Verfolgungswahn?

In Zusammenhang mit der heute (29.1.16) geplanten Demo „gegen Gewalt und Rassismus“ (Formulierung WAZ 29.1.16) möchte ich unten stehenden Mailwechsel zur Kenntnis geben (s.u.: Mailwechsel).

Persönliche Anmerkung zu den Losungen der Demo: Die WAZ zitiert als Kernaussage der Demo: „Asyl ist ein Menschenrecht und nicht verhandelbar – schon gar nicht mit Mitteln wie Gewalt und Terror“: Dass Gewalt und Terror keine Mittel der Verhandlung sind, scheint mir evident zu sein. Überrascht bin ich aber, dass die Wittener SPD und Jusos solche Aussagen unterschreiben: Hat die Bundes-SPD nicht gerade einer Verschärfung des Asyslrechts nach Verhandlungen (!) zugestimmt? Revoltieren hier Wittener SPD und Jusos gegen ihre Parteispitze?

Wohin die verantwortungslose Verwendung von politischen Kampfbegriffen führen kann, zeigen die aktuellen Tiraden von Herrn Römer (Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag) im Landtag*. Ich finde es schlicht schäbig, reale rechtsextreme politkriminelle Handlungen für die Auseindersetzung mit dem demokratischen politischen Konkurrenten – in diesem Fall die CDU: der Landtagswahlkampf lässt grüßen! – zu funktionalisieren.

Ist es denn eigentlich so schwer zu verstehen, dass eine unreflektierte „Willkommenskultur“ zu hohen Umfragewerten für die AfD führt? Ist es so schwer zu verstehen, dass eine chaotische Flüchtlings- und Migrationspolitik (siehe dazu mein Beitrag „Flüchtlinge oder Migrantinnen/Migranten – Bitte genau hinsehen!„/5.1.16) der ungeliebten AfD die Wählerinnen und Wähler nicht nur im Osten in die Arme treibt? Sind diese Wählerinnen und Wähler alle Rechtsextreme, rassistisch und blöd? Und wenn diese Wählerinnen und Wähler ihr Wahlrecht nicht so in Anspruch nehmen, wie manche sich das wünschen: Ist es nicht ein zutiefst undemokratisches Verhalten, die öffentliche argumentative Auseinandersetzung zu verweigern?

Deshalb ist es aus meiner Sicht nicht ganz fernliegend, dass Menschen, die die argumentative Auseindersetzung verweigern, vielleicht nicht vom „rechtspopulistischen Virus“ – was das auch immer sein mag – angesteckt sind, aber den wirklichen Rechtspopulisten Steilvorlagen liefern.

Im Übrigen ad Gruppe „Witten gegen Verschwörungswahn“: Ich halte die Psychopathologisierung von Politik für zutiefst menschenfeindlich.

Mailwechsel:

Meine Antwort (29.1.16):

Das müssen die Veranstalter schon selbst entscheiden. Ich erinnere aber daran, dass bis vor Kurzem Die Linke noch Objekt des Verfassungsschutzes war. Das Problem bei solchen gummiartigen politischen Kampfbegriffen wie Hass, Menschenfeindlichkeit und Rassismus ist immer, dass sie fast beliebig gegen unerwünschte Organisationen eingesetzt werden können. Ich muss allerdings auch bekennen, dass ich nicht in einem Staat leben möchte, in dem die neostalinistische MLPD (Ergänzung 30.1.16: Zum Neostalinismus der MLPD und zur AUF instruktiv: WIKIPEDIA „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) und „Willi Dickhut“) das Sagen hätte. Aber was hat das mit der Demo zu tun? Glücklicherweise ist die MLPD eine völlig unbedeutende Sekte.
Im Übrigen scheint mir eine mir nicht bekannte Gruppe „Witten gegen Verschwörungswahn“ selbst vom Verschwörungswahn befallen zu sein. Auch der Verschwörungsbegriff ist für politische Diffamierung und Ausgrenzung ziemlich fungibel. Ist politische Diffamierung und Ausgrenzung nicht auch „hasserfüllt“ und „menschenfeindlich“? Die wohlfeile und schnelle Etikettierung von politischen Positionen als „Verschwörungswahn“ dient meist – wenn sie bewusst eingesetzt wird – der bequemen Rechtfertigung fehlender argumentativer Auseinandersetzung. Die ist aber aus meiner Sicht das einzige wirksame Mittel, um reale menschenfeindliche, hasserfüllte und rassistische Einstellungen aufzubrechen und aufzuklären.

Mail vom 28.1.16

Hallo Klaus,
ich bitte dich um Stellungnahme zu folgender Frage:
Sollen AUF und MLPD mit auf die Befürworterliste der Demo am Freitag gegen
Hass, Menschenfeindlichkeit und Rassismus?
Sie haben sich als Mitunterzeichner für die Demo angemeldet.
Sollte man nicht alle als Unterzeichner mit auf die Liste setzen, die sich gegen
Hass und Menschenfeindlichkeit aussprechen?
Meiner Meinung macht es da keinen Unterschied aus welcher politischen, religiösen…Gruppierung sie stammen,
weil es allein um die Sache geht. Und da ziehen alle an einem Strang.
Deine Sicht dazu wäre für uns im bf und auch für die Gruppe „Witten gegen Verschwörungswahn“ sehr wichtig und ich bitte dich um eine Antwort.

Grüße

Mail vom 28.1.16:

Auf Witten ist ja auch schon dabei. Und das ist eine Tarnorganisation
> der MLPD. Siehe:
>
> https://de.wikipedia.org/wiki/Marxistisch-Leninistische_Partei_Deutschlands#
> Politik_auf_kommunaler_Ebene

Ja, die enge Verknüpfung ist mir bekannt. AUF betont selbst immer, ein Bündnis
aus verschiedenen Kräften zu sein, von der die MLPD nur eine ist. Das
Ratsmitglied von AUF wird im Rat nicht so ausgegrenzt, wir die Rechtsextremen.
Der Umgang ist normal freundlich, seinen Redebeiträgen wird zugehört und
manchmal wird auch drauf eingeganten. Sollen wir sie von unserer Demo
ausgrenzen, wenn das im Rat (meinem Eindruck nach) nicht als notwendig
angesehen wird?

In diesem Verfassungsschutzbericht

http://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/Verfassungsschutz/
Dokumente/Verfassungsschutzbericht_2010.pdf

steht „Die Zielsetzung der MLPD ist durch eindeutig verfassungsfeindliche
Aussagen geprägt.“

Außerdem gibt es eine Unvereinbarkeitserklärung der IG Metall, die auch ein
Unterzeichner unseres Aufrufs ist.

Ich tendiere dazu, sowohl MLPD als auch AUF nicht auf unsere Unterstützerliste
zu lassen bzw wieder zu entfernen, weil es inkonsequent wäre, nur AUF
zuzulassen und die MLPD nicht und ich die MLPD eher nicht auf der Liste sehen
will.

Andere Meinungen?

Viele Grüße,

*Zitat WAZ 29.1.16, Artikel „Hitzige AfD-Debatte im Landtag endet mit Eklat“: „SPD-Fraktionschef Norbert Römer warf der CDU-Landtagsfraktion vor, sie sei „längst mit dem rechtspopulistischen Virus infiziert“.