„Sachpolitik“?

Im Prinzip bin ich ein Anhänger von „Sachpolitik“, möchte aber hier einmal anmerken, dass der unreflektierte Bezug auf Sachpolitik auch problematische Seiten hat – nämlich genau dann, wenn suggeriert wird, dass eine bestimmte „Sach“-Option alternativlos sei (und eben alle Alternativen unsachlich). So gebraucht, gehört der Terminus „Sachpolitik“ zum beliebten Jargon von Bürokratien – auch Stadtverwaltungen -, die ihre Sicht der Dinge gerne als alternativlos ausgeben.

Das Problem hängt zusammen mit der simplen Einsicht, dass politische Entscheidungen nicht nur auf mehr oder weniger eindeutigen Rohdaten, sondern auf Schlüssen aus diesen Daten nach Wertgesichtspunkten und damit aus Wertungen beruhen. Beispiel Umgang mit Freiflächen: Ob mensch eine Fläche in erster Libnie unter dem Gesichtspunkt der „Schaffung von Arbeitsplätzen“, also der Ansiedlung von Gewerbe sieht, oder – alternativ – unter dem Gesichtspunkt der sog. Nachhaltigkeit, also des Boden-, Landschafts- und Klimaschutzes, ist eine Frage der – mit Folgeabschätzung – Wertepräferenz. „Sachpolitik“ wäre eine Präferenz für Arbeitsplätze/Gewerbe wie auch für Nachhaltigkeit – nur eben alternativ und nicht immer über einen Kompromiss auszugleichen.

Insofern darf aus meiner Sicht „Sachpolitik“ kein bürokratischer Akt, der hinreichend durch eindeutige „technische“ Kompetenz einer Verwaltung legitimiert ist, sondern muss immer Produkt einer bezüglich der Rohdaten nicht eindeutigen, wertebezogenen und auf Argumentation und Verständnis von Alternativen beruhenden Abwägung sein – also demokratischer Prozeduren.

Mich erstaunt immer wieder, wie schwer das Verständnis demokratischer Abläufe „oben“ Verwaltungen fällt, die qua Hierarchie und Organisation an Alternativlosigkeit gewöhnt sind (gilt auch für Angehörige ähnlich programmierter Berufsgruppen: Wirtschaft, aber auch alle im Rahmen einer klar festgelegte Autoritätshierarchie Arbeitenden!), und „unten“ dem „Stammtisch“, der es wegen fehlender Ambiguitätstoleranz* gern „Schwarz-Weiß“ hat. Was die mangelnde demokratische Disposition anbetrifft, ergänzt sich leider beides häufig zum Schaden der Sache – auch in der Kommunalpolitik.

*WikipediA: „Ambiguitätstoleranz (v. lat. ambiguitas „Zweideutigkeit“, „Doppelsinn“), teilweise auch als Unsicherheits- oder Ungewissheitstoleranz bezeichnet, ist die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen. Ambiguitätstolerante Personen sind in der Lage, Ambiguitäten, also Widersprüchlichkeiten, kulturell bedingte Unterschiede oder mehrdeutige Informationen, die schwer verständlich oder sogar inakzeptabel erscheinen, wahrzunehmen, ohne darauf aggressiv zu reagieren oder diese einseitig negativ oder – häufig bei kulturell bedingten Unterschieden – vorbehaltlos positiv zu bewerten. Der Begriff spielt in unterschiedlichen psychologischen und pädagogischen Theorien eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Persönlichkeitsentwicklung (siehe auch: Identitätsentwicklung) und dem sozialen Lernen. Ambiguitätstoleranz ist auch eine Voraussetzung für die interkulturelle Kompetenz eines Menschen. Studien zufolge korreliert sie nicht mit seinem formalen Bildungsniveau.

Je nach Autor wird die Ambiguitätstoleranz als Persönlichkeitseigenschaft oder als kognitiver und perzeptueller Prozess angesehen.[1]

Wenn Situationen oder Menschen unberechenbar und unkontrollierbar erscheinen, empfinden Menschen mit kaum vorhandener Ambiguitätstoleranz Stress und Unbehagen und tendieren dazu, mit einfachen und unreflektierten Ideen oder Regelsystemen und einer lineareren Denkweise wieder Ordnung und Struktur in ihrem Umfeld herzustellen.“