Aufgespießt
Am 14.6.16 berichtet die WAZ (Artikel „Der Rat wird weniger bunt“), dass mit Einführung der neuen Sperrklausel (2,5%) den neuen Kleinstfraktionen im Wittener Rat bei den nächsten Wahlen das Aus drohen würden. Die Piraten wollen gegen diese Entscheidung vor dem Verfassungsgericht klagen. Herr Borggräfe, Ratsmitglied der Piraten, nimmt in dem Artikel mit einigen Äußerungen kritisch Stellung.
Ich fand zu dem Artikel folgende Kommentare von einem „batgirl“ im Online-Kommentarbereich der WAZ, denen ich mich weitgehend anschließen kann (Reihenfolge chronologisch):
„batgirl“:
„’Neun Prozent der Stimmen hätten keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Rates gehabt‘ so der Pirat Borggräfe kritisch in Bezug auf die neue Sperrklausel. Das stimmt, aber welchen Einfluss haben sie wirklich gehabt? Fakt ist doch, dass diese neun Prozent – auf die jeweiligen politischen Formationen verteilt – diesen Formationen (Piraten etc.) nur zu einem (EINEM!) Ratsmitglied verholfen hätten. Mit Fraktion und Ausschussmitgliedschaften wäre es also nichts gewesen.
Seine Mitgliedschaft in einer Fraktion (mit allem Drum und Dran: Fraktionsvorsitz mit dreifacher Aufwandsentschädigung, Fraktionszuwendungen) hat Herr Borggräfe einzig und allein nicht den Wählerstimmen, sondern dem guten Abschneiden der SPD (alle Direktmandate) mit entsprechenden Überhangmandaten (1 Überhangmandat für die Piraten) zu verdanken. Das gleiche gilt für zwei weitere Minifraktionen. Eine vierte Formation musste sich mit einer Abwerbung aus einer anderen Fraktion behelfen, um auf Fraktionsstärke zu kommen.“ (mehr …)
Blutzufuhr per Fremdimport?
In einem WAZ-Artikel (WAZ 16.6.16: „Kleinfraktion zeigt keine Angst vor Sperrklausel“) spinnt sich der Vorsitzende der Wählergemeinschaft WBG (und der Minifraktion WBG) Herr Brömmelsiek allerlei zurecht über zukünftige (oder weniger zukünftige?) übergreifende Wählergemeinschaften. Dabei rückt auch das bürgerforum in den Fokus seines Begehrens. Klar: Nach den massiven Wahlniederlagen der WBG bei den zurückliegenden zwei Wahlen wäre eine Blutzufuhr per Fremdimport dringend notwendig, um die Personalressourcen aufzufrischen und den Absturz in die absolute Bedeutungslosigkeit zu verhindern.
Ob die Rechnung unter der Flagge der „Bürgerlichkeit“ allerdings aufgehen kann, wage ich zu bezweifeln. Kampfbegriffe von anno dunnemals dürften kaum mobilisierende Wirkung haben, und Kandidaten von Wählergemeinschaften – es sind immer Menschen bei Wählergemeinschaften, die gewählt werden, keine Namen: Das zumindest kann mensch aus Wahlergebnissen erschließen – werden gewählt, weil sie Vertrauen binden und eine positive politische Bilanz aufzuweisen haben.
Wenn bürgerforum und WBG die „Bürgerlichen“ repräsentieren sollen, wer sind dann die Nichtbürgerlichen? Die CDU oder gar die SPD (vaterlandslose Gesellen, wie es vormals hieß?). Oder die Piraten und die FDP? Also: „Bürgerlichkeit“ als Abgrenzungs- und Ausgrenzungskriterium? Das ist doch schlicht absurd und zeigt, dass Herr Brömmelsiek offensichtlich nicht über das nachdenkt, was er sagt. (mehr …)
Super Stadtmarketing!
Im überörtlichen Teil der WAZ (Artikel „Witten erhöht Grundsteuer B auf einen neuen Rekordwert“) findet sich folgende Information:
„Auslöser für die Kritik der Steuerwächter (gemeint ist der Bund der Steuerzahler NRW/kr) ist die Entscheidung der Stadt Witten, wegen der schwierigen Haushaltslage die Grundsteuer B um mehr als 30 Prozent auf 910 Prozentpunkte heraufzusetzen, den mit Ausnahme weniger Kleinstädte höchsten Wert in einer deutschen Kommune.“
Zum Vergleich: Duisburg liegt bei 855, Hattingen bei 875 – beide Städte sind auch pflichtige Teinehmer des Stärkungspakts – und Düsseldorf bei 440 Prozentpunkten (Zahlen aus dem oben genannten Artikel).
„Zwangsjacke“? Diese „Zwangsjacke“ hat sich die Stadt über jahrelange Misswirtschaft selbst angezogen. Jetzt sollen die Bürgerinnen und Bürger bluten, die die Misswirtschaft nicht zu verantworten haben. Leider ist ein Ende nicht abzusehen, weil die Ursachen für das Haushaltsdesaster weiterhin wirken.
Übrigens: Wie die Vergleichszahlen belegen, können die durch Bund und Land übertragenen Aufgaben – die vor Ort immer wieder als nicht steuerbare Ursachen für Steuererhöhungen und Sparmassnahmen beschworen werden: „Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips“ – nicht die Ursachen für das spezielle Wittener Desaster sein, weil diese Belastungen auch andere Städte treffen, ohne zu der hiesigen „Zwangssituation“ und Bürgerbelastungsrekorden zu führen. Mein Reden seit Jahr und Tag.
Aktualisierung 15.5.16:
Noch deutlicher wird der Spezialfall Witten, wenn mensch sich die Unterschiede bei den Hebesätzen der Grundsteuer B (Prozentpunkte) vor Augen führt, die die WAZ am 14.5.16 veröffentlcht hat (Artikel „Rückwirkende Steuererhöhung ist rechtens“, Quelle der Zahlen ist der Bund der Steuerzahler NRW)):
Bergneustadt 959, Altena 910, Witten 910, Hattingen 875, Duisburg 855, Bochum 800, Sprockhövel 730, Herdecke 685, Essen 670, Dortmund 610, Velbert 550, Arnsberg 523, Wetter 500, Düsseldorf 440, Hasewinkel 260
Und wieder einmal: Vorauseilender Gehorsam
Ein zentrales Argument der „Zustimmer“ zum Haushalt war, dass bei Nichtzustimmung die finanziellen Einbrüche, sprich Steuerausfälle, zunehmen würden und dann der Hebesatz noch weiter erhöht werden müsste.
Wenn ich das Argument richtig verstanden habe, ist gemeint, dass bei Hinausschieben der Hebesatzanhebung um Monate, z.B. bis zum Einsatz eines „Sparkommissars“ (besser: Haushaltssanierers), ein steuerlicher Verlust in Größenordnung der bis dahin unterlassenen Hebesatzanhebung eintreten würde, die der „Sparkommissar“ dann durch Anhebung des Hebesatzes über die jetzt von der Mehrheit beschlossenen 910 Prozentpunkte Grundsteuer B und 520 Prozentpunkte Gewerbesteuer hinaus kompensieren müsste.
Dagegen muss festgehalten werden, dass Aufgabe und Ziel eines „Sparkommissars“ nicht die Maximierung von Steuereinnahmen wäre, sondern einzig und allein die Exekution eines genehmigungsfähigen Haushalts durch Herstellung des Haushaltsausgleichs in 2016 entsprechend den Vorgaben des Stärkungspakts. Danach würde er Witten wieder unmittelbar verlassen (siehe dazu mein Beitrag „Sparkommissar – droht der schwarze Mann? (aktualisiert 23.09.14)“/15.9.14), und die sog Spielräume wären genau so gegeben wie jetzt auch, nämlich minimal. Allerdings wäre die Genehmigung des Haushalts nach dem Wirken des Kommissars sicher gestellt, auf die jetzt noch gespannt gewartet wird.
Die „Zustimmer“ haben dem „Sparkommissar“ also in vorauseilendem Gehorsam wieder einmal nur die Arbeit abgenommen, selbst den „Sparkommissar“ gespielt und damit darauf verzichtet, ein klares Zeichen des Protests zu setzen. (mehr …)
Ein Schelm, der Böses dabei denkt
Ein zentrales Argument, mit dem der Kämmerer Druck in Richtung Haushaltszustimmung erzeugt hat, war sein Hinweis, bei Nichtverabschiedung des Haushalts würden Fristen für die Beantragung von Fördermitteln überschritten. Das Argument ist für mich nicht neu. Es ist schon einmal eingesetzt worden (siehe dazu mein Beitrag „Sparkommissar – droht der schwarze Mann? (aktualisiert 23.09.14)„/15.9.14). Mittlerweile drängt sich mir allerdings der Eindruck auf, dass es sich dabei um einen taktischen Trick des Kämmerers handelt.
Der Hinweis auf die drohende Fristüberschreitung war korrekt, aber wie kam es zu dieser Situation? Antwort: Durch Verschiebung der Haushaltsverabschiedung auf den letzten Drücker.
Der Haushalt, der jetzt verabschiedet worden ist, sollte eigentlich schon im letzten Jahr, am 13.12.15, beschlossen werden. Dies ist dann auf das Begehren der Fraktionen hin verschoben worden mit der Begründung, es läge noch Beratungsbedarf bzgl. möglicher Kompensationen für die geplanten drastischen Stuererhöhungen vor*.
Still ruhte der See zwischenzeitig – sowohl bei der Kämmerei wie bei den Fraktionen. Und dann jetzt über Stock und Stein mit massiver Steuererhöhung – auch um keine Fristüberschreitung zu riskieren.
Merkwürdig ist das Verfahren schon. (mehr …)
Klarstellung: Keine Zustimmung zum Haushalt
Am 10.5.16 berichtet die WAZ („Haushalt ist durch“), die Fraktion bürgerforum habe dem Haushalt zugestimmt. Daraufhin verschicken die Ratsmitglieder Hermann Claßen und Klaus Riepe folgende Bitte um Klarstellung an die WAZ:
An die WAZ-Redaktion/10.5.16
Bitte um Klarstellung
Sehr geehrte Damen nund Herren,
Ihre Berichterstattung am 10.5.16 („Haushalt ist durch“) erweckt den Eindruck, dass alle Mitglieder der Fraktion bürgerforum dem Haushalt zugestimmt hätten. Diesem Eindruck möchten wir entschieden entgegen treten. Von den sieben bei der Ratssitzung anwesenden Fraktionsmitgliedern haben wir, Hermann Claßen und Klaus Riepe, aus Überzeugung dem Haushalt nicht zugestimmt. Darüber hinaus hat sich ein Fraktionsmitglied der Stimme enthalten.
Hermann Claßen Ratsmitglied/Fraktion bürgerforum
Klaus Riepe Ratsmitglied/Fraktion bürgerforum
Ergänzende Anmerkung meinerseits: Wer meine Beiträge zum Haushalt der Stadt Witten verfolgt, weiß, dass ich auf keinen Fall – Begründung: siehe Beiträge – diesem Haushalt zugestimmt hätte. Ich bin doch nicht schizophren.
Absolute Schmerzgrenze?
Am 7.5.16 berichtet die WAZ, die SPD-Fraktion werde dem Haushalt („Es ist uns noch nie zuvor so schwer gefallen“) dem Haushalt zustimmen. Ich hab’s geahnt. Und wieder folgt diese Fraktion, natürlich „im Interesse der Menschen, die hier wohnen“ (Stehen nicht für die erhebliche steuerliche etc. Mehrbelastungen an?) und der „kleinen Handlungsspielräume“ (Müssen die nicht teuer bezahlt werden?) dem Kämmerer mit Hinweisen auf neue Kita- und OGS-Plätze, das Gewerbegebiet Drei Könige und die Stadterneuerung Heven-Ost (siehe dazu mein Beitrag „Absoluter Stillstand?„/8.5.16). So weit nichts wirklich Überraschendes.
Überraschend ist für mich die geniale Einsicht, dass bei Nichtzustimmung noch „größere Finanzlöcher“ entstehen könnten. Ja wie denn auch sonst, wenn bei der gegebenen maroden Haushaltsstruktur (deren interne Schieflage durch die Steuererhöhungen nur notdürftig übertüncht wird) ca 9.3 Mio. € Mehreinnahmen durch bei den Bürgerinnen und Bürgern abgepresste Steuererhöhungen nötig sind, um ein bescheidenen Plus von 381.000 € (Erträge: 286 723 000 Mio. €, Aufwendungen: 286 342 000 Mio. €) zu erwirtschaften?
„Absolute Schmerzgrenze“ (Zitat Dr. Uwe Rath)? Für die SPD-Fraktion? Abgesehen davon, dass ich auf deren Positionierung beim nächsten Haushalt gespannt bin – derartige Versicherung haben erfahrungsgemäß manchmal eine extrem kurze Halbwertszeit – , dürfte das aktuelle Verfahren der Haushaltssanierung eher etwas von Steuersadismus an sich haben: Mit den Schmerzen müssen die Steuerzahlerinnen/die Steuerzahler und weitere indirekt Betroffenen doch wohl mit zusammen gebissenen Zähnen allein fertig werden.
Absoluter Stillstand?
Am 7.5.16 warnt der Kämmerer in der WAZ („Kämmerer warnt vor absolutem Stillstand“) vor einem „absoluten Stillstand“, wenn dem Haushalt am Montag, 9.5.16 nicht zugestimmt werde. Abgesehen davon, dass die Verwaltung auch nach einem abgelehnten Haushalt hoffentlich noch weiter arbeitet und insofern kein absoluter Stillstand zu erwarten ist, handelt es sich in dieser Drastik natürlich trotz der gegeteiligen Versicherung des Kämmerers um eine Drohgebärde. Und das, um dem Rat die Chance zu geben, „noch ein bisschen was nach vorne zu bringen“ (Zitat Kämmerer)? Wie sieht das „Bisschen nach vorne“ – möglicherweise – aus?
Kindergarten Marienstraße (2 Mio. €): Sicherlich wünschenswert, aber muss das sein?/ Offene Ganztagsschule (nicht mit Summe unterlegt): Sicherlich wünschenswert, aber wird das nicht durch die Schulpauschale abgedeckt?/ Spielplatzprogramm (150.000 €): Sicherlich wünschenswert, aber muss das sein?/ Straßensanierung: (1,4 Mio €): Meiner Meinung nach selbst bei nicht genehmigtem Haushalt und vorläufiger Haushaltsführung nicht gefährdet/ Gewerbegebiet Drei Könige: Ungelegtes Ei, aber kann das nicht warten?/ Rathaussanierung: Projekt ist in der letztn Haushaltsperiode angefangen; meiner Meinung nach selbst bei nicht genehmigtem Haushalt und vorläufiger Haushaltsführung nicht gefährdet/ Heven-Ost: Sicherlich wünschenswert, aber ein ungelegtes Ei.
In der Summe macht das einen mit € unterlegten Betrag von ca. 3.55 Mio. € aus.
Ich bilanziere: Den ca. 3,55 Mio. € (meinetwegen auch ca. 4,55 Mio. €, wenn die nicht unterlegten Posten spekulativ unterlegt werden) ohne absoluten Stillstand bei Zustimmung zum Haushalt stehen ca. 9,3 Mio. € Mehreinnahme durch Steuererhöhungen gegenüber (Vorlage 0395 Vorlage), die den Bürgerinnen und Bürgern aus der Tasche gezogen werden. Ein gutes Geschäft für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wohl kaum. Darüber hinaus sollte die Frage erlaubt sein, wohin denn die 5 bis 6 Mio. € fließen, die nicht für die Übewindung des „absoluten Stillstands“ geplant sind? (mehr …)
Haushaltskapriolen
Ergänzung 7.5.16: Um einen Eindruck von der Größenordnung der geplanten Steuererhöhungen zu vermitteln, hier die Vorlage, die am Montag beschlossen werden soll, und von der Kämmerei errechnete Beispiele für die Grundsteuer B (übrigens alles öffentlich im Ratsinformationssystem der Stadt Witten zu finden):
→ Vorlage Vorlage
→ Beispiele für die Grundsteuer B Anlage_1Beispiele
Wie mir zu Ohren gekommen ist, wollen einige Ratsmitglieder dem Haushalt 2016 und den damit verbundenen Steuererhöhungen mit folgender Begründung zustimmen: Weil Witten „erpresst“ werde und wegen drohendem Wegfall von Fördermitteln, Zuschüssen für Flüchtlinge und des Zuschusses aus dem Stärkungspakt, sei die Steuerhöhung alternativlos*. Diese Ratsmitglieder sehen eine Obergrenze für eine Zustimmung zu zukünftigen Hauhalten sogar erst bei einer Anhebung der Grundsteuer B auf 1000 Prozentpunkte (aktuell angestrebte Anhebung: 910 Prozentpunkte).
An Haushaltszustimmungskapriolen ist die Wittener Kommunalpolitik schon immer reich gewesen, diese Kapriole ist nur eine neue und genau so falsch wie die alten: „In Verantwortung für die Stadt …“, „Rampen bauen“ (die Rampen führten dann leider weiter in den Abgrund) etc. Wer diesem Haushalt und den Steuererhöhungen zustimmt, wird das Elend nur verlängern, und wer bereit ist, die Grundsteuer auf 1000 Prozentpunkte zu erhöhen, hat einfach den Schuss nicht gehört. Witten krankt nicht an zuviel „Erpressung“, sondern an zu wenig, nämlich an zu wenig nachhaltigem Durchgriff der Aufsichtbehörde zu einer Kernsanierung von Verwaltung und städtischen Finanzen. (mehr …)
Im Plan?
In der WAZ vom 3.5.16 („Kämmerer: Tarifabschluss liegt 2016 im Plan“) wird der Kämmerer zum Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes (2,4% in 2016, 2,35% in 2017) zitiert, bei den geplanten Personalaufwendungen sei man damit „im Plan“. Ich wundere mich. Ist die Finanzplanung einschließlich der Planung der Personalaufwendungen nicht bisher von 1% Erhöhung (Richtgröße des Stärkungspakts) ausgegangen (siehe dazu mein Beitrag „Verdi: Hauptsache Knete, Kollateralschäden interessiern nicht“)? Was heißt dann im Plan und welchen Plan meint der Kämmerer? Gab und gibt es da einen nichtoffiziellen, sozusagen Reserveplan des Kämmerers, der nicht in der offiziellen Finanzplanung des Haushaltsplanentwurfs aufgetaucht ist?