Rückblick: 1997 durch Bürgerentscheid gescheiterter Rathausanbau – ein Verlust für die Innenstadtentwicklung?

Vor kurzem sagte dem Verfasser ein mit der Bearbeitung der Rathaussanierung beauftragtes Verwaltungsmitglied, in Bezug auf die anstehende Rathaussanierung sei Eile geboten.

Wie war das denn wirklich mit den zurückliegenden Rathausanbauprojekten? Denn es ging immer nur um einen Anbau an das alte Rathaus, nie um einen Totalneubau.

1. Runde Anfang der 80er Jahre: Rathausanbau entlang der Hauptstraße in städtischer Regie, von der damals mit absoluter Mehrheit regierenden SPD-Fraktion aus Kostengründen gecancelt.

2. Runde ca. 1993: Der scheidende Stadtdirektor versucht, vor seinem Ausscheiden eine umfassende Rathauserneuerung auf den Weg zu bringen. Angedacht sind ein Rathausanbau (s.o.), ein technisches Rathaus an der Mannesmannstraße und ein soziales Rathaus am Karl-Marx-Platz (jetziger Parkplatz). Abgewickelt werden soll das Projekt über die Siedlungsgesellschaft (SGW). Im Wirtschaftsplan der SGW tauchen ca. 34 Mio. DM auf. Das Projekt wird vor der Komunalwahl 1994 sang- und klanglos aufgegeben. Die immer noch mit absoluter Mehrheit regierende SPD hat wohl kalte Füße bekommen.

3. Runde ab 1995 bis 1997: Erneuter Anlauf einer Randbebauung der Hauptstraße – diesmal als sog. Wohn- und Geschäftshaus in privater Regie, allerdings mit der Absicht, die Büroräume durch die Stadtverwaltung anzumieten. Das Projekt ist 1997 durch einen Bürgerentscheid (nach einem Bürgerbegehren gegen das von der SPD – immer noch mit absoluter Mehrheit – im Rat beschlossene Projekt) gestoppt worden.

Dem Bürgerbegehren und –entscheid ging eine über ein Jahr erarbeitete Machbarkeitsstudie unter Begleitung der Fraktionen voraus (die Studie liegt dem Verfasser vor). Ergebnis der Studie: Das Projekt hätte sich nur durch von der Stadtverwaltung zu zahlende überhöhte Büromieten „gerechnet“. Von Wirtschaftlichkeit für die Stadt konnte keine Rede sein.

Wegen offensichtlich fehlender Wirtschaftlichkeit waren am Ende auch die an der Begleitung der Machbarkeitsstudie beteiligten Sozialdemokraten gegen das Projekt, sind dann aber vom damaligen Bürgermeister auf Kurs gebracht worden (Tenor Bürgermeister: Einen von einem berühmtem Architekten aus Berlin entworfenen Bau kann man doch nicht ablehnen).

Aus Sicht des Verfassers hätte die Kommunalaufsicht damals gegen das Projekt vorgehen müssen, aber die war in den 90er Jahren von Witten (trotz wachsenden Haushaltsdefizits) noch weit entfernt.

Wären die Bürger beim Bürgerbegehren und –entscheid 1997 nicht so vernünftig gewesen (überwältigende Mehrheit beim Bürgerentscheid gegen das Projekt), krankte Witten jetzt wahrscheinlich an einem langsam renovierungsbedürftigen Rathausanbau, der den über die Jahre wachsend schwächelnden städtischen Haushalt (Ergebnis: Überschuldung seit 2010 – einer der am frühesten überschuldeten Haushalte in NRW) über die zu hohen Büromieten zusätzlich belastet würde.

Der Ausschluss einer Büronutzung durch die Verwaltung bezog sich nie auf den geplanten  Rathausanbau (dieser war im Gegenteil für die Nutzung durch die Verwaltung konzipiert), sondern nur auf den Celestian-Bau. Wer etwas anderes behauptet, sagt tatsächlich nicht die Wahrheit.

Fazit: Bei städtischen Projekten ist es immer gut, die Maxime „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ zu beherzigen – auch bei der jetzt geplanten und seit langem dringend notwendigen Rathaussanierung. Zu bedenken ist allerdings, dass bei der bekannten Finanzmisere der Stadt die für die Sanierung eingesetzten Mittel für andere, auch dringend notwendige öffentliche Investitionen nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

– siehe zu diesem Thema auch meine Beiträge „Rathaussanierung – eine vorprogrammierte Geldverschwendung“/April 2013 und „PPP ist glücklicherweise vom Tisch, aber die beste Lösung noch nicht gefunden“/Juni 2013