu früh?“ https://www.nzz.ch/podcast/aethiopiens-friedensnobelpreistraeger-abiy-ahmed-im-krieg-nzzakzent-ld.1590692
*Hier der Antrag: Antrag Bürgerkrieg in Äthiopien – unser Partnerstadt Mekelle ist betroffen
Jetzt also Herr Noske als Referent des neu gewählten Bürgermeisters (WAZ-Online 7.12.20 „Witten: Bürgermeister macht Ex-Fraktionschef zum Referenten“ https://www.waz.de/staedte/witten/witten-buergermeister-macht-ex-fraktionschef-zum-referenten-id231088652.html). Was sagt uns das?
Es bestätigt das, was eigentlich von vornherein klar war. Der neue Bürgermeister, der gemäß Gemeindeordnung mit der Personal- und Organisationshoheit ausgestattet ist, hat – als Chef einer komplexen Kommunalverwaltung – keinerlei Verwaltungserfahrung. Das ist natürlich ein Problem für seine Amtsführung und – vermittelt über die Qualität der Amtsführung – für die Stadt.
Ob Herr Noske dieses Defizit kompensieren kann, wird sich zeigen. Eine Polizeiverwaltung ist keine Kommunalverwaltung mit ihrem bunten Strauß an Dienstleistungen und unterschiedlichen Machtzentren auf mehr oder weniger gleicher Augenhöhe. Jedenfalls hat sich Herr Noske in seiner langen Zeit als Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion als Verwaltungsexperte – mit dem Anspruch, Mängel zu beheben – nicht besonders hervor getan, obwohl es für ein solches Engagement mit Sicherheit vielfältige Möglichkeiten gegeben hätte.
Und die „Prozessoptimierung“, um die sich der neue Referent kümmern will? Wie soll dieses Anliegen vom Bürgermeister und seinem Referenten umgesetzt werden? Erstens ist jede Optimierung abhängig von den jeweiligen inhaltlichen Zielvorgaben, die vom Rat (s.u.) politisch festgelegt werden, und zweitens gibt es doch auch noch die Dezernenten mit ihrem eigenständigen Verantwortungsbereich und – last but not least – den Personalrat. Um nicht missverstanden zu werden: Prozessoptimierung ist in der Wittener Stadtverwaltung an vielen Stellen dringend notwendig, nur dürfte für die Bewältigung dieser Aufgabe ein Referent des Bürgermeisters kaum ausreichen, denn die Wittener Stadtverwaltung hat es im Laufe der vergangenen Jahrzehnte gelernt, ihre Prozessabläufe unabhängig von Optimierungszumutungen weitgehend selbst zu definieren, und Widerstandsmöglichkeiten gegen nicht genehme Zumutungen gab und gibt es in vielfältiger Weise. (mehr …)
„The time is out of joint, …“/Hamlet, 1. Akt, 5. Szene (Zitateinfügung von mir)
Aktualisierte Information von Ahmedin Idris 5.12.20/Mail:
Wir sind tief bestürzt über die Ereignisse im Ayder Hospital (Unten sehen Sie die Mail von Dr. Reiye von heute/4.12.20). Das letzte Diesel für den Generator (Stromerzeugung) ist zu Ende gegangen und deswegen mussten sie das Krankenhaus schließen. Wir sind alle sehr traurig und tief betroffen, sprachlos und hilflos. Das Krankenhaus ist voll mit Verletzten und wir müssen auf das schlimmste Szenario gefasst sein. Die Lebensmittel für die Bevölkerung insbesondere für die Krankenhausmitarbeiter wie auch für die Patienten sind ebenfalls aufgebraucht. Es scheint sich die Geschichte von Nigeria Biafra nochmal zu wiederholen.
Die Mail (s.u.) von Dr. Reiye übersetzt:
„Dear Dr. Christian and EW* members,
vielen Dank für Ihre Mühe. Ich bin sicher, dass die Dinge besser werden, wenn die reale Situation der Welt offenbart wird.
Ab heute ist unser Krankenhausdienst geschlossen (mit Ausnahme für die wenigen stationären Patienten, die nirgendwo hingehen können) nach dem Mangel an Elektrizität (der letzte Tropfen Kraftstoff für den Generator war beendet) und den damit verbundenen Leistungen. (mehr …)
Hier eine aktuelle Information von Herrn Ahmedin Idris:
Ich habe gerade ein Mail vom Dr. Reiye wie folgt erhalten.
——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff:
Re: Alarming Information from Tigray Ayder University Hospital Mekelle 02-12-2020
Datum: Thu, 3 Dec 2020 16:16:02 +0300
Von: Reiye Esayas <reiyeesayas@gmail.com>
An: etiopia-witten <etiopia-witten@online.de>
Dear friends of EW, here is an update of our hospital as of today:
1. no electricity; 2. the generator has fuel enough for only one day (there won’t be electricity and everything needing power as of tomorrow morning); 3. there is no food for our 500 medical students and 230 residents and postgraduate trainees sheltered in the compound and >300 patients; 4. no surgical service partly because staffs disappear (insecurrity) and no supplies; 5. there was a trial of robbery and we had to stand all together to protect our hospital…
Though it is not a good news I believe you have to know the status and use all your acquiantances to press on the international agencies. (mehr …)
Die Lage hat sich zugespitzt (siehe zu weiteren Informationen auch den Beitrag „Dramatische Lage in Äthiopien/Wittener Partnerstadt Mek’ele/Mekelle„/20.11.20):
Neuester Stand (Ob die Information den Tatsachen entspricht, bleibt abzuwarten):
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/aethiopien-tigray-mekele-angriff-100.html
https://www.tagesschau.de/ausland/aethiopien-einmarsch-tigray-103.html
Aktualisierung 30.11.20:
Aktualisierung 1.12.20:
https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-nicht-alles-vorbei-in-tigray/a-55780555
https://www.politico.eu/article/eu-considers-aid-cut-to-ethiopia-amid-conflict-violence/
Ergänzung zu meinem Beitrag „Schnäppchenjäger 2: Ex-Schnäppchenjäger und frisches Mitglied des neuen Bürgerforums+ Thomas Richter„/6.11.20: Nach Kenntnisnahme der Niederschrift der konstituierenden Ratssitzung hat es mich nicht überrascht, dass der Ex-Schnäppchenjäger Thomas Richter wieder zugeschlagen hat. Über das neue Bürgerforum+ hat er den Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuss – eine nach meiner Kenntnis und Erfahrung nicht sehr schweißtreibende Funktion, der Ausschuss hat in 2019 zweimal, in 2020 einmal getagt – ergattert: Das Schnäppchen beläuft sich auf die zweifache Aufwandsentschädugung/Monat. Der Ex-Schnäppchenjäger ist also wieder zum Schnäppchenjäger geworden, er kann es offenbar nicht lassen.
Am 20.11.20 berichtet WAZ Online „Witten: SPD und Grüne fordern Konzept für Intensivbetten“ witten-spd-und-gruene-fordern-konzept-fuer-intensivbetten/jetzt auch in der WAZ print vom 24.11.20 unter der Überschrift „Rot-Grün fragt nach Strategie für Kliniken“. Ich stutze und schaue näher hin. Was wird da eigentlich vom neu gewählten Bürgermeister per Antrag gefordert? Strategie für die Kliniken/Entlastung von Intensivkapazitäten?
Der Bürgermeister ist laut Gemeindeordnung NRW Chef der Verwaltung (mit Organisations- und Personalhoheit) und Vorsitzender des Rates – das ist Einiges, aber auch mehr nicht. Ich frage mich deshalb, wie Fraktionen, denen mensch eigentlich einige kommunalverfassungsrechtliche Sachkunde unterstellen müsste, vom Wittener Bürgermeister eine Strategie für die Kliniken zur Entlastung von Intensivkapazitäten einfordern können. Wo ist die Zugriffskompetenz des Bürgermeisters?
Witten verfügt nicht über ein kommunales Krankenhaus, und die bestehenden Krankenhäuser dürften es sich verbitten, wenn der Bürgermeister beanspruchen würde, sich in deren innere Organisation anordnend einzumischen.
Mir drängt sich der Eindruck auf, dass hier versucht wird, den ungeliebten neuen Bürgermeister vorzuführen, indem ihm Leistungen abverlangt werden, die er gar nicht erbringen kann. Erbringt er sie dann nicht, kann ihm Versagen vorgeworfen werden. Eine fiese und unfaire Masche, die nicht einreißen sollte.
Übrigens: Der Antrag ist auf der Website der Stadt unter der Rubrik „Ratsinformationen“, „Anträge“ nicht zu finden. Warum nicht?
Es gibt auch eher unauffällige Schnäppchenjäger. Das neue Bürgerforum+ hat es geschafft, die Zahl seiner Fraktionsmitglieder durch Akquisition des ursprünglich nur als Einzelmitglied im Rat vertretenen Herrn Hülsmann (Satirepartei Die PARTEI/ Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative*) von vier auf fünf zu erweitern. Politisch gesehen aus meiner Sicht eher kein Schnäppchen.
Für Herrn Hülsmann nicht, weil er nicht der „größten Oppositionsfraktion“ beigetreten ist, wie er selbst behauptet. Verfahrenstechnisch durch eine gegnerische stabile Mehrheit auf Opposition fest gelegte Fraktionen gibt es glücklicherweise im neuen Rat nicht: 1. wegen der nicht vorhandenen klaren Mehrheitsverhältnisse, mit denen einige Fraktionen wie vormals die GroKo „durchregieren“ könnten – siehe dazu auch richtig die WAZ Online vom 2.11.20 witten-groesste-oppositionsfraktion-heisst-nun-buergerforum+, und 2. grundsätzlich, weil jede konstruktive Politik es selbstverständlich ernsthaft darauf anlegen muss, die Oppositionsrolle zu überwinden**. Beigetreten ist er vielmehr dem hinter der SPD zweitgrößten Wahlverlierer***: Wahlverlierer auch gemessen an den eigenen Zielen des bürgerforums****.
Für das Bürgerforum+ nicht, weil ich mich frage, wie Herr Hülsmann als Vertreter einer Satirepartei (er scheint ja weiterhin Mitglied der Partei Die PARTEI zu bleiben) zu dem eher politisch konservativen Bürgerforums+-Ratsmitglied Herrn Dr. Klaus Peter Tillmann und dem versprengten Traditionssozialdemokraten und frischen Bürgerforums+-Ratsmitglied Herrn Thomas Richter***** passt, von den politischen Wirrköpfen Herren Martin Strautz und Harald Kahl einmal abgesehen, bei denen die „Narrenfreiheit“ (Zitat WAZ Online 2.11.20, s.o.) schon vor dem Zusammenschluss gegeben war – siehe Programm der bürgerforums (alt) und meine Kritik, auf dieser Website zu finden unter der Rubrik „Hopfen und Malz verloren …).
Also politisch kein Schnäppchen, weil die Vergrößerung von 4 auf fünf Ratsmitglieder angesichts der Mehrheitsverhältnisse im neuen Rat keinen Vorteil ergibt. Warum dann doch ein Schnäppchen? Schauen wir uns die Fraktionszuwendungen an******. Für die sachlichen Kosten der Fraktionsgeschäftsführung macht die Akquisition von Herrn Hülsmann (ein zusätzliches Mitglied) 900 €/Jahr mehr, für die Personalkosten statt bei 4 Fraktionsmitgliedern nur 15.800 €/Jahr bei 5 Fraktionsmitgliedern 19.750 €/Jahr. Also 3.950 € mehr für den alten/neuen Fraktionsgeschäftsführer. Geht ein Licht auf?******* (mehr …)
Aktualisierung 22.11.20/Hier aktuelle Informationen, die ich heute im Internet gefunden habe:
https://www.n-tv.de/politik/Wir-erhalten-dramatische-Berichte-article22185312.html
Am 19.11.20 finde ich in der WAZ-Online einen Artikel „Wittener Verein unterstützt Ärzte in Äthiopien“ (mit einem Interview mit dem Sprecher des Vereins Etiopia-Witten Theo Püplichhuisen): wittener-verein-unterstuetzt-aerzte-in-aethiopien. Mek’ele/Mekelle (Äthiopien) – Landeshauptstadt von Tigray – gehört zu den Partnerstädten der Stadt Witten. Hier ergänzend einige Informationen von Herrn Ahmedin Idris (Gründer des Vereins Etiopia-Witten) über die aktuelle dramatische Lage in Äthiopien und einige informative Links zu Hintergründen des Konflikts, die von Herrn Idris vermittelt worden sind:
Ahmedin Idris/Mail 19.11.20/Es wird in Deutschland wenig berichtet:
Hallo zusammen, die kriegerische Auseinandersetzung in Tigray zwischen dem Volk Tigray, dem Rest von Äthiopien mit Aby Ahmed und hauptsächlich den Amhara sowie dem Diktator Isaias von Eritrea ist so schlimm – mit hoher Todesrate. Es gibt in Äthiopien ähnliche Vorfälle wie ethnische Säuberung gegen das Volk Tigray. Es sind ca. 40.000 Menschen aus Tigray von ihrem Posten sowie Arbeitsplätzen außerhalb von Tigray entfernt und verhaftet worden. Die Auseinandersetzung ist für uns nicht zu verstehen, deshalb habe ich einige Informationen zusammengetragen. Besonders der fünfte Bericht ist wichtig für die Geschichte sowie den aktuellen Stand.
Mit freundlichen Grüßen Ahmedin Idris
Informative Links: (mehr …)
Der vorige Beitrag gibt mir Gelegenheit, wie angekündigt auf das Problem zusätzlicher Ausschüsse einzugehen*. Anlass: Die Fraktionen Bürgerforum und Linke hatten beantragt, einen zusätzlichen Ausschuss für „Klimafragen“ (Bürgerforum+) oder „Klima- und Umweltschutz“ (Linke) zu installieren**. Die WAZ berichtete (WAZ-Online 3.11.20 „Witten: Kein eigener Ausschuss für Klima und Digitalisierung“ witten-kein-eigener-ausschuss-fuer-klima-und-digitalisierung).
Der Redner der Linken, Herr Kalusch, begründete den Antrag auf der Ratssitzung am 3.11.20 mit allerlei Zuständigkeiten (Altlasten, Luftbelastung etc.), die dem neuen Ausschuss übertragen werden sollten. Es sei ihm unverständlich, dass die Grünen der Einrichtung eines solchen Ausschuss nicht zustimmen würden. Wie ist die Angelegenheit von der Sache her zu bewerten?
Ich selbst habe noch die Zeit erlebt (von 1989 bis 1999), als es einen eigenständigen Umweltausschuss (Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen) gab. Damals existierten zwei Ausschüsse, in denen häufig parallel identische Angelegenheiten behandelt wurden: zusätzlich zum genannten Ausschuss den PSA (Ausschuss für Planung und Sanierung). War damals der Umweltschutz durch einen eigenständigen – übrigens von den Grünen in den 80er Jahren initiierten – Ausschuss stärker positioniert?
Meiner Erfahrung entspricht das nicht (ich war als grünes Ratsmitglied Mitglied des Umweltausschusses), weil im Konfliktfall regelmäßig die Entscheidungen des Umweltausschusses gegenüber PSA-Entscheidungen zurück standen.
Mensch muss sich die damalige Konstellation im vor Augen halten: Der Umweltausschuss entschied Hü und der PSA Hot. Wer war dann der übergeordnete Letztentscheider? Natürlich der übergeordnete Ausschuss HFA (Haupt- und Finazausschuss) oder letztinstanzlich immer der Rat mit seiner Mehrheit (damals noch absolute Mehrheit der SPD sowohl in den Ausschüssen wie im Rat – hieß für grün-oppositionelle Anträge kein Durchkommen).
Nun, die Mehrheiten haben sich mittlerweile geändert, aber sie sind verfahrenstechnisch immer noch letztinstanzlich entscheidend. (mehr …)