Taumeln in den kollektiven Selbstmord?

Ergänzung 22.3.22: Interessante Zahlen über die Bundestagswahl 1983 unter * (s.u.)!

Hier ein aktueller Beitrag von Sahra Wagenknecht, dem ich voll zustimmen kann: https://www.youtube.com/watch?v=SYLsSPSjTX8.

Von mir nur als Ergänzung einige Feinheiten. Sahra Wagenknecht hat die 1980er Jahre aus der Perspektive der DDR erlebt, ich war Anfang der 1980er Jahre aktiv für die damaligen Grünen in der damaligen Friedensbewegung engagiert (Wir erinnern uns: Pershing II, Cruise Missiles) und 1983 erster Bundestagskandidat der Grünen in Witten* (Grüne Programmatik damals: Gewaltfrei, Abrüstung, Raus aus der NATO: Siehe auch mein Beitrag „Hohle Sprüche: Grüner Direktkandidat Janosch Dahmen I„/30.8.17)).

Die Friedensbewegung hatte die damaligen NATO-Strategien intensiv analysiert und war zu dem Ergebnis gekommen, dass ein (konventioneller/mit Eskalation** atomarer) Krieg in Europa selbstmörderisch wäre. An der Richtigkeit dieser Analyse hat sich bis heute nichts geändert. Nur die NATO-Grenzen haben sich bekanntlich nach Osten verschoben.

Darüber hinaus war ein Ergebnis der Analysen, dass die USA auf eine „Entkoppelung“ der potentiellen Kriegsschauplätze aus waren, also darauf, bei einer konventionellen/atomaren Auseinandersetzung auf europäischem Boden nicht automatisch atomar in diese hinein gezogen zu werden. Auch daran dürfte sich seit damals nichts geändert haben.***

Insofern laufen Europa und die BRD – abgesehen von den finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Kosten – in eine selbstmörderische Falle, wenn sie meinen, durch Aufrüstung einen Krieg gewinnbar zu machen. Die aktuelle 100-Milliarden-Aufrüstung – die ja offenbar grundsätzlich schon vor dem Ukraine-Krieg beschlossenen Sache war: s. Koalitionsvereinbarung – und der überbordende nationalistische und militaristische Taumel hinter der Fassade der Ukraine-Solidarität**** führt einen Schritt näher an den kollektiven Selbstmord in Europa***** heran. Ob es ein III. Weltkrieg würde, hinge dann von den USA und China ab.

*Zu meinem Wahlergebnis: Im damaligen Wahlkreis Bochum II/Witten habe ich als Kandidat der damaligen Grünen 6,21 % bei 10.742 Stimmen und einer Wahlbeteiligung von 90,49% (!) (siehe auch Heinrich Schoppmeyer, Witten/Geschichte von Dorf, Stadt und Vororten/Zweiter Band, S. 348) bekommen (s-r01.1_muhr_2022-03-22-10-43-18), die Grünen 2021 17,33 % bei 9.840 Stimmen und einer Wahlbeteiligung von 75,81 %. Erstaunlich vor allem die Veränderung der Wahlbeteiligung und der damit zusammenhängende Anstieg der Prozentzahlen bei den Grünen bei gleichzeitigem Rückgang der absoluten Stimmen.

**Eine kontrollierte „Eskalation“ und die damit erwünschte Gewinnbarkeit eines konventionellen Krieges ist als militärische Illusion entlarvt worden.

***Zur Erinnerung eine Literaturhinweis: Wolf Perdelwitz/Heiner Bremer, Geisel Europa, Berlin 1981. Das Buch enthält eine eindringliche Darstellung der desaströsen Folgen einer konventionellen/atomaren „Schlacht“ auf deutschem Terrain. Die potentielle Frontlinie hat sich wohl nach Osten verschoben, aber 1. sind den neuen „Frontstaaten“ (Polen, Baltikum) die desaströsen Folgen nicht zu wünschen, und 2. können sich in großen „modernen“ Kriegen die Frontlinien schnell verschieben.

****Ich verweise nur auf die latente Begeisterung für den Kampfjet F-35: https://www.waz.de/politik/f-35-putin-tarnkappenjet-lockheed-martin-atomwaffen-id234806999.html.

*****Welchen selbstmörderischen Hirnriss der nationalistische Taumel provoziert, zeigt ein Titel der WAZ vom 16.3.22: „Wehrbeauftragte: Die Truppe soll wieder das Kämpfen lernen“ (https://www.waz.de/politik/wehrbeauftragte-bundeswehr-auftrag-putin-ukraine-russland-krieg-id234816285.html). Ja wie denn: Mann gegen Mann/Frau gegen Frau, Panzer gegen Panzer, taktischer Einsatz von Atomwaffen gegen taktischen Einsatz von Atomwaffen oder gar Bomber-/Raketenangriff gegen Bomber-/Raketenangriff (u.a. mit dem Kampfjet F-35)? Und damit wäre dann „unsere“ Sicherheit erreicht? Wohl dann doch die Sicherheit eines Friedhofs ohne Grabsteine!