Geschichte der „Technischen Betriebe Witten“ – Ende gut, alles gut?

Die Geschichte der „Technischen Betriebe Witten“ ist lang und verschlungen. In 2008 als Prüfauftrag (Anstalt öffentlichen Rechts – AöR – oder Eigenbetrieb) auf den Weg gebracht, hakte das Ganze zum ersten Mal, als 2010 die Variante AöR – glücklicherweise – nicht zum Zuge kam. 2013 wurde der Beschlussvorschlag zur Gründung einer „eigenbetriebsähnlichen Einrichtung“ „Technische Betriebe Witten“ mehrfach verschoben, am 25.11.13 aber beschlossen. Auf der Ratssitzung am 22.6.2015 ist jetzt die „eigenbetriebsähnliche Einrichtung“ abschließend durch eine Mehrheit des Rates verworfen und eine neue Variante „optimierte Ämterlösung“ beschlossen worden. Zur Ämterlösung siehe den folgenden Rechtformverglkeich:

→ Rechtsformvergleich zwischen eigenbetriebsähnlicher Einrichtung und Amt 0016_M_16_Pruefauftrag_Rechtsformvergleich_-_11_05_2015_-

Was sprach und spricht für mich gegen die Betriebsform der AöR speziell in Witten (siehe dazu mein Beitrag „Selbstentmächtigung ist nicht meine Sache„/24..6.15)?

Das politische Argument: Einschränkung kommunaler Demokratie

Nach Gründung einer AöR wäre die Selbstverwaltung nur noch über einen weitgehend vom Rat abgekoppelten Verwaltungsrat in der Einrichtung präsent gewesen, der in der Regel nichtöffentlich tagt. Einflussnahme/Korrekturen durch den Rat wären kaum noch möglich gewesen, wie die AöR KuFo im Rahmen der Auseinandersetzung um den Standort der Zentralstelle der Stadtbücherei demonstriert hat. Die Einrichtung hätte sich zunehmend verselbständigt.

Es hat mich übrigens 2010 einige taktische Geschicklichkeit gekostet, um die Öffentlichkeit der Sitzungen des Verwaltungsrats KuFo durchzusetzen, und ohne öffentliche Sitzungen hätte es damals kein Bürgerbegehren gegeben (Zur Geschichte der Auseinandersetzung um den Standort Stadtbücherei siehe mein Beitrag „Stadtbücherei – Quo Vadis?„/15.3.13).

Das Haushaltsargument: Keine Sicherung gegen Haushaltskonsolidierung

AöRs sind früher vorzugsweise gegründet worden, um durch Überleitung von Personal und Krediten/Schulden die Kernhaushalte „kosmetisch“ zu entlasten und die Finanzen der AöR vor dem Zugriff der Kommunalaufsicht zu retten. So auch die AöR KuFo, die bei Gründung satt mit Personal und Krediten/Schulden bestückt worden ist. Dieses Manöver ist in Witten angesichts der schweren Haushaltskrise schon längst obsolet geworden. Die AöR KuFo wird seit langem über das sogenannte „worst case“-Szenario umfassend in die Konsolidierung des Gesamthaushalts einbezogen. So wäre es auch einer AöR „Technische Betriebe Witten“ ergangen.

Das organisatorische Argument: Keine Steigerung der Effizienz

Die Vorstellung, dass über eine zentralisierte Spitze (technische/kaufmännische Betriebsleitung) mit der Möglichkeit, über diese top-down zu leiten, die Arbeitseffizienz gesteigert werden könnte, entspricht einer technokratischen Ideologie. Eher zu erwarten ist, dass auch in der AöR angesichts der vielfältigen und heterogenen Aufgaben Friktionen/Reibungsverluste vorprogrammiert sind, die dann intransparent unter der Decke schwelen und die Effizienz nachhaltig behindern, weil von außen – politisch? – nicht nach gesteuert werden kann. Gewisse Vorkommnisse in der AöR KuFo – ich erinnere an die öffentlich gewordene Auseinandersetzung um die Leitung der Musikschule – sind für mich schlagende Beispiele für organisatorisch bedingte Fehlentwicklungen.

Das lokale Argument: Unterstützung von Schlendrian und Fehlerhäufigkeit

Dies gilt insbesondere für die spezielle „Qualität“ der Wittener Verwaltung (siehe dazu diverse Beiträge auf dieser homepage, speziell „Nach uns die Sintflut – Wie die Spitze der Wittener Stadtverwaltung tickt„/8.4.13). Wer diese Verwaltung im Rahmen einer AöR ohne die Möglichkeit politischer und damit demokratischer Kontrolle und Korrekturen des Verwaltungshandelns sich selbst überlässen hätte, hätte aus meiner Sicht nicht die Effizienz, sondern Schlendrian und Fehlerhäufigkeit gestärkt (s.o. Verselbständigung der Einrichtung).

Übrigens: Ob AöR bei Überleitung, eigenbetriebsähnliche Einrichtung oder Amt, für die Beschäftigten gilt der TVÖD – auch mit all seinen Privilegien, z.B. faktische Unkündbarkeit nach 15 Jahren Betriebangehörigkeit.

Anhang:

→ 2008: Vorlage „Reorganisation von Betriebsamt, Tiefbauamt und ESW“ 0992_V_14_Vorlage

→ 2010: Vorlage „Zukünftige Organisation der technischen Betriebe“ 0181_V_15_Vorlage

→ 2013: Vorlage „TBW-Technische Betriebe Witten; Gründung“ 0746_V_15_Vorlage

→ 2015: Mitteilung der Verwaltung „Prüfauftrag Technische Betriebe“ 0016_M_16_Mitteilung_der_Verwaltung