„Sonderbeiträge“ von Ratsmitgliedern an Parteien oder Wählergemeinschaften – Was ist davon zu halten?

Zitat aus Wikipedia/Mandatsträgerbeitrag:
„Mandatsträgerbeiträge (auch Mandatsträgerabgaben, in Österreich Parteisteuern genannt) sind regelmäßige Zahlungen von Mandatsträgern (Abgeordnete, hauptamtlichen Politiker wie z. B. Bürgermeister, Aufsichtsratsmandatsinhaber etc.) an die Parteien und Gewerkschaften, die sie für die jeweiligen Aufgaben nominiert haben. Die Mandatsträgerabgaben sind formell freiwillig, ein Rechtsanspruch der Parteien und Gewerkschaften besteht nicht. Jedoch riskiert der Mandatsträger nicht wieder nominiert zu werden, wenn er sich der Zahlung verweigert ….“

In vielen Satzungen von Parteien und Wählergemeinschaften finden sich Regelungen über sog. Sonderbeiträge, die auch von kommunalen Mandatsträgern neben den normalen Mitgliedsbeiträgen an die jeweiligen Organisationen abgeführt werden sollen. Was ist davon zu halten?

Nach geltender Rechtsprechung sind „Sonderbeiträge“ grundsätzlich freiwillig, egal, was in irgendwelchen Partei- oder Wählergemeinschaftssatzungen steht.

Hintergrund ist, dass in der Vergangenheit wegen Nichtzahlung von Parteien Ausschlussverfahren in Gang gesetzt worden sind. Gegen damit verbundene Ausschlüsse ist von den Betroffenen mit regelmäßigem Erfolg geklagt worden. Einziges Sanktionsmittel gegen Nichtzahlung ist daher nach einhelliger Empfehlung aller kommunalpolitischen Vereinigungen die Nichtwiederaufstellung bei der nächsten Wahl.

Darüber hinaus möchte ich Folgendes grundsäzlich anmerken:

„Sonderbeiträge“ stehen über %-Regelungungen (%-Regelungungen  werden von Parteien und Wählergemeinschaften unterschiedlich gehandhabt, was die Größenordnung anbetrifft) in direkter Verbindung mit den Aufwandsentschädigungen für Ratsmitglieder.

Sinn der pauschalierten Aufwandsentschädigung wie in Witten (in Witten aktuell 351,60 €/Monat*; kein Sitzungsgeld) ist es, den aus der politischen Arbeit eines Ratsmitglieds resultierenden realen Aufwand abdecken. Das Ratsmandat ist ein Ehrenamt und die Aufwandsentschädigung deshalb keine Diät (also ein Einkommensersatz wie bei Bundestags- oder Landtagsabgeordneten).

Unterstellt, das Mandat wird pfichtbewusst ausgefüllt und die Aufwandsentschädigung korrekt für die Abdeckung des durch den mandatsbedingten Aufwand verwendet (immerhin aus dem Haushalt der Stadt und damit von den Bürgerinnen und Bürgern finanziert), ist nicht einzusehen, wo der Spielraum für „Sonderbeiträge“ liegen soll – es sei denn, das Ratsmitglied zahlt erheblich drauf oder minimiert seinen Aufwand pflichtwidrig über Nichttätigkeit.**

Es scheint mir politisch nicht produktiv zu sein, Mandatierte für ihr ehrenamtliches politisches Engagement auch noch durch finanzielle Belastungen zu bestrafen.

Dies scheint mir auch nicht im Interesse der Bürgerinnen/Bürger und der Wählerinnen/Wähler zu liegen, die einen Anspruch auf eine möglichst kompetente und engagierte Ausfüllung eines Mandats haben. Meine Aufwandsentschädigung als Ratsmitglied z.B. deckt nur unzureichend meinen eigenen Aufwand in Zusammenhang meiner Ratsmitgliedschaft ab.

Mein Fazit: Parteien und Wählergemeinschaften verschaffen sich über „Sonderbeiträge“ einen illegitimen Zugriff auf Steuergelder, die eigentlich für einen anderen Zweck – nämlich die Abdeckung eines realen Aufwands der mandatierten Person (s.o.) – bestimmt sind.

Nicht unerheblicher Nebeneffekt: Durch den bequemen Zugriff auf Sonderbeiträge, die häufig die Einnahmen politischer Formationen aus normalen Mitgliedsbeiträgen weit überschreiten, wird die Motivation dieser Formationen vermindert, sich über eine attraktive, überzeugende Politik und damit verbundene vermehrte Mitgliederzahlen zu finanzieren.

Im Übrigen sollte die politische Qualität der Arbeit und nicht die Zahlung von Sonderbeiträgen Kriterium bei KandidatInnenaufstellungen für Wahlen sein. Sonst entsteht der Eindruck, dass sich poliitsche Mandate quasi kaufen lassen. Ein Beitrag zur Finanzierung von Wahlkämpfen durch Mandatierte kann dann ja bei Bedarf jederzeit freiwillig erfolgen.

* Zum Vergleich: Die Aufwandsentschädigungen in Erlangen ( 109.254 Einwohner/30.9.15) gestalten sich wie folgt:
070.00
Gemeindesatzung
2
01.09.2015
§ 3 Tätigkeit der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder; Entschädigung
(2) Die ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder erhalten für ihre Tätigkeit folgende Entschädigungen:
b) Aufwandsentschädigung für Stadtratsmitglieder: Die ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder erhalten für ihre Tätigkeit als Entschädigung einen Pauschalbetrag von monatlich 719,81 €. Prozentuale Steigerungen der Beamtenbesoldung werden berücksichtigt (Einheitliche Änderungen des Grundgehalts der Besoldungsgruppe A 14, abgedruckt in einer Anlage zum Bayerischen Besoldungsgesetz, gelten mit dem gleichen Vom-Hundert-Satz unmittelbar).

**Ich bin übrigens seit langem ein glühender Verfechter von Verwendungsnachweisen für Aufwandsentschädigungen, damit die verbreitete Praxis unterbunden wird, durch minimierten Aufwand an politischer Tätigkeit bei pauschalierter Entschädigung die Aufwandsentschädigung zu einem bequemen Taschengeld umzufunktionieren. Damit ist die Gefahr gegeben, dass ein Ratsmandat zu einer Art Pfründe mutiert.